Ticketverkäufer und Techniker in der Coronakrise

Das Rückgrat der Musikbranche

05:09 Minuten
Mikrofon
Bleibt wegen der Pandemie der Platz hinterm Mikrofon leer, trifft das auch Tontechniker und Tontechnikerinnen sowie Konzertagenturen hart. © imago/Photocase
Von Oliver Schwesig · 02.04.2020
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Hinter erfolgreichen Musikschaffenden stehen Tontechnikerinnen, Ticketverkäufer oder Tourfotografen. Auch diese zweite Reihe der Musikbranche ist durch Corona in ihrer Existenz gefährdet. Doch in der Krise eröffnen sich auch neue Wege.
Markus Ohm betreibt die Konzertticket-Seite "Tix For Gigs". Konzerte gibt es erstmal keine mehr, also werden auch keine Tickets verkauft. Markus Ohm muss trotzdem arbeiten – ohne Einnahmen. Er muss die Ticketrückgaben abwickeln. Dabei ist er aber auf viel Solidarität gestoßen.
"Wir haben schon vor zwei Wochen, mit den ersten Absagen, bei uns im System eine Möglichkeit integriert, dass Menschen die Tickets zurückgeben und das Ticketgeld spenden, was wir dann direkt an den Veranstalter auszahlen. Nach einer Woche hatten wir Spendengelder, also nicht nur Ticketabsagen, sondern reine Spendengelder, von Menschen, die ein Soli-Ticket gekauft haben, von insgesamt 130.000 Euro, von denen wir schon 80.000 Euro ausgezahlt haben an Veranstalter."

Der Zusammenhalt der Branche hilft

Ganz anders sieht die Situation im Club "Ilses Erika" aus. Das Leipziger "Tanzcafe" ist bundesweit als Kultclub bekannt. Betreiber Jörn Drewes musste seine Angestellten erst mal zur Arbeitsagentur schicken. Er will die Soforthilfe vom Land beantragen. Bands kann er sobald nicht buchen. Seine Hoffnungen als Gastronom ruhen jetzt auf der Biergartensaison. Ein paar Wochen im Frühherbst vielleicht, sagt er. Aber auch Jörn Drewes hilft momentan der Zusammenhalt der Branche, wie er berichtet:
"Wir haben in Leipzig hier das Live-Kombinat. Eine Vereinigung von Spielstätten, Clubs und Bühnen. Es werden Live-Streams veranstaltet. Wir machen das 'Ilses Erika Corona-TV'. Da gibt es einige Sachen zu sehen, die wir sonst auch machen im Club, um Kultur und Unterhaltung ein bisschen fortsetzen zu können. Um auch für unseren Geist was zu tun – das ist die wichtigste Sache, die wir da verfolgen. Die Selbstständigen in meinem Umfeld klagen über dieselben Sachen. Überleben ist nur möglich mit den öffentlichen Geldern."

Krisenerprobt in Stuttgart

In eine ungewisse Zukunft blickt auch Ralv Milberg. Er betreibt in Stuttgart ein Tonstudio und ist für die Musikszene in Süddeutschland ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt. Bands wie Karies oder Die Nerven hat Milberg produziert.

Er sagt: "Ja, natürlich auch so Sachen, wo der eine oder andere Kunde davon absieht, nicht mehr persönlich vorbeizukommen. Oder, dass er dann sagt: Komm, den Job kannst du auch ohne mich machen, ich vertraue dir. Das ist ja auch eine gewisse Form von Solidarität. Das heißt, ich merke die Krise schon. Aber die Krise bringt mich jetzt auch nicht aus dem Konzept, weil man in der Tontechnik die ein oder andere Krise gewöhnt ist, da passiert Unvorbereitetes, und deswegen werde ich auch diese Krise meistern wie alle anderen Krisen bisher."

Sofort Kontakt mit der Politik

Nochmal ein Blick nach Sachsen. Sehr engagiert im Namen der Kulturschaffenden war der Fotograf Martin Klindtworth, der auch als Bandfotograf arbeitet. Er hat schon im Februar erkannt, dass ihm Einnahmen wegbrechen werden und hat sich sofort bei der Politik gemeldet. Und die ist mit ihm auch im Dialog geblieben. Klindtworth hat sich viel Expertise über die letzten Wochen erarbeitet. Unter anderem seine Einschätzungen waren Grundlage für die Erstellung der Hilfspakete der Regierung. Martin Klindtworth sagt: Es gibt inzwischen einige Töpfe und Möglichkeiten, die für so ziemlich jeden betroffenen Soloselbstständigen Hilfe bieten.
"Ich bin der Meinung, dass es für Soloselbstständige eine Kombination geben muss aus Soforthilfen, Darlehen und einer Grundsicherung des Lebensunterhaltes. Ich habe die Lage unserer Branche frühzeitig Politikern geschildert. Gemeinsam mit vielen habe ich das Thema in die Politik getragen. Am Abend vor der Bundestagsabstimmung hat mich nochmal meine Wahlkreisabgeordnete kontaktiert und mich nach meiner Einschätzung gefragt. Da hab ich gedacht: Nie fand ich Politik spannender und Mitwirkung effektiver als heute."

Bei aller Angst: viel Kollegialität

Alle betonen die Solidarität untereinander in dieser Krise. Das Musikgeschäft funktioniert nach anderen Gesetzen, als andere Branchen – auch im Normalbetrieb. Vieles läuft über Vertrauen, Vereinbarungen per Handschlag und Notizen auf Bierdeckeln. Und genau diese Dinge sind es jetzt, die den Leuten in dieser Branche auch in der Krise helfen. Bei all der Angst über die unsichere Zukunft, eins ist trotzdem zu spüren: ein noch stärkeres kollegiales Miteinander. Gerade durch die Coronakrise.
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