Thönnes: Rente mit 67 ist keine Rentenkürzung

Moderation: Jörg Degenhardt |
Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesarbeitministeriums, Franz Thönnes, hat Vorwürfe der Gewerkschaften und aus der Opposition zurückgewiesen, die Rente mit 67 sei effektiv eine Rentenkürzung. Der Vorwurf gehe davon aus, dass die heutige Arbeitsmarktsituation auch in Zukunft anhalte, sagte der SPD-Politiker.
Jörg Degenhardt: Ist der Regierung in Berlin das Gespür für das wahre Leben in den Betrieben abhanden gekommen? Haben die Koalitionäre in der Hauptstadt den Bezug zur realen Arbeitswelt verloren? Das behauptet jedenfalls die IG Metall. Sie will gegen die Rentenpläne der Regierung mobil machen. Das schwarz-rote Kabinett hat gestern die umstrittene Rente mit 67 auf den Weg gebracht. Der entsprechende Gesetzentwurf sieht eine schrittweise Anhebung des gesetzlichen Rentenalters von 65 auf 67 zwischen den Jahren 2012 und 2029 vor. Franz Thönnes ist mein Gesprächspartner. Der SPD-Politiker ist Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und hat diesen Rentenfahrplan maßgeblich mitgeschrieben. Guten Morgen, Herr Thönnes.

Franz Thönnes: Schönen Guten Morgen, Herr Degenhardt.

Degenhardt: Die Gewerkschaften schimpfen ganz besonders auf das, was sie vorhaben. DGB-Chef Sommers, aber nicht nur er, bezeichnet die Rente mit 67 als faktische Rentenkürzung. Hat er, haben all die anderen Kritiker nicht Recht?

Thönnes: Nein, das kann nur von denen gesagt werden, die die heutige Arbeitsmarktsituation, die uns nicht zufrieden stellt, weiter in die nächsten Jahre voran schreiben. Das will im Kern keiner. Alle arbeiten daran, dass wir künftig wieder mehr Menschen in Arbeit bekommen und dass sich die Arbeitsmarktsituation verbessert und wir sind da ja auf einem ganz guten Wege, wenn ich sehe, dass wir jetzt im Vergleich zum Oktober des letzten Jahres schon 285.000 Menschen mehr in Beschäftigung haben, 471.000 Arbeitslose weniger. Also wir arbeiten kräftig daran, dass mehr Arbeitsplätze entstehen. Und die Situation muss insbesondere auch für die über 50-Jährigen in der Zukunft besser werden.

Degenhardt: Wie wollen Sie denn da die Arbeitgeber und die sorgen ja für Arbeitsplätze, in die Pflicht nehmen?

Thönnes: Na sehen Sie, zum einen haben wir ein Programm für Innovation, Wachstum und Beschäftigung aufgelegt mit 25 Milliarden Euro, das jetzt auch seine Wirkung zeigt. Und wenn ich ganz alleine mal sehe, wie sich die Zahl der Menschen entwickelt hat, die jetzt in diesem Jahr arbeitslos gewesen sind, über 50 Jahre alt waren, da sind alleine 357.000 Menschen wieder in Beschäftigung gekommen, das heißt, das sollte uns Mut machen, wir sehen auch mit unserer Initiative 50 Plus, dass zunehmend Unternehmen erkennen, dass da durch die Demografie auch einfach Arbeitermangel entstehen wird. Also wir werden ja eine Situation haben bis 2030, wo die Zahl der 20- bis 65-Jährigen ungefähr in der Größenordnung von fünf Millionen abnehmen wird, und wer da wettbewerbsfähig bleiben will, der muss die Erfahrung, das Kompetenzwissen, das Prozesswissen der älteren Arbeitnehmer wieder nutzen.

Degenhardt: Aber Herr Thönnes, reden Sie sich da die Situation nicht ein wenig schön, denn dieser viel beschworene Mentalitätswechsel, der ist doch bei den Arbeitgebern noch gar nicht so auszumachen.

Thönnes: Wir arbeiten ja auch daran, das heißt die Arbeitgeber sind teilweise in Initiativen bei uns miteingebunden. Gerade erst gestern hat bei uns im Haus eine Veranstaltung zur Initiative 50 Plus stattgefunden, bei denen auch Unternehmen mitwirken und auch sagen, dass sie bei ihrer Personalauswahl jetzt zunehmend auch darauf wieder achten, ältere Arbeitnehmer aus den von mir genannten Gründen einzustellen.

Degenhardt: Aber so ganz wohl, Herr Thönnes scheint Ihnen ja bei der Rente mit 67 auch nicht zu sein. Oder wie erklären Sie sich denn die vielen Ausnahmeregelungen, die letztendlich dazu führen werden, dass von den beschäftigten des Jahrganges 1964 nur 40 Prozent mit 67 in Rente gehen und die große Mehrheit dann eben früher?

Thönnes: Das ist ja auch ungefähr die Größenordnung, die wir heute haben, die wir auch mal so angesetzt haben für die Zukunft. Wir haben nicht sehr viele Ausnahmeregelungen. Im Kern eigentlich nur zwei, nämlich einmal die Möglichkeit, dass diejenigen, die 45 Jahre gearbeitet haben, mit Zeiten aus Beschäftigung, Selbstständigkeit, Pflege, Zeiten der Kindererziehung, die alle mit eingerechnet werden, dass die auch künftig mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können dürfen und wir haben im Kern geregelt, dass diejenigen, die 35 Jahre haben, beziehungsweise 40 Jahre haben, praktisch zu den gleichen Konditionen, wenn sie erwerbsgemindert sind, in Rente gehen können, wie das heute der Fall war, also praktisch zu den gleichen Abschlagskonditionen. Das sind im Kern die beiden einzigen Ausnahmen.

Degenhardt: Was ist eigentlich mit den Altersgrenzen für Lehrer oder für Polizisten? Wollen Sie da auch ran?

Thönnes: Das, was wir jetzt in der Rentenreform, für die gesetzliche Rentenversicherung regeln, dies wird auch wirkungsgleich auf den Bereich der Beamten übertragen, das hat der Bund in den vergangenen Jahren auch gemacht.

Degenhardt: Etwas komplizierter, auf den ersten Blick zumindest, scheint die Stichtagsregelung, da gibt es Streit. Sie wollen diese Stichtagsregelung, es geht um die Verlängerung der Alterseteilzeit ja jetzt ins Gesetz nehmen mit dem 31. Dezember. Es war mal der 29. November im Gespräch, das hätte erhebliche Zusatzbelastungen gespart, die nun anfallen, wenn auch Altersteilzeitverträge abgeschlossen werden können. Warum diese Festlegung auf den 31.?

Thönnes: Das ist ein Diskussionsprozess gewesen, der sich innerhalb der Fraktionen gestern und vorgestern abgespielt hat. Sie wissen, die Jahrgänge bis 1954 können noch von der Altersteilzeitmöglichkeit Gebrauch machen, und damit die Menschen sich darauf einstellen können, ist jetzt im Kern die Vertrauensschutzregelung hier noch mal ein Stück weit ausgedehnt worden auf den 31.12 dieses Jahres.

Degenhardt: Und die Union ist mit dabei? Hat sich also auch vom 29. November verabschiedet?

Thönnes: Das ist eine gemeinsame Entscheidung. Wie ich auch sagen will, es ist eine gemeinsame Entscheidung mit dem Gesamtpaket, das die Veränderung des gesetzlichen Renteneintrittsalters im Kern auch eine Reaktion ist auf die demografische Entwicklung, auf die finanzielle Situation der Rentenversicherung regiert und eben auch mit dazu beitragen will, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit wahren, dadurch, dass wir die Älteren länger im Betrieb halten, das muss keine Vision sein, mit dem Programm 50 Plus und mit den Förderinstrumenten, die dabei sind, denke ich werden wir die Quote schrittweise erhöhen können. Wir liegen heute bei 42,1 Prozent der über 55-Jährigen. Andere Nationen wie Großbritannien, wie Kanada, wie Norwegen, wie Schweden und wie Finnland zeigen uns, dass man durchaus Beschäftigungsquoten zwischen 60 bis 70 Prozent erreichen kann.

Degenhardt: Das war Franz Thönnes, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Vielen Dank für das Gespräch.