Tiere in Not

Die Reptilien-Retter der Feuerwehr

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Eine Wasseragame sitzt in einem Käfig in der Quarantänestation der Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen © picture alliance / Holger Hollemann / dpa
Von Stephanie Kowalewski · 28.02.2017
In deutschen Wohnzimmern leben Tausende Schlangen, Leguane und Giftspinnen. Viele von ihnen werden falsch gehalten oder sind stark unterernährt, berichten die Experten der Reptiliengruppe der Düsseldorfer Feuerwehr. Die wird gerufen, wenn die Tiere entweichen.
Wenn in Nordrhein-Westfalen irgendwo Reptilien in not sind, eine Giftspinne im Supermarkt entdeckt wird oder eine Schlange aus dem Terrarium entweicht - dann kommt die Reptiliengruppe der Düsseldorfer Feuerwehr zum Einsatz.
"In der Regel heißt es dann immer, wir haben hier ein Tier gefunden, das ist drei Meter lang und leuchtend grün."
Erzählt Sebastian Schreiner, einer der sechs Feuerwehr-Reptilienexperten.
"Und dann fahren wir dahin und dann ist das Tier 1,50 Meter und gelb. Also das kann wirklich alles kreuz und quer durch die Bank sein. Wir haben im Groben immer einen Anhaltspunkt: Handelt es sich um eine Spinne, Schlange oder Echse – aber was es dann ist, ist oftmals eine Überraschung auch für uns."
Und weil die Düsseldorfer Reptiliengruppe bundesweit ziemlich einzigartig ist, bekommt sie inzwischen viele Anfragen von Kollegen aus anderen Teilen Deutschlands, sagt ihr Leiter Michael Harzbecker:
"Es geht vielfach auch darum, dass wir die Art bestimmen. Es kommen ganz viele Feuerwehren von Extern, die Fotos schicken und sagen, das ist die und die Schlange, können wir daran gehen, ist die gefährlich, ist die giftig? Wenn wir sie explizit bestimmen können anhand des Fotos, dann geben wir auch eine Auskunft darüber, wie die zu händeln ist. Wenn wir nicht sicher sind, müssen wir ausrücken. Und wir fahren im Jahr ca. 40 bis 70 Einsätze, das variiert von Jahr zu Jahr. Und ich schätze mal, alleine in Düsseldorf gibt es bestimmt 1000 Giftschlangenhalter."

Vier Meter langer Tigerpython

Bei seinen Einsätzen hat er schon einen vier Meter langen Tigerpython gerettet, der in der Badewanne gehalten wurde, einen ausgewachsenen Waran einfangen und in einer einzigen Wohnung fanden die Feuerwehrleute fast ein Dutzend Reptilien in jämmerlichem Zustand:
"Diese Tiere waren stark unterernährt, krank und mussten da raus gefangen werden. Es waren auch grüne Mambas dabei – Tiere, die sehr extrem gefährlich sind, extrem schnell sind. Es waren etliche Kobras dabei, Hornottern waren dabei, paar ungiftige Sachen, die wir dann beschlagnahmt haben, seitens der Stadt und dann mitgenommen haben."
Damit bei den Einsätzen weder Mensch noch Tier zu Schaden kommt, sind die Feuerwehrmänner im Umgang mit gefährlichen und giftigen Tieren geschult.
"Gehen wir mal als Beispiel von einer Kobra aus. Man nimmt den Haken und nimmt damit den Schwanz in die Hand. Dann nehme ich meine Fixiergabel, kann man sich vorstellen wie eine Astgabel. Da ist vorne ein Gummi drin. Ich lege eine Schaumstoffunterlage auf den Boden. Fixiere den Kopf dann auf dieser Schaumstoffunterlage mit der Gabel. Und greife dann an den Kopf und fixiere dann zusätzlich den Körper."
So kann Michael Harzbecker die fauchende Kobra sicher in eine Transportbox legen. Und dann?
"Es ist ein großes Problem, die Tiere unterzubringen. Tierheime sind damit überfordert. In NRW haben wir nur den Terrazoo als Auffangstation. Wirklich, was die da machen hat Hand und Fuß, aber Gelder dafür werden nicht bereit gestellt. Die platzen aus allen Nähten und wissen nicht wohin mit den Tieren."
Kobra, Klapperschlange und Co landen also in der Auffangstation des Terrazoos. Einem Flachbau mitten im Gewerbegebiet der niederrheinischen Stadt Rheinberg.
Hier drin ist es fast tropisch warm. Ein Klima, das für die derzeit gut 600 Tiere lebenswichtig ist.
Eine Jagdspinne (Cupiennius salei)
Eine Jagdspinne (Cupiennius salei) © picture alliance / dpa / Tom Weihmann / FSU
In den rund 80 Terrarien werden kleine Spinnen ebenso gehalten wie sechs Meter lange Würgeschlangen, Leguane und Alligatoren. Tiere also, mit denen normale Tierheime überfordert sind. Doch auch solche Reptilien brauchen eben manchmal ein neues Zuhause, sagt der Terrazooleiter Uwe Ringelhahn.
"Also die meisten Tiere kommen tatsächlich aus Sicherstellungen, aus privaten Abgaben, vom Flughafen."

Tiere werden ihren Besitzern wegen falscher Haltung weggenommen

Er betreibt Reptilienauffangstationen in Hessen, Thüringen und eben Nordrhein-Westfalen. Der Terrazoo hat im vergangenen Jahr rund 800 Tiere aus sogenannten Sicherstellungen nur aus NRW aufgenommen, also Tiere, die ihren Besitzern wegen falscher Haltung abgenommen wurden. Und häufig sind sie in einem bedauernswerten Zustand.
"Verkrüppelte Tiere, also irreparable Schäden, die haben verschiedene Vieren, bis hin zum Paramyxovirus."
"Was ist das?"
"Das ist so wie Aids beim Menschen. Die Tiere werden definitiv eingehen daran. Und die kriegen quasi hier ihr Gnadenbrot."
Ebenso wie die Schildkröten, deren Panzer wegen zu wenig Sonnenlicht und falscher Ernährung so klein ist, dass ihre Innereien herausquellen. Tierquälerei aus Unkenntnis und Überforderung sei das, sagt Uwe Ringelhahn.
"Viele Leute schaffen sich sowas an und haben eigentlich groß keinen Schimmer. Und darum, so eine zertifizierte Schulungen, die auch Hand und Fuß hat, mit Prüfungen, an Gefahrtieren, also wo man wirklich mit dem Gefahrtier umgeht, finde ich schon notwendig."
Das sieht übrigens auch Michael Harzbecker von der Reptiliengruppe der Düsseldorfer Feuerwehr so. Doch die Realität in den meisten Bundesländern sieht anders aus.
"Es gibt keine Gesetzesreglementierung. Momentan kann sich jeder eine Mamba im Internet bestellen, kann sich einen Alligator daheim hinsetzten, wenn er es anmeldet. Und wenn dann ein Amt rauskommt, muss er die Mindestanforderungen einhalten. Die sind jetzt nicht dementsprechend hoch. Ja, das war es dann. Er muss da keine Schulung machen."
Um die wachsende Zahl von Reptilien in Not zu verringern, hält er neben einer Art Sachkundenachweis auch gesetzliche Regelungen für die Haltung von Gefahrtieren für sinnvoll, denn sie sorgen dafür, sagt Uwe Ringelhahn, dass weniger notleidende Tiere in seinen Auffangstationen landen.

"Wir fühlen uns ein bisschen im Stich gelassen"

"Wenn man jetzt Thüringen und Hessen sieht, die haben diese Reglementierung, da ist das stark zurückgegangen. Wir haben nicht mehr so viele Sicherstellungen, wir haben die Fundtiere weniger. Wir haben das also wirklich um die Hälfte reduziert seit diesen Reglementierungen."
In NRW und vielen anderen Bundesländern fehlen solche Gesetze allerdings ebenso, wie genügend Auffangstationen und eine geregelte Finanzierung. Vom Land NRW jedenfalls bekommt Uwe Ringelhahn für seine Arbeit mit den Reptilien keinen Cent.
"Tja, das finanzieren wir momentan durch unsere Besucher, durch Patenschaften, durch Spenden. Aber das kann ja auf Dauer nicht so weitergehen. Und wir fühlen uns auch ein bisschen - ja, im Stich gelassen."
Da geht es ihm letztlich ein wenig so wie seinen exotischen Schützlingen.
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