Thomas Häusler/Christian Kühn: „Bakterio-Phagen. Wenn Antibiotika nicht mehr helfen"

Viren als Heilmittel

07:22 Minuten
Thomas Häusler/Christian Kühn: „Bakterio-Phagen. Wenn Antibiotika nicht mehr helfen". Das Cover ist schlicht und grün.
© Südwest

Thomas Häusler, Christian Kühn

Bakterio-Phagen. Wenn Antibiotika nicht mehr helfen Südwest-Verlag, München 2022

288 Seiten

20,00 Euro

Von Michael Lange · 04.01.2023
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Immer häufiger entwickeln Bakterien Resistenzen gegen vorhandene Antibiotika. Bakterio-Phagen könnten helfen: Das sind Viren, die Bakterien von Natur aus bekämpfen. Ein neues Buch lotet Möglichkeiten und Grenzen der neuen Therapie aus.
Wenn Wunden nicht heilen wollen oder ein zäher Schleim die Lunge verstopft, dann gelten Antibiotika als Standardbehandlung, um gefährliche Bakterien zu bekämpfen. Erst wenn diese Behandlung versagt, weil die Bakterien zum Beispiel resistent geworden sind, greifen Spezialisten auf Phagen zurück.
Das sind Viren, die Bakterien befallen und vernichten können. Sie helfen bei der Wundheilung, nach Transplantationen, bei hartnäckigen Biofilmen auf Prothesen, bei Lungen- und Niereninfektionen oder auch bei Darmerkrankungen. In dem neuen Buch „Bakterio-Phagen. Wenn Antibiotika nicht mehr helfen" beschreiben der Wissenschaftsjournalist Thomas Häusler und der Herzchirurg Christian Kühn mehrfach spektakuläre Einzelfälle, bei denen Phagen das Leben schwerkranker Menschen retten konnten.

Zu wenig klinische Studien

Doch gleichzeitig warnen die beiden Autoren: Obwohl viele Fallbeispiele die Wirksamkeit der Phagen demonstrieren, fehlt immer noch gesichertes Wissen. Auch hundert Jahre nach den ersten Versuchen am Menschen gibt es kaum klinische Studien, die die Wirksamkeit der Phagen bei bestimmten Krankheiten belegen. Kleinere Studien brachten oft nicht die erhofften Erfolge.
Am besten funktionierten die Phagen, wenn sie gemeinsam mit Antibiotika eingesetzt wurden. Außerdem werden in spezialisierten Kliniken heilende Phagen gezielt für bestimmte Patienten hergestellt. Immer wieder müssen sie an die Entwicklung infektiöser Bakterien angepasst werden. Das alles passt nicht zu den Regeln für die Zulassung von Medikamenten. Die Regularien sind nicht gemacht für die individuelle Phagentherapie. In diesem Durcheinander und bei vielen offenen Fragen bieten Häusler und Kühn Orientierung.

Überblick über ein komplexes Thema

Das Buch überzeugt durch eine klare Gliederung. Jedes Kapitel beginnt mit großen Fragen und endet mit kurzen Zusammenfassungen. Häusler und Kühn bieten eine Einführung in die Welt der Phagen, geeignet für betroffene Patientinnen und Patienten oder auch für Hausärzte, denen diese Art der Therapie noch fremd ist. Das Buch lässt sich von vorn nach hinten lesen. Man kann aber auch Kapitel, die zu sehr ins Detail gehen, oder einzelne Beispiele überspringen.
„Bakterio-Phagen“ ist kein klassischer Ratgeber, aber eine ebenso hilfreiche wie seriöse Informationsquelle. Während in den Medien oft übertriebene Hoffnungen geschürt werden, formulieren Häusler und Kühn ihr Wissen zurückhaltend.
Sie benennen klar die Möglichkeiten der Bakterio-Phagen, aber auch die Schwierigkeiten bei der Therapie. Immer wieder stellen sie klar: Erst weitere Forschung kann der Außenseitermethode zum Durchbruch verhelfen. Noch können Bakterio-Phagen Antibiotika nicht ersetzen.
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