Tim und Struppi in der Kunsthalle
Zum bevorstehenden 100. Geburtstag des legendären Zeichners Hergé ehrt ihn das Centre Pompidou in Zusammenarbeit mit einer großen Ausstellung über Leben und Werk. Gelegenheit für ein Wiedersehen mit "Tim und Struppi", "Stups und Steppke", "Jo, Jette und Jocko". Der mit bürgerlichem Namen Georges Remi heißende Hergé stellte nicht nur seine Initialen (R.G.) auf den Kopf, sondern revolutionierte auch die europäische Comic-Kultur.
Eine größere Hommage hat das Centre Pompidou noch keinem Künstler bereitet: 40 Meter in die Höhe ragt an der Außenfassade die berühmte Mond-Rakete von Hergés Abenteurer. Mit seinem Tintin alias " Tim und Struppi " hat Hergé Hunderte Millionen von Herzen in aller Welt erobert, Tim-und-Struppi-Filme begeisterten Anfang der 90er Jahre eine neue Generation. Die bewegten Bilder mussten bei der Schau allerdings draußen bleiben. Dafür hielten die Zeichnungen von Hergé Einzug in die europaweit größte Kunst-Sammlung.
Picasso, Matisse und Hergé nun also Seite an Seite im Centre Pompidou. Kurator Laurent Le Bon :
"Wir haben eine Kunstsammlung mit einem universellen Anspruch. Wir wollen die Vielfalt und Vielseitigkeit der Künstler wiedergeben. In unserer Sammlung finden sie genauso gut Rasiermesser wie Architektur-Modelle, Filme, Meisterwerke von Matisse oder Picasso. Hergé hat hier seinen Platz. Es war Zeit, auch die Comic-Kunst zu sammeln. Deshalb haben wir das getan."
Eine Schau, die in mehreren Etappen Leben und Werk des am 22. Mai 1907 als Georges Remi geborenen Hergé nachzeichnet. Wir entdecken die weniger bekannten Abenteuer von " Stupps und Stepke ", unvollendete Zeichenversuche, Selbstporträts, Werbeaufträge, Illustrationen, Postkarten, aber auch Hergé als Kunstkenner und Liebhaber, der mit Größen wie Andy Warhol verkehrte und Calder-Mobiles kaufte. Seine Briefwechsel unterzeichnete er immer mit seinem bürgerlichen Namen: Georges Remi. Für Hergés letzte Ehefrau Fanny bleibt der Künstler bis heute ein Rätsel:
"Die ganze Rätselhaftigkeit seiner Stärke liegt in seinem Schaffen, in der Vielfalt seines Schaffens, in einem Gleichgewicht, seinen klaren Linien, seinem Zauber. Als man Hergé gefragt hat, wie er das macht, antwortete er: Ich weiß es nicht, ich kann das nicht erklären."
Höhepunkt des "Best of Hergé" ist dabei das Ensemble zu Tim und Struppis Abenteuer in China: "Der blaue Lotus" aus dem Jahr 1934. Ein Schlüsseljahr in der Karriere Hergés. Damals beschäftigte er sich für seine Zeichnungen erstmals eingehend mit der Geschichte eines Landes. Aus dem provinziellen Karikaturisten entwickelte sich der geniale Zeichner Hergé, der universelle Comic-Geschichten verfasste, mit denen sich jedes Kind identifizieren kann. Den 124 großformatigen Originalzeichnungen von " Der blaue Lotus " hat das Centre Pompidou eine eigene kleine " Kapelle " gewidmet. Jeder der hier eintritt, ist umgeben von einer regelrechten Flut aus Sprechblasen, Bildern und Texten, so Kurator Laurent Le Bon:
"Bei dieser Sixtinischen Kapelle der Comic-Kunst - auch wenn dieser Ausdruck vielleicht etwas anmaßend klingt - handelt es sich um das einzige Album, das nicht verändert und nicht farbig gestaltet worden ist. Wenn Sie Lust haben, können sie hier eine Stunde bleiben, um jede dieser 124 Zeichnungen mit jeweils zehn Erzählkästchen einzeln anzusehen. Das sind insgesamt also über 1.000 Kunst-Werke, die Sie hier bewundern können. Denn ein Ziel dieser Ausstellung ist es, dass Sie jedes einzelne Zeichenkästchen hier als selbständiges Kunstwerk ansehen."
Der Enthusiasmus und die Beschränkung auf die zeichnerische Ästhetik sind die Stärken und gleichzeitig die Schwächen der Ausstellung. Nirgendwo fällt das Licht auf die Schattenseiten in Hergés Leben und Werk. Kein Wort über die vermeintliche Kollaboration mit den deutschen Besatzern, die Klischees über die Sowjetunion oder die Tibet-Frage.
Obwohl gerade die Krisen die Entschlusskraft und das Talent von Hergé zum Ausdruck bringen, bemerkt Philippe Gaudin, der zehn Jahre lang als Generalsekretär die Hergé-Stiftung leitete und sich inzwischen als Hergéologe bezeichnet:
"... Ende der 40er Jahre hatte man ihn beschuldigt, während des Zweiten Weltkriegs eine falsche Einstellung gehabt zu haben. Obwohl er während des Kriegs einfach nur 'Tim und Struppi' weiter veröffentlichte. Allerdings in einer etwas zweifelhaften Zeitung, das stimmt ... Zweitens hatte er damals festgestellt, dass einer seiner Agenten ihn betrogen hatte. Hergé überarbeitete sich, ist zusammen gebrochen, wurde depressiv und suchte in der Schweiz Abstand. Das ging soweit, dass ihn seine eigene Arbeit anwiderte. Er hat nicht einmal mehr an 'Tim und Struppi' geglaubt. Doch letztlich hat er sich wieder aufgerappelt und weitere Folgen veröffentlicht. Hergé schuf seine Meisterwerke nicht alle vor dieser Krise, sondern auch nach dieser Krise. Sein gesamtes Werk ist interessant."
Interessant ja, aber wie lange noch bekannt, wenn manche Verlage lieber auf "Harry Potter" setzen, als in die Zukunft von "Tim und Struppi" zu investieren, kritisiert Nick Rodwell von den Studios Hergé. Nach Hervés Tod 1983 durchlebte das Hergé-Imperium eine handfeste Krise. Mittlerweile gibt es wieder jede Menge Zukunftspläne. Genug für die nächsten 100 Jahre? Frage an den Hergéologen Philippe Gaudin:
"Genauso wie heute noch Shakespeare oder Molière gespielt werden, wieso sollte man nicht auch 'Tim und Struppi' weiter lesen? Genauso wie man Charlie-Chaplin-Filme ansieht. Wichtig ist, dass die Leute weiterhin die Möglichkeit dazu haben, denn ich denke, dieses Werk verdient es."
Service:
Die Ausstellung zu Leben und Werk des Zeichners Hergé wird am Donnerstag offiziell eröffnet und bleibt bis zum 19. Februar im Centre Pompidou. Der Eintritt ist kostenlos.
Picasso, Matisse und Hergé nun also Seite an Seite im Centre Pompidou. Kurator Laurent Le Bon :
"Wir haben eine Kunstsammlung mit einem universellen Anspruch. Wir wollen die Vielfalt und Vielseitigkeit der Künstler wiedergeben. In unserer Sammlung finden sie genauso gut Rasiermesser wie Architektur-Modelle, Filme, Meisterwerke von Matisse oder Picasso. Hergé hat hier seinen Platz. Es war Zeit, auch die Comic-Kunst zu sammeln. Deshalb haben wir das getan."
Eine Schau, die in mehreren Etappen Leben und Werk des am 22. Mai 1907 als Georges Remi geborenen Hergé nachzeichnet. Wir entdecken die weniger bekannten Abenteuer von " Stupps und Stepke ", unvollendete Zeichenversuche, Selbstporträts, Werbeaufträge, Illustrationen, Postkarten, aber auch Hergé als Kunstkenner und Liebhaber, der mit Größen wie Andy Warhol verkehrte und Calder-Mobiles kaufte. Seine Briefwechsel unterzeichnete er immer mit seinem bürgerlichen Namen: Georges Remi. Für Hergés letzte Ehefrau Fanny bleibt der Künstler bis heute ein Rätsel:
"Die ganze Rätselhaftigkeit seiner Stärke liegt in seinem Schaffen, in der Vielfalt seines Schaffens, in einem Gleichgewicht, seinen klaren Linien, seinem Zauber. Als man Hergé gefragt hat, wie er das macht, antwortete er: Ich weiß es nicht, ich kann das nicht erklären."
Höhepunkt des "Best of Hergé" ist dabei das Ensemble zu Tim und Struppis Abenteuer in China: "Der blaue Lotus" aus dem Jahr 1934. Ein Schlüsseljahr in der Karriere Hergés. Damals beschäftigte er sich für seine Zeichnungen erstmals eingehend mit der Geschichte eines Landes. Aus dem provinziellen Karikaturisten entwickelte sich der geniale Zeichner Hergé, der universelle Comic-Geschichten verfasste, mit denen sich jedes Kind identifizieren kann. Den 124 großformatigen Originalzeichnungen von " Der blaue Lotus " hat das Centre Pompidou eine eigene kleine " Kapelle " gewidmet. Jeder der hier eintritt, ist umgeben von einer regelrechten Flut aus Sprechblasen, Bildern und Texten, so Kurator Laurent Le Bon:
"Bei dieser Sixtinischen Kapelle der Comic-Kunst - auch wenn dieser Ausdruck vielleicht etwas anmaßend klingt - handelt es sich um das einzige Album, das nicht verändert und nicht farbig gestaltet worden ist. Wenn Sie Lust haben, können sie hier eine Stunde bleiben, um jede dieser 124 Zeichnungen mit jeweils zehn Erzählkästchen einzeln anzusehen. Das sind insgesamt also über 1.000 Kunst-Werke, die Sie hier bewundern können. Denn ein Ziel dieser Ausstellung ist es, dass Sie jedes einzelne Zeichenkästchen hier als selbständiges Kunstwerk ansehen."
Der Enthusiasmus und die Beschränkung auf die zeichnerische Ästhetik sind die Stärken und gleichzeitig die Schwächen der Ausstellung. Nirgendwo fällt das Licht auf die Schattenseiten in Hergés Leben und Werk. Kein Wort über die vermeintliche Kollaboration mit den deutschen Besatzern, die Klischees über die Sowjetunion oder die Tibet-Frage.
Obwohl gerade die Krisen die Entschlusskraft und das Talent von Hergé zum Ausdruck bringen, bemerkt Philippe Gaudin, der zehn Jahre lang als Generalsekretär die Hergé-Stiftung leitete und sich inzwischen als Hergéologe bezeichnet:
"... Ende der 40er Jahre hatte man ihn beschuldigt, während des Zweiten Weltkriegs eine falsche Einstellung gehabt zu haben. Obwohl er während des Kriegs einfach nur 'Tim und Struppi' weiter veröffentlichte. Allerdings in einer etwas zweifelhaften Zeitung, das stimmt ... Zweitens hatte er damals festgestellt, dass einer seiner Agenten ihn betrogen hatte. Hergé überarbeitete sich, ist zusammen gebrochen, wurde depressiv und suchte in der Schweiz Abstand. Das ging soweit, dass ihn seine eigene Arbeit anwiderte. Er hat nicht einmal mehr an 'Tim und Struppi' geglaubt. Doch letztlich hat er sich wieder aufgerappelt und weitere Folgen veröffentlicht. Hergé schuf seine Meisterwerke nicht alle vor dieser Krise, sondern auch nach dieser Krise. Sein gesamtes Werk ist interessant."
Interessant ja, aber wie lange noch bekannt, wenn manche Verlage lieber auf "Harry Potter" setzen, als in die Zukunft von "Tim und Struppi" zu investieren, kritisiert Nick Rodwell von den Studios Hergé. Nach Hervés Tod 1983 durchlebte das Hergé-Imperium eine handfeste Krise. Mittlerweile gibt es wieder jede Menge Zukunftspläne. Genug für die nächsten 100 Jahre? Frage an den Hergéologen Philippe Gaudin:
"Genauso wie heute noch Shakespeare oder Molière gespielt werden, wieso sollte man nicht auch 'Tim und Struppi' weiter lesen? Genauso wie man Charlie-Chaplin-Filme ansieht. Wichtig ist, dass die Leute weiterhin die Möglichkeit dazu haben, denn ich denke, dieses Werk verdient es."
Service:
Die Ausstellung zu Leben und Werk des Zeichners Hergé wird am Donnerstag offiziell eröffnet und bleibt bis zum 19. Februar im Centre Pompidou. Der Eintritt ist kostenlos.