Thüringisch-hessische Bruderliebe

Von Ulrike Greim |
Thürhessingen – im Duden ist es nicht zu finden. Aber vielleicht taucht es im Rahmen der Diskussion von Länderfusionen wieder mal auf – im Zuge der zweiten Stufe der Föderalismusreform. Jedoch: eine Fusion von Thüringen und Hessen wird nicht ernsthaft diskutiert. Eher ein Mitteldeutschland, bestehend aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Vor 17 Jahren war es schon einmal im Gespräch. Im Moment jedoch scheint sie mehr zu trennen, als zu verbinden.
„Meine Damen und Herren – herzlich willkommen jetzt auch von meiner Seite im Biosphärenreservat Rhön.“

Karl-Friedrich Abé, der freundliche Reiseleiter, begrüßt eine Touristengruppe aus Österreich. Sie soll mal schauen, wie das so geht in einem länderübergreifenden Projekt, wie der Rhön.

„Es gibt weltweit nur 400 von der UNESCO anerkannter Modellregionen. Deswegen ist es für uns eine besondere Freude, dass die Rhön – und die Rhön zählt eben hier Thüringen, Bayern und Hessen – als ein Biosphärenreservat in Weltnetz aufgenommen sind.“

Ein Leuchtturm soll sie werden – die Grenzregion, das ehemalige Ende der Welt, das es zu Zeiten des Eisernen Vorhangs war. Viel Niemandsland auf Thüringer Seite, Zonenrand auf hessischer und bayerischer. Eine Qualitätsregion sei jetzt hier im Aufbau, in der Natur und Mensch einträchtig zusammen leben können. Und Touristen.

„Das ist natürlich nicht einfach.“

In seinem schlichten Büro – der Verwaltungsstelle Thüringen des Biosphärenreservates Rhön in Kaltensundheim – geht Karl-Friedrich Abé in die Details.

„Man hat hier einerseits zu tun mit einer Region, die bis zur Wende wenig, beziehungsweise gar nicht im Tourismus entwickelt war, so dass also viele, viele Aktivitäten, die in Hessen oder Bayern ganz anders gelaufen sind, hier überhaupt nicht vorhanden waren. Das heißt, wir haben einen sehr großen Nachholbedarf.“

Verwaltungs- und Denkstrukturen mussten und müssen aufgebaut werden, sagt der Thüringer Rhön-Repräsentant. Es dauert noch, bis zusammenwächst, was landschaftlich zusammen gehört.

„Man kann auch die letzten 40 Jahre in der Entwicklungen nicht einfach abstreifen. Da gibt es Mentalitätsunterschiede. Wir sind hier mehr evangelisch ausgerichtet im Thüringer Teil, während in Hessen und Bayern eher Katholische sind. Natürlich gibt es da andere Bräuche, andere Sitten und Verhaltensweisen – das ist ganz normal.“

Das Biosphärenreservat soll jetzt aus drei wieder eins machen. Eine Identität aufbauen, eine Dachmarke „Rhön“ etablieren, die Landkreise an einen Tisch holen, die Touristiker, die Wirtschaftsleute, die Landwirte, die Kulturmenschen.

Regina Filler ist als Regionalmanagerin mit der konkreten Umsetzung betraut. Sie nennt das Beispiel Wirtschaft. Die Thüringer Rhön hat hauptsächlich kleine Betriebe, Ein-Mann-Handwerkerfirmen, Zweig-Unternehmen mit Stammsitz in den alten Bundesländern. Die hessischen Betriebe sind größer und erfahrener, haben eine stabilere Kapitaldecke. Wie also bringt man allein die Wirtschaft unter einen Hut? Zumal, wenn die Beteiligten gar nicht recht wollen. Wie sich zeigt, zum Teil auch aus guten Gründen, sagt Regina Filler, und berichtet von den hessischen.

„Diese Firmen haben sicherlich das Problem, dass in der Thüringer Rhön mit unserem niedrigem Lohnniveau Angebote einfach unterboten werden, einfach Ausschreibungen unterboten werden. Das ist sicher auch nicht gut für das Klima in der Rhön, dass da auch die Konkurrenz ganz klar ist, dass die Thüringer Unternehmen die anderen halt ausstechen, weil sie immer noch mit dem niedrigen Lohnniveau billiger produzieren können.“

In der Rhön, wo die hessisch-thüringische Landesgrenze am höchsten ist, sind die Unterschiede der beiden Länder also mit Händen zu greifen. Zeitgleich bricht mit dem länderübergreifenden Biosphärenreservat – zaghaft aber immerhin – eine neue Ära an.

Ganz anders in den Niederungen der thüringisch-hessischen Grenze weiter im Norden. Hier fließt die Werra ruhig ihren Weg in Richtung Weser. Hier berühren sich Wartburgkreis und der Landkreis Hersfeld-Rothenburg, Fulda und Schmalkalden-Meiningen. Wir sind im Kali-Gebiet.
Das Salz ernährt und vergiftet die Region. Die Umwelt wird tausend Jahre an den Folgen tragen. Auch Menschen-Schicksale hängen am Salz. Mit der Wende wurden zum Beispiel die meisten Thüringer Kali-Betriebe stillgelegt.

„15.000 Arbeitsplätze sind da östlich der Werra weggefallen. Im Kali-Bereich. Das haben die als was ganz Schreckliches empfunden. Vieles kann ich nachvollziehen, die Wut, die da immer noch brennt. Nur: man soll es nicht anderen auslassen, die ihnen wohl gesonnen sind.“

Hans Ries ist Bürgermeister im hessischen Heringen. Ein unkonventioneller Grüner, der wegen des Kosovo-Krieges ausgetreten ist, und nun als Parteiloser arbeitet. Er war nach der Wende als Gewerkschaftssekretär in Thüringen, hat viele Firmenschließungen hautnah mitbekommen. Sein Mitgefühl mit den östlichen Nachbarn hat sich aber seit einigen Monaten deutlich abgekühlt. Spätestens, seit er als „Kapitalistenknecht“ beschimpft wurde.

„Ich hab wirklich versucht, freundlich zu ihnen zu sein, bin auch zu ihren Versammlungen gegangen, und bin aller Regel übelst beschimpft worden. Aber wirklich übelst – ‚Lügner’, ‚Betrüger’, ‚Verbrecher’ und ‚Jeden Schlag, den er kriegt, hat er verdient’. Und dann auch anonyme Schreiben. Also es war alles darunter, was man sich vorstellen kann.“

Was den Zorn der Thüringer Nachbarn so erregt, ist der geplante Bau einer Laugenleitung der Kali und Salz AG von Neuhof nahe Fulda nach Heringen, wo die Salzlauge dann in die Werra eingeleitet wird und nach Thüringen fließt. Schon immer hat die Kaliindustrie ihre Abwässer in die Werra verkippt. Die heute noch gültigen Grenzwerte stammen aus Kriegszeiten.
Kali und Salz will diese Grenzwerte vollends ausschöpfen – auch zukünftig. Und will zu der bisherigen Lauge eben noch die Neuhofer%e addieren.

„Die Werra ist schon eh und je verseucht gewesen. Und jetzt ist das Wasser einigermaßen wieder, und die Werra hat sich so wieder erholt, so dass Fische wieder drin sind. Jetzt will man dann wieder einen drauf geben.“

Jochen Hohmann, Bürgermeister in Dippach, dem Nachbarort von Heringen, kann sich aus dem Stand heraus aufregen über die Politik der Westkollegen, allen voran Hans Ries. In Thüringen gehört er einer großen Bürgerinitiative an, die zum Sturm bläst. Demos, juristische Winkelzüge, Schlammschlachten in den Leserbriefspalten. Das thüringisch-hessische Klima ist hier sogar doppelt belastet. Denn zu der versalzenen Werra kommt, dass in Heringen nun auch noch ein Müllheizkraftwerk gebaut werden soll. Bürgermeister Jochen Hohmann fürchtet, dann die Abgase atmen zu müssen.

„Wir sind nun mal Werratal. Da geht die Strömung drei Viertel vom Jahr Richtung Osten, da geht es rein aber nicht raus.“

Wer durch Dippach fährt, liest an der Straße Transparente, wie „Für die Zukunft unserer Kinder – Nein zum Müllofen“ oder „Gesundheit gegen Profit“.
Die Wellen schlagen so hoch, dass die versalzene Suppe mittlerweile bis in die Landtage schwappt und zu den Ministerpräsidenten. Salzlauge und Müllofen wurden erst in Thüringen heftig hoch gekocht, dann auch in Hessen und Niedersachsen.

„Das schließt natürlich auch damit ein, dass wir alle, die wir hier sitzen, gegen den Bau der Pipeline sind.“

Dagmar Becker zum Beispiel, die umweltpolitische Sprecherin der Thüringer SPD-Fraktion, hat sich mit ihren hessischen und niedersächsischen Kollegen zusammengeschlossen.

„Da gibt es vollkommenen Konsens, wir wollen diese Pipeline nicht. Das ist erstmal etwas, was uns zusammenschweißt, und was unsere nächsten Aktivitäten daraus ableiten lässt.“

So, wie auch die Grünen, demonstriert hier die SPD Geschlossenheit. Lothar Quanz, der Kollege aus dem Werra-Meißner-Kreis:

„Sie wissen, das wir als Anrainer an der Werra besonderes Interesse haben, dass sich Wasserqualität verbessert, und nicht stetig mit einem Grenzwert operiert wird, der ursprünglich sogar auf 1913 zurückzuführen ist. Wir wollen nicht zurückfallen in die europäische Wassergrenzrate, wir wollen auch nicht zurückfallen hinter das Gebot der Verbesserung für den Fluss, der durch viele FFH-Gebiete führt.“

Selten war Umweltschutz so populär.
Der Heringer Bürgermeister Ries fürchtet, dass die Diskussion geeignet ist, die Mauer in den Köpfen wieder ein paar Zentimeter höher zu bauen. Die Umweltpolitiker nutzen das Thema allerdings, länderübergreifend zu denken, und zusammen zu arbeiten.

Quanz: „Meine Forderung an die Landesregierungen, die unterschiedlich betroffen sind, ist die, dass die rechtlichen Möglichkeiten, die wir haben, auch ausgenutzt werden, dass wir perspektivisch – das möchte ich Enkeln wünschen – in der Werra wieder in Süßwasser baden können, und nichtdauerhaft in Salzwasser.“

Es gibt bereits Ansätze, die Werra-Region als weitere grenzüberschreitende Dachmarke zu etablieren. Sie sind allerdings noch lange nicht so weit gediehen, wie die Bemühungen um die Dachmarke Rhön, und vermutlich würde sie weit schwerer durchsetzbar sein.

Die Werraversalzung war eines der ersten Themen, die überhaupt auf der thüringisch-hessischen Agenda standen. Als sofort nach Grenzöffnung die hessische Landesregierung Kontakt mit Thüringen aufnahm, hatte das Gespräch mit den Räten des Bezirkes und der Kreise über die Werra Priorität. Daran erinnert sich Wolfgang Egerter, er war der persönliche Referent des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann. Aber es ging natürlich um viel mehr. Die Wende war für die Beziehung von Hessen und Thüringen – beziehungsweise der Bezirke Erfurt, Gera und Suhl – ein Vitaminschub sondergleichen.

Wolfgang Egerter wurde der Kontaktmann nach Osten. Denn für ihn, der als Vertriebener nach dem Krieg zuerst in der Nähe von Erfurt landete, und später in der neuen hessischen Heimat einmal im Jahr an die Grenze fuhr, um sich Mauer und Stacheldraht zu vergegenwärtigen, für ihn ging mit der Maueröffnung ein Wunsch in Erfüllung.

„Ich hab dann die Vorschläge gemacht, aber bei Wallmann in der Staatskanzlei waren Türen so weit offen, also ich musste nicht drängen, das war selbstverständlich. Und da hat Wallmann dieses Programm aufgelegt, Anfang Dezember 89 auf seinen Vorschlag hin, ein Hilfsprogramm für Thüringen von 250 Millionen.“

Eine der ersten Kontaktpersonen des hessischen Gesandten war Christine Lieberknecht, die CDU-Abgeordnete, die mit dem Weimarer Brief mutig eine Reform der Blockpartei der Ost-CDU eingeläutet hatte. Heute ist sie CDU-Fraktionschefin im Thüringer Landtag.

„Die Schnelligkeit und auch der Umfang der Hessen-Hilfe ist ohne Beispiel geblieben. Es war ein enormer Kraftakt, den die Hessen innerhalb kürzester Zeit auf die Beine gestellt haben. Er war sehr umfassend. Er hat im sozialmedizinischen Bereich Hilfe geleistet, er hat Sofortprogramme im Baubereich, Stichwort Denkmalpflege, möglich gemacht. Es gab sofort Beratungsleistungen im Blick auf die Wirtschaft.“

Wolfgang Egerter hat im Frühjahr 1990 in Erfurt das Hessen-Büro eröffnet. Er war dafür zuständig, die 250 Millionen D-Mark zu verteilen. Zeigleich bemühte er sich, die Zivilgesellschaft zu unterstützen, Kontakte zwischen hessischen Verbänden und Organisationen und Interessenten in Thüringen herzustellen. Allen voran der Landeszentrale für politische Bildung.

„Ich war überzeugt, dass die Wiedervereinigung nur funktioniert, wenn es eine breit angelegte politische Bildung gibt.“

Der weißhaarige Pensionär, der nahe Frankfurt wohnt, bekommt glänzende Augen, wenn er von Erfurt erzählt. Das sei die schönste Zeit seines beruflichen Lebens gewesen sagt er, der später Staatssekretär für Bundes- und Europa-Angelegenheiten in der Thüringer Landesregierung wurde, zuletzt Berater von Ministerpräsident Vogel.

Die hessische Aufbauhilfe ist sehr bald übergegangen in die geregelten Bahnen der west-ostdeutschen Transferzahlungen. Doch sie war ein Jahr lang ein Höhepunkt im thüringisch-hessischen Leben. Sie verdankt sich keiner Bruderliebe, weil es die so nicht gibt. Sondern dem Engagement Einzelner.

„Ich glaube schon, dass auch politische Dinge sehr stark davon abhängig sind von der ganz persönlichen Prägung von Menschen, die politische Entscheidungsträger sind. Solche Leute, wie Wallmann – der wurde zum Gesinnungstäter, zum gesamtdeutschen.“

17 Jahre später kann man es den Gesinnungstätern nachsehen, dass sie im Überschwang der Gefühle gleich einen Schritt zu weit gedacht haben. Christine Lieberknecht erinnert sich:

„Es gab dann etwas sehr stürmische Vorschläge. Es gab den Begriff des ‚Thürhessingen’. Das schlug auch auf Thüringer Seite über. Maßgebliche Repräsentanten wussten nicht ganz, welchen Sturm der Entrüstung man hervorrufen würde, weil: es war ein Land, das sich gerade finden wollte. Und das gleich wieder in einem anderen aufgehen zu lassen, stieß doch auf breite Ablehnung. Und das war auch richtig so. Es war richtig, ein eigenes Land Thüringen zu gründen.“

Der Freistaat Thüringen ist nun ein aufrechter Partner der Hessen geworden, wenngleich er als Nehmerland im Länderfinanzausgleich immer noch massiv finanziell abhängig ist u.a. vom Geberland Hessen. Dennoch: auf die Eigenständigkeit legen die Thüringer wert. Fusion mit Hessen? Nein, das ist abwegig, sagt die Thüringerin, der Föderalismus habe sich bewährt, Identität sei ein hohes Gut.

„Wir haben sehr darauf geachtet, uns nicht einseitig festzulegen, sondern mit allen Nachbarländern irgendeine Anstalt, irgendeine Kasse, irgendeine Kooperation einzugehen, so dass wir das Sparkassenwesen mit Hessen geordnet haben, Rundfunk in Mitteldeutschland mit Sachsen-Anhalt und Sachsen geordnet haben, dass wir lange Zeit die Brandschutzkasse mit Bayern gemacht haben, dass es selbstverständlich Verbindungen nach Niedersachsen gibt – weil wir unabhängig sein wollten, ohne Präjudizien zu schaffen.“

Dennoch: dass zwischen Hessen und Thüringen eine gemeinsame Sparkassenorganisation vereinbart wurde, ist einmalig. Die anderen vier neuen Bundesländer haben je einen eigenen Verband gegründet. Wenn nun der Sparkassenchef seine Jahresbilanz vorlegt, tut er dies morgens in Frankfurt und nachmittags in Erfurt, denn Bausparkasse, Landesbank und Versicherung überspannen beide Länder, beide ungleiche Partner. In der Bilanzsumme verhalten sie sich 80 zu 20, sagt der Geschäftsführer des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, Norbert Kleinheyer. Das aber sei intern kein Thema. Der hessische Teil partizipiere ja vom größeren Gesamtvolumen.

„Interessant ist, dass es in den ganzen Diskussionen eigentlich nie an der Grenze Hessen-Thüringen, oder Hesse-Thüringer, Disput gegeben hat. Es gibt schon mal Konflikte zwischen großen und kleinen Sparkassen oder auf der politischen Seite vielleicht zwischen Landkreisen und Städten, aber das hat sich nie an der hessisch-thüringischen Grenze festgemacht.“

Im Finanzgeschäft sei eine Normalität eingekehrt, wenngleich – das schränkt Norbert Kleinheyer ein, man erst von Normalität reden könne, wenn ein Thüringer wie selbstverständlich Vorstandschef in Hessen geworden ist.

„Anfangs hatte man sehr krasse Unterschiede. Hier ging es um einen anderer Grad an Arbeitslosigkeit, an Fortbildungsproblematik, an Migration und Demigration, wobei die Abwanderung von jungen Leuten, aber die Zuwanderung von Experten gegenläufige Entwicklungen haben. Aber insgesamt nähern sich Probleme an, auch Bilanzstrukturen.“

Auch wenn immer noch der durchschnittliche arme Hesse besser da steht, als der arme Thüringer, und der reiche Hesse hat sowieso deutlich mehr Geld, als der reiche ostdeutsche Nachbar.
Als Kultursponsor unterstütz die Sparkassenstiftung u.a. Projekte, die die gemeinsame Geschichte und Kultur der beiden Nachbarländer zeigen. Zum Beispiel die Thüringer Landesausstellung anlässlich des Gedenkjahres zur heiligen Elisabeth, die im Sommer auf der Wartburg eröffnet wird.
Elisabeth wird ja in Marburg verehrt, wie in Eisenach.
Sie ist eine moderne Heilige, sagt der Burghauptmann der Wartburg, Günther Schuchardt. Fromm und emanzipiert, reich und solidarisch, hingebungsvoll und asketisch. Sie ist die einzige Heilige, die ein ‚Thüringen‘ im Namen trägt. Wobei Thüringen hier Hessen mit meint.

„Es war ein Land, es war die Landgrafschaft Thüringen. Es gab in Marburg einen Vorgänger des Landgrafenschlosses. Dort haben in der Regel die Zweitgeborenen der Thüringer Landgrafen geherrscht, so dass in der Regel immer ein Herrmann oder Heinrich Raspe Herr über Hessen war.“

1247 sind die Thüringer Landgrafen ausgestorben, dann hat es einen fürchterlichen Krieg gegeben, der 17 Jahre angedauert hat. Ein Ergebnis dieses Krieges ist die heutige Grenze zwischen Hessen und Thüringen. Denn im Zuge des Erbfolgekrieges sind die hessischen Besitzungen an die älteste Tochter der heiligen Elisabeth gegangen, an Sophie von Brabant, die damit das Haus Hessen begründet hat – mit ihrem Kind Heinrich, und die thüringischen und die sächsischen Besitzungen sind an die Wettiner – an Heinrich den Erlauchten von Meißen – gelangt.

„Im Wald so versteckt steht ein grüner Turm, das ist auch ein Grenzturm: wir fahren jetzt also in diesen Schlauch, die letzte Südwestthüringer Ecke des Freistaates, rechts und links war vor 16 Jahren Grenze, Stacheldraht.“

Auf dem Weg über die Grenze nach Hessen mit Karl-Friedrich Abé, dem Thüringer Repräsentanten des Biosphärenreservates Rhön.

„Und jetzt sehen sie hier an dem Schild: willkommen im Landkreis Fulda, jetzt sind wir in Hessen.“

Die Grenze bleibt. Mindestens klimatisch. Während im Osten noch Schnee liegt, sind im Westen bereits die Wiesen zart grün, wenn in Thüringen noch der Nebel in den Tälern hängt, scheint in den breiten hessischen Tälern bereits die Sonne. Die Landschaft im Thüringer Zipfel ist kärglich, hier in Hessen sind die Böden viel reicher. Die Unterschiede sind augenfällig.

„Hier im Ulstertal haben wir Bodenwertzahlen gut an die 60 ran. Der beste Boden wird mit 100 Punkten belegt. Wenn man auf die Hochrhön geht, dort hat man 12, 15 Bodenpunkte.“

Die Nachbarschaft der zwei ungleichen Regionen hat gute Chancen, sich zu normalisieren, dank der UNESCO-Unterstützung und diverser Förderprogramme. Thürhessingen war eine „flitze Idee“, wie der Thüringer sagen würde. Aber Nachbarschaft – das kann klappen. Und wie gehabt, wird es an dem Engagement Einzelner liegen, wie sehr Hessen und Thüringen ihre Nähe nutzen und pflegen, oder die Werra hinab fließen lassen.