Tibet

Dalai Lama erleuchtet Hessen

Botschafter für Tibet und Buddhist: der Dalai Lama.
Botschafter für Tibet und Buddhist: der Dalai Lama. © dpa / Sanjay Baid
Tsewang Norbu im Gespräch mit André Hatting · 14.05.2014
Der Vorstand der "Tibet-Initiative Deutschland", Tsewang Norbu, hat die Bedeutung der Auslandsreisen des Dalai Lamas für die Tibeter betont. So könnten sie ihre Anliegen in die Weltöffentlichkeit bringen. Das geistige Oberhaupt der Tibeter besucht Frankfurt/M.
André Hatting: Der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt von sechs Millionen Tibetern reist gerade durch Europa. In Frankfurt am Main will er heute einen Vortrag halten, morgen dann mit Schülern diskutieren. Mit diesem Besuch folgt der Dalai Lama einer Einladung der Kultureinrichtung Tibethaus Deutschland. Das Ganze hat eher privaten Charakter, ein Treffen mit der Bundeskanzlerin oder dem Bundespräsidenten ist nicht geplant. Der Dalai Lama also wieder mal auf Reisen, aber wie sieht es in seiner Heimat aus? Darüber möchte ich jetzt mit Tsewang Norbu sprechen. Er ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Tibet-Initiative Deutschland. Guten Morgen, Herr Norbu!
Tsewang Norbu: Guten Morgen, Herr Hatting!
Hatting: Wenn man an Tibet denkt, dann fallen einem leider sofort die Selbstverbrennungen von Mönchen ein. Ist die Situation der Menschen dort immer noch so verzweifelt?
Norbu: Ja, leider ist das immer noch so. Es sind natürlich nicht nur Mönche und Nonnen, die sich dort selbst verbrennen, sondern auch Laien, Nomaden, einfache Tibeter. Natürlich, zahlenmäßig sind die Mönche und Nonnen überwiegend. Die Situation in Tibet ist nach wie vor sehr schlecht. Im Grunde genommen ist die Situation noch schlechter, da die chinesische Regierung wie überall auf der Welt da ihre Muskeln zeigt, Stärke zeigt, in Tibet erst recht noch brutaler vorgeht.
Hatting: Was sind im Augenblick die größten Probleme der Menschen dort?
Norbu: Die größten Probleme für Tibeter in Tibet ist natürlich in erster Linie, sich politisch zu äußern, auf der anderen Seite auch, obwohl in China eine rasante wirtschaftliche Entwicklung stattfindet, bleiben die Tibeter zusehends an den Rand gedrängt, und sie werden noch stärker marginalisiert, und sie haben eigentlich von der wirtschaftlichen Entwicklung nichts. Natürlich, wo gehobelt wird, da fallen Späne, das ist klar. Aber sie werden immer weiter marginalisiert. Und dann, was momentan ziemlich krass ist, dass Tibeter, die jetzt gegen die Infrastrukturprogramme Bergbau, Bodenschätzeabbau demonstrieren, die landen sofort im Gefängnis.
Symbolfigur für Tibet
Hatting: Dann sind also die Auslandsreisen des Dalai Lamas, wenn Sie vorhin gesagt haben, China lässt noch mehr seine Muskeln spielen im Ausland, dann sind diese Auslandsreisen überhaupt keine Hilfe?
Norbu: Ich glaube schon, dass es eine große Hilfe ist, sonst haben die Tibeter überhaupt keine Chance, die Lage in Tibet an die Weltöffentlichkeit zu bringen. Auch wenn jetzt der Dalai Lama politisch seine Ämter längst abgegeben hat, aber trotzdem ist er die Symbolfigur für Tibet, die Hoffnung für die sechs Millionen Tibeter, und wenn er da ist, auch wenn er politisch wenig äußert, aber Tibet kommt als Thema.
Hatting: Sie haben das schon angesprochen, die Muskeln Chinas, die Bedeutung für viele Regierungen. Die sind vorsichtig geworden, obwohl der Dalai Lama ja eben nicht mehr politischer, sondern nur noch religiöser Repräsentant ist. Beim Besuch in Norwegen vor einer Woche zum Beispiel, da war der Anlass 25 Jahre Friedensnobelpreis für den Dalai Lama, da wollte ihn kein Spitzenpolitiker offiziell begrüßen. War das feige?
Norbu: Das finden wir sehr traurig, und auch die ganze Diskussion in Norwegen, wenn man sie verfolgt, geht auch in die Richtung. Was unheimlich schade ist, wenn man sich einmal Chinas Druck beugt, dann wird China noch unverschämter. Und wenn man jetzt bedenkt, dass der ehemalige hessische Ministerpräsident als einer der stärksten Unterstützer Tibets gilt – aber der war der einzige deutsche Politiker, der von China offiziell nach Tibet eingeladen worden ist. Das heißt, man muss nicht unbedingt – man muss gegenüber China freundlich bleiben, aber gleichzeitig auch prinzipientreu. Dann steigt man in den Augen Chinas dann an Achtung.
Dem Gastgeber keine Unannehmlichkeiten bereiten
Hatting: Also den Dalai Lama trotzdem empfangen, so wie es die USA ja tun?
Norbu: Ich glaube schon. Auf der anderen Seite, das ist auch die Position des Dalai Lamas: Er will seinem Gastgeber keine Unannehmlichkeiten bereiten. Und er hat neulich auch ganz klar gesagt wegen Norwegen, wenn er eine politische Agenda hätte, wenn er politisch unterwegs wäre, dann macht es natürlich Sinn, auch mit Politikern zusammenzutreffen. Aber da er jetzt politisch nicht mehr für Tibet verantwortlich ist, muss er nicht mit Politikern zusammenkommen. Er sieht seine Aufgabe darin, mit den Menschen zu reden, mit den Menschen in Kontakt zu treten, und deswegen auch jetzt seine Kontakte auch in Deutschland richtet sich an die Öffentlichkeit. Er trifft, wie Sie auch in der Anmoderation gesagt haben, er wird auch morgen sich mit Schülern und Studenten treffen.
Hatting: Tsewang Norbu – der gebürtige Tibeter ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Tibet-Initiative Deutschland. Mit ihm habe ich über den Deutschlandbesuch des Dalai Lama gesprochen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Norbu: Vielen Dank, Herr Hatting!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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