Tierischer Transit

Die Rückkehr des Grenzzauns

Ein Wildschwein im Wald in Schleswig-Holstein
Tier des Anstoßes: Wildschweine können die für den Menschen ungefährliche Afrikanische Schweinepest einschleppen. © picture alliance/dpa/Foto: Gerken & Ernst
Von Johannes Kulms · 28.01.2019
Weil die dänischen Schweinezüchter Angst vor der Afrikanischen Schweinepest haben, hat Dänemark einen 1,50 Meter hohen Grenzzaun errichtet. Der soll Wildschweine am Grenzübertritt hindern. Der könnte nicht nur die Fauna, sondern auch die Beziehungen stören.
Ein Nachmittag im Januar nahe der Grenzstadt Padborg. Hügelig ist die Gegend hier im deutsch-dänischen Grenzgebiet nur wenige Kilometer entfernt von Flensburg.
"Wir arbeiten hier oben auf dem Pflegeheim und nach der Arbeit gehen wir auf Spazierfahrt…"
Zwei dänische Altenpflegerinnen stehen vor einem hochgeklappten Schlagbaum, blicken in Richtung Bundesrepublik. Früher war der Grenzübertritt hier keinesfalls einfach. Zeiten, die nun wohl zurückkehren. Denn schon in wenigen Monaten soll hier ein 1,50 Meter hoher Zaun stehen.

Dänemark will sich gegen Wildschweine schützen

Mit der Barriere will sich das dänische Königreich gegen Wildschweine schützen, die die Afrikanische Schweinepest ins Land bringen könnten. Keine gute Idee, finden die beiden Spaziergängerinnen:
"Weil die können ja schwimmen und die können ja durchgehen da, wo die Löcher sein müssen. Und ich glaube, wenn diese Schweinepest oder was das ist, hier kommen muss, dann ist sie schon hier, bevor die fertig sind."
Mogens Dall sieht das ganz anders. Er ist Vorstandschef des süddänischen Landwirtschaftsvereins LandboSyd. Und selbst Schweinehalter. Die Kapazitäten seines Hofs nahe Gråsten – zu deutsch Gravenstein:
"Um die 2890 Plätze. Das macht ja pro Jahr etwa 10.000 Ferkel zum Schlachthof…"


Für den Mensch ist die Afrikanische Schweinepest ungefährlich. Doch für die Tiere bedeutet sie einen qualvollen Tod. Die Schweinemast spielt in der dänischen Wirtschaft eine wichtige Rolle. Würde die Krankheit hier ausbrechen, dürfte das einen Exportstopp in Drittstaaten bedeuten, sagt Mogens Dall. Umgerechnet 1,5 Milliarden Euro stünden auf dem Spiel – und rund 33.000 Jobs.
Doch auf deutscher Seite schauen viele sehr skeptisch auf den Zaun, den Dänemark seit Monaten an der 67 Kilometer langen Grenze plant.
Mogens Dall, Schweinehalter und Vorstandschef des süddänischen Landwirtschaftsvereins LandboSyd
Mogens Dall, Schweinehalterund Vorstandschef des süddänischen Landwirtschaftsvereins LandboSyd© Deutschlandradio / Johannes Kulms

Der Zaun wird viele Öffnungen haben

Sinnlos, finden viele. Denn der Zaun wird viele Öffnungen dort haben, wo Straßen und Schienenwege die Grenze kreuzen. Zudem haben dänische Wissenschaftler vor kurzem herausgefunden, dass die afrikanische Schweinepest auch durch Fliegen und Stechmücken übertragen werden kann. "Alles nur Symbolpolitik" raunen deshalb viele im Grenzgebiet.
Auch Schleswig-Holsteins Landesregierung zeigt sich verwundert über das Vorhaben. Wenngleich Ministerpräsident Daniel Günther vergangenen Juni auch versichert hat, die dänische Entscheidung zu akzeptieren. Und sich überzeugt gab, das der "Zaun nichts ist, was unsere Länder voneinander trennt."
Mogens Dall hält fest:
"Der Zaun kann uns helfen in Dänemark, die Anzahl der Wildschweine zu reduzieren. Durch Jagd und Fallen. Aber wenn da immer wieder neue von Deutschland kommen, also völlig ungehindert wenn der Zaun nicht gebaut wird, dann ist die Aufgabe wesentlich schwerer."

Emotionale Geschichte in der Grenzregion

Dalls Schweinemast liegt nur wenige Kilometer entfernt von Dybbøl – zu Deutsch Düppel. Der Ort spielt eine große Rolle im kollektiven Gedächtnis der Dänen, weil hier im Krieg mit Preußen 1864 die entscheidende Schlacht stattfand, die die Deutschen gewannen.
Der Zweite Weltkrieg und die deutsche Besetzung Dänemarks sorgten für weitere Wunden. Es dauerte, bis sich Deutsche und Dänen nach dem Krieg wieder annäherten – das Miteinander an der Grenze wird deshalb heute als Erfolgsgeschichte gesehen.
Doch jetzt kommt der Zaun! Der werde das Zusammenleben nicht bedrohen, ist hingegen Mogens Dall überzeugt, der in wenigen Monaten gerne als Kandidat der Regierungspartei Vaenstre ins dänische Parlament einziehen möchte.
"Gute Nachbarn und Freunde können das mal verkraften und sie sind herzlich eingeladen, alle umeinander in Dänemark."


Martin Ellermann ist einer dieser Nachbarn. Er ist gebürtiger Ostwestfale und seit 2012 Bürgermeister von Harrislee. Auch in der 11.000-Einwohnergemeinde an der Grenze hat man die dänischen Aktivitäten in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt. 2016 die Wiedereinführung der Grenzkontrollen, um Flüchtlinge abzuhalten. Jetzt der Wildschweinzaun. Martin Ellermann:
"Weder die jetzigen Grenzkontrollen noch ein 1,50 Meter hoher Stabgitterzaun werden illegale Einwanderung, sei es jetzt von Mensch oder Tier, verhindern können."
Bau eines Wildschweinzaunes bei Padborg in Dänemark
Bau des Wildschweinzaunes bei Padborg, Dänemark. © picture alliance/dpa/Foto: Carsten Rehder

Ein Wildschweinzaun sei unverhältnismäßig

Im vergangenen Juni haben die Gemeindevertreter von Harrislee eine Erklärung veröffentlicht. Darin betonen sie, die Souveränität von Dänemark zu achten. Doch ein Wildschweinzaun sei unverhältnismäßig, zumal er die gesamte Fauna in Grenznähe beeinträchtigen würde genauso wie die jahrzehntelangen Bemühungen, die deutsch-dänische Grenze möglichst durchlässig zu gestalten.
Inzwischen sei man auf dänischer Seite aufmerksamer für die Bedenken der deutschen Nachbarn, so der Eindruck von Harrislees parteilosem Bürgermeister Martin Ellermann. Doch am Zaun werde festgehalten.
"Die Grenze wird jetzt optisch wieder ein Stück weit manifestiert. Und das ist auch eine große Kritik, die wir daran üben. Denn eines kann mir niemand beantworten, nämlich: Wann und unter welchen Voraussetzungen der Zaun wieder abgebaut wird."
Im kommenden Jahr soll ausgiebig der 100. Jahrestag der Volksabstimmung über Schleswig gewürdigt werden, die die Grundlage für den heutigen Grenzverlauf zwischen Deutschland und Dänemark schuf. Ob der Zaun die Feierlichkeiten stören wird ist die eine Frage. Ob es afrikanische Schweinepest dann über die Grenze geschafft hat, die andere.
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