Thüringen

Darf ein Schlossherr enteignet werden?

Das Schloss Hummelshain im Saale-Holzland-Kreis, Thüringen
Das Schloss Hummelshain im Saale-Holzland-Kreis, Thüringen © dpa / picture alliance / Jan-Peter Kasper
Von Hilde Weeg · 05.08.2014
Was tun, wenn denkmalgeschützte Gebäude an private Investoren übertragen werden und verfallen? In der Thüringer Ortschaft Hummelshain wollen engagierte Bürger die Renovierung des örtlichen Jagdschlosses selbst in die Hand nehmen.
Ein stattliches Ensemble, das ehemalige Jagdschloss des sächsisch-altenburgischen Herzogs Ernst I., auch wenn der Zahn der Zeit sichtbar am Gebäude nagt. Die Leipziger Seniorengruppe, die an diesem Nachmittag das fast leere Schloss besichtigt hat, ist jedenfalls beeindruckt:
"Sehr interessant, vor allem die Holzdecken, ganz fantastisch!"
"Das soll auf jeden Fall erhalten werden…"
Ob sie wüssten, wem das Schloss heute gehört?
"Einer Schweizer Stiftung? Wer hat sie geführt? Der Herr hier mit dem Schlüssel, den Namen weiß ich nicht."
Dabei war der Herr mit dem Schlüssel der Schlossherr persönlich, der Unternehmer Lutz Rothe, promovierter Ingenieur für Funktechnik. Er bewohnt einzelne Räume, obwohl er kaum Strom- und Wasserrechnungen bezahlen kann. Höflich, aber vorsichtig stellt er sich unseren Fragen. Wer denn nun genau Eigentümer ist, zum Beispiel:
"Also das ist die Patpool AG: Verwaltungsratspräsident dieser Gesellschaft bin ich, die Patpool eine Holding, die zu dem Zwecke gegründet worden ist, verschiedene Tochtergesellschaften zu halten."
Viele Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten stehen an
Juristisch ist er also nur zuständig, faktisch aber Hausherr. Dahinter steckt eine komplizierte Geschichte.1998 hatte Rothe mit seiner damaligen Firma Alphasat Communication GmbH das Schloss mitsamt dem zwölf Hektar Parkgelände für eine Million D-Mark von der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringens, LEG, erworben. Da stand es schon leer, mehrere Investoren waren abgesprungen. Rothe wollte ein Verwaltungsgebäude mit Konferenzzentrum einrichten, sollte laut Vertrag weitere neun Millionen Mark investieren. Aber der Unternehmer ging pleite, hat nun Millionen Schulden und bis heute nicht den vollen Kaufpreis bezahlt. Dennoch gelang es ihm, das Schloss 2008 an eine Schweizer Firma, die heutige Patpool AG zu übertragen und so vor dem Zugriff von Gläubigern zu sichern. Viele Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten stehen an, aber stattdessen kommen nur Versprechen wie dieses:
"Ich habe den Ehrgeiz entwickelt, diese Immobilie in einen solchen Zustand zu versetzen, wie er bei Erbauung gewollt wurde. Es ist für dieses Jahr die Sanierung des Westflügels aufgenommen worden und dafür ist die Finanzierung auch sichergestellt."
Dabei ist es nicht Rothe, sondern Rainer Hohberg zu verdanken, dass nun Bewegung in die Sache kommt. Hohberg wohnt seit 20 Jahren in Hummelshain und ist Vorsitzender des Schloss-Fördervereins. Der Verein soll jetzt für die dringendsten Erhaltungsmaßnahmen vom Land Geld bekommen - und nicht der Eigentümer. Denn droht wegen Insolvenzverschleppung eine Haft, obendrein läuft ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Rainer Hohberg:
"Zurzeit wird der Vertrag erarbeitet, in dem Herr Dr. Rothe uns diese Aufgabe überträgt, die Maßnahmen durchzuführen. Der ist recht kompliziert, dieser Vertrag. Im Lauf des Herbstes sollte das alles unter Dach und Fach kommen, sodass nächstes Jahr die erste große Sicherungsmaßnahme durchgeführt werden könnte."
Für die schwierige Situation sei aber vor allem die Politik verantwortlich:
"Die LEG und das Land Thüringen haben es versäumt, das damals Mögliche zu tun – nämlich schlicht den Vertrag rückabzuwickeln. Weil A der Kaufpreis nicht bezahlt war, B die Investitionen nicht erfolgt sind und der Käufer insolvent war – das ist eigentlich das Kernproblem."
Mehr Beratung und mehr Eignungsprüfung
Falsche politische Vorgaben, Zeit- und Kostendruck und fehlende Sachkenntnis, das seien einige der Ursachen, warum die Übergabe von denkmalgeschützten Immobilien an private Investoren häufiger schieflaufe, meint Ulrich Schubert. Der Professor für Virologie ist Vorsitzender des Thüringer Denkmalverbundes, eines privatwirtschaftlichen Lobbyvereins, der Denkmalschutz und Wirtschaft zum Nutzen beider befördern will. Seine Empfehlung: Mehr Beratung und mehr Eignungsprüfung.
"Man sollte zukünftig im Vorfeld darauf achten, dass solche Probleme eben nicht eintreten."
Solche Probleme – damit meint Schubert auch ein noch schlimmeres Beispiel: Schloss Reinhardsbrunn, wo einst die Grablege der Thüringer Landgrafen war. Dieses Objekt hatte das Land an Kriminelle verkauft, die nie die Absicht hatten, es zu erhalten. Die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt wegen Untreue und Betrug. Nun prüft das Land erstmals, ob es die jetzigen Eigentümer enteignen kann. Das müsse Notbremse bleiben, so Schubert:
"Enteignung ist Wegnahme – und das kann natürlich auch solide Käufer abschrecken, solche Immobilien zukünftig zu erwerben. Wir sind aber auf die privatwirtschaftliche Initiative angewiesen, wenn wir die Denkmäler erhalten wollen, das kann nicht allein die Aufgabe des Freistaates sein."
Für das Prachtstück Hummelshain werden weiterhin geeignete Käufer gesucht – nun mit vereinten Kräften von Förderverein, Land und Eigentümer.
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