Thronwechsel

"Er war immer dem Volk sehr nahe"

Spaniens König Juan Carlos kündigt im Fernsehen seine Abdankung an.
Spaniens König Juan Carlos kündigte im Fernsehen seine Abdankung an. © dpa / picture alliance / Juan Carlos Cardenas
Fernando Vallespín im Gespräch mit André Hatting · 18.06.2014
Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Fernando Vallespín bleibt Spaniens König Juan Carlos, der heute das Gesetz für seine Abdankung unterzeichnet, als Verteidiger der Demokratie in Erinnerung. Sein Nachfolger Felipe sei "vielleicht intellektueller".
André Hatting: Am 2. Juni hat der spanische König Juan Carlos seine Abdankung verkündet. Heute wird das Ganze offiziell, der 76-Jährige will das entsprechende Gesetz unterschreiben, das diese Abdankung dann auch rechtlich gültig macht. Morgen soll dann sein Sohn Filipe zum neuen König proklamiert werden.
Eine Zeitenwende und für uns Anlass, nach der Bedeutung des Bourbonen-Königshauses für die Spanier zu fragen - mal abgesehen davon, dass jetzt neue Euromünzen und Briefmarken gedruckt werden müssen. Fernando Vallespín ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Madrid. Guten Morgen, Herr Vallespín!
Fernando Vallespín: Guten Morgen!
Hatting: Was meinen Sie, wie wird Juan Carlos in die spanische Geschichte eingehen? Als König der Affären oder Verteidiger der Demokratie?
Vallespín: Ich glaube, sehr klar als Verteidiger der Demokratie. Er hat ja die Demokratie in Spanien herbeigeführt, und er hat sie auch immer gefördert. Aber so wie in den letzten Jahren ist es nicht so gut gelaufen, aber ich glaube, das hat mehr mit diesen Korruptionsvorwürfen gegen seinen Schwiegersohn zu tun und dieser Elefantenjagdaffäre.
Also, dafür musste er sich auch öffentlich entschuldigen. Und ja, am Ende war er auch sehr, hat er immer schwere Verletzungen gehabt. Diese Verletzungen hinderten ihn irgendwie an seiner Rolle als Staatsoberhaupt, und da ist er nicht sehr aktiv gewesen, eigentlich. Aber in jedem Fall, ich glaube also, was er als Erbe Francos, und das darf man nicht vergessen, am Anfang hat er überhaupt keine Legitimität gehabt, aber er war sehr aktiv 1981, um den Militärputsch zum Scheitern zu bringen. Und in dieser Hinsicht, zusammen mit dem Ministerpräsidenten Suárez war er es eigentlich, der die Demokratie in Spanien herbeigeführt hat, und das vergessen die Leute auch nicht.
Hatting: Sie haben es gerade schon angesprochen: Als der damals 37-jährige Juan Carlos den Thron bestieg, da hatten die Spanier eigentlich keine so große Erwartung an ihn, weil sie ihn nämlich als Ziehsohn Francos wahrgenommen haben. Dann hat er sie aber doch überrascht. Was erwarten die Spanier eigentlich von ihrem neuen König, von Filipe VI.?
Vallespín: Felipe ist eigentlich vom Charakter her sehr anders. Juan Carlos ist ja auch schon sympathisch, könnte man sagen, also er ist sehr – deswegen wurde er auch sehr populär. Er war immer dem Volk sehr nahe.
Und Felipe ist vielleicht intellektueller, und ich glaube, er hat eine größere Bildung als sein Vater, er spricht auch viel besser Sprachen und hat auch in den Vereinigten Staaten studiert, natürlich auch in Spanien. Und in dieser Hinsicht ist er, man könnte sagen, ein König des 21. Jahrhunderts – also, wenn das kein Paradox ist, dass es im 21. Jahrhundert so eine Monarchie gibt, aber in jedem Fall. Also es ist ...
Hatting: Auch ein König der Bevölkerung? Anfang des Jahres war die Unterstützung so gering wie nie in der Geschichte. Wird sich das mit ihm, mit Felipe VI. vielleicht ändern?
"Es ist eine rein symbolische oder repräsentative Macht"
Vallespín: Ja, das wird sich ändern. In der spanischen Verfassung hat sowieso der König oder die Königin, im Falle, dass es eine Königin geben würde, überhaupt keine politische Macht. Es ist eine rein symbolische oder repräsentative Macht, als Staatsoberhaupt sozusagen.
Und das hängt noch viel davon ab, wie sich die Sachen in Spanien in der Politik ändern werden, denn wir sind jetzt nach der Krise eigentlich in einem neuen Moment, und man merkt, dass etwas gewechselt werden muss in der spanischen Verfassung, hauptsächlich durch die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens, aber auch das Parteiensystem und im Allgemeinen die Beziehungen zwischen Politik und Gesellschaft, die müssen sich irgendwo ändern. Und wenn das der Prinz irgendwie so symbolisch leiten kann oder moderieren kann, dann könnte wahrscheinlich viel mehr Legitimität, als er jetzt im Moment hat - also jetzt hat er nur die rein verfassungsrechtliche Legitimität, könnte man sagen.
Hatting: Sie haben das gerade schon angesprochen, die Unabhängigkeitsbestrebungen einiger Regionen in Spanien. In Belgien zum Beispiel ist es ja so, dass das Königshaus eine sehr starke Funktion hat, eine sehr starke Rolle spielt für den Zusammenhalt des Landes. Hat das Königshaus in Spanien eine ähnliche Funktion, oder hat sie die nicht mehr?
Vallespín: Ja, die hat sie nicht mehr, würde ich sagen. Zum Beispiel Katalonien ist hauptsächlich republikanisch, wie wir hier in Spanien sagen, und das Baskenland eigentlich auch. Aber in jedem Fall, wenn es zu einem Abkommen kommen würde, dann würde das Königshaus natürlich viel helfen, denn symbolisch könnte man dadurch im spanischen Staat bleiben können.
So ein bisschen so wie im belgischen Falle. Jetzt ist es nicht so, aber es könnte dazu kommen. Das hängt viel davon ab, wie jetzt in den nächsten Jahren alles läuft. Ich glaube, meiner Ansicht nach muss Spanien zu einer Verfassungsänderung kommen.
Der spanische Kronprinz Felipe und seine Frau Letizia am 10.06. während eines Empfangs. 
Kronprinz Felipe wird am 19. Juni das Amt seines Vater Juan Carlos übernehmen. Seine Frau Letizia wird dann Königin. © dpa / Emilio Naranjo
Hatting: Wie muss die aussehen, die Verfassungsänderung?
Vallespín: Eine Verfassungsänderung, ja, also eigentlich, um das Ganze territoriale System - wir haben diese Autonomien, das sind unsere Länder. Also wir haben praktisch so einen Bund, so wie in Deutschland, eine Bundesmonarchie in unserem Fall.
"Die Regionen haben verschiedene Funktionen und Kompetenzen"
Aber die Regionen haben verschiedene Funktionen und Kompetenzen. Und natürlich gibt es, haben wir sehr viel mehr Selbstregierung im Baskenland und auch in Katalonien, aber das würde sich auch ändern so in Richtung - zum Beispiel das Baskenland hat viel mehr Autonomie als Katalonien, und vielleicht könnte man so zu einem Abkommen kommen, dass Katalonien irgendwie so den Status wie das Baskenland bekommt, das ist, im finanziellen Bereich.
Hatting: Herr Vallespín, nach einer Umfrage der Tageszeitung "El País" wollen rund zwei Drittel der Spanier über den Fortbestand der Monarchie abstimmen. Und gleichzeitig wollen aber angeblich die meisten am Königtum festhalten. Wie passt denn das zusammen?
Vallespín: Das ist etwas Typisches von den Umfragen. Wenn man die Leute fragt, wollen Sie über etwas direkt etwas zu sagen haben, sagt die Mehrheit immer, ja, natürlich. Aber in jedem Fall glaube ich nicht, dass es außerhalb der Linken, also der extremen Linken, also die ehemalige Kommunistische Partei und so und die nationalistischen Parteien, also die sind sehr klar dafür.
Aber nicht die zwei größten Parteien. Also, man muss bedenken, dass in Spanien ungefähr 80 Prozent der Stimmen an die zwei größten Parteien gehen.
Hatting: Und die sind da mehrheitlich für den Erhalt des Königshaus. Fernando Vallespín war das, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Madrid. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch, Herr Vallespín!
Vallespín: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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