Thoben: Staat hilft nur unter Auflagen

Christa Thoben im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben erwartet, dass Opel Europe innerhalb der nächsten 14 Tage ein Sanierungs-Konzept vorlegt. Davon hänge die Entscheidung über Staatshilfen für Opel ab, sagte die CDU-Politikerin.
Gabi Wuttke: Was wird aus Opel? General Motors will weltweit 47.000 Arbeitsplätze streichen, um sich schlank zu sparen, weitere staatliche Hilfe zu sichern und damit zu überleben. Für Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sind deshalb in Deutschland direkt und mittelbar 50.000 Jobs in Gefahr.

Bis Ende März soll eine Entscheidung über die Werke außerhalb der USA getroffen werden. Welche Zukunft also haben die Werke in Deutschland, welche das in Bochum? Darüber zerbricht sich auch Christa Thoben den Kopf, die christdemokratische Wirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Frau Thoben!

Christa Thoben: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Erst Ende März will GM konkrete Entscheidungen über Werksschließungen in Europa treffen. Jürgen Rüttgers, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, ist in Detroit und wird nach einem Gespräch mit GM-Chef Wagoner mit den Worten zitiert, ihm sei ein Stein vom Herzen gefallen. Sehen Sie dazu Anlass?

Thoben: Ja, es gab ja vor drei Tagen die Gerüchte, dass Detroit bereits Entscheidungen über die Schließung von Standorten in Europa getroffen habe, insofern ist es gut. Wir hatten diese Botschaft eigentlich auch immer nur als Gerücht. In unseren internen Gesprächen war es immer so, dass Opel Europa überzeugt war, dass man ein eigenes Konzept entwickeln konnte, auch zur Standortsicherung in Deutschland.

Wuttke: Also das heißt, zur Entwarnung besteht weiter absolut kein Anlass?

Thoben: Nein, es müssen Dinge vorbereitet werden, die wir auch bisher noch schmerzlich vermissen. Opel Europa hat dieses eigene Konzept, das sie sich zutrauen, noch nicht auf den Tisch gelegt. Wir erwarten – wir heißt, die Sitzländer und der Bund –, dass das innerhalb der nächsten 14 Tage passiert.

Wuttke: Aber was hat Deutschland, was hat Nordrhein-Westfalen tatsächlich zu erwarten? Man denke an das Ende von Nokia in Bochum, das hat doch schon gezeigt, wie sehr der Politik die Hände gebunden sind.

Thoben: Ja, das ist aber in diesem Fall nicht vergleichbar. GM hat ja nicht die Schließung europäischer Werke beschlossen, sondern Kosteneinsparungen und Konzentration.

Wuttke: Es geht um Konditionen.

Thoben: Ja, aber es geht zum Beispiel auch darum, und das ist eine Stärke der Standorte gerade in Deutschland, dass hier sehr viele technische Entwicklungen für Detroit gemacht worden sind. Und deren Überleben und deren Bedeutung für die Fortentwicklung von Opel in Europa darf man nicht unterschätzen.

Wuttke: General Motors muss vor allem beim amerikanischen Geldgeber punkten, das zuallererst, deshalb wird es dem Unternehmen vorrangig um die Arbeitsplätze in den USA gehen. Sie sagen jetzt, es muss was vorgelegt werden, um auch zu schauen, wie es in Deutschland mit den Opel-Werken im besten Falle weitergehen kann, aber doch sicher nur unter Einsparung von Arbeitsplätzen. Davon müssen wir doch jetzt schon mal ausgehen?

Thoben: Es wird sicherlich zu Anpassungen kommen, das sieht auch sowohl der Betriebsratsvorsitzende Einenkel von Bochum so wie Herr Franz, der die gesamten deutschen Arbeitnehmer bei Opel vertritt.

Wuttke: Anpassung ist ein freundliches Wort.

Thoben: Ich kann nichts dafür, dass ein Unternehmen in solche Schwierigkeiten gerät, dass man gemeinsam mit den Arbeitnehmern überlegen muss, unter welchen Konditionen ist was zu retten. Ich glaube, da sollte man auch nicht dran vorbeireden.

Wuttke: Die ganze Geschichte kann furchtbar teuer werden. Wie, von wem soll das bezahlt werden?

Thoben: Wenn der Staat überhaupt hilft, das hängt ja von den Einschätzungen ab, die Opel uns vorlegt, dann sind daran natürlich die Auflagen gebunden, dass Standorte erhalten bleiben und das Geld vor allen Dingen nicht in die USA abfließt. Da sind noch eine Reihe sehr komplizierter Fragen zu beantworten.

Wuttke: In der Großen Koalition wird ja gezickt. Die eine Seite, Peer Steinbrück heute, sagt, im Prinzip schließt er nichts aus. Der neue Bundeswirtschaftsminister sagt, ein ganz schlechtes Signal, über allem steht der Staat und zu viel Protektionismus. Was sagen Sie?

Thoben: Protektionismus spielt hierbei überhaupt keine Rolle. Die europäischen Opel-Werke verkaufen in viele Länder und konzentrieren sich keineswegs auf einen Markt. Das soll auch so bleiben, weil das, wenn man ein wettbewerbsfähiges Zukunftskonzept entwickelt, die einzige Chance ist. Wir führen heute manchmal an manchen Stellen so Debatten wie im Lehrbuch, darum geht es nicht. Es geht um die Wirklichkeit, und deshalb freue ich mich, dass der neue Bundeswirtschaftsminister sehr zeitnah die Länder, wenn dieses Konzept vorliegt und GM zu einem Gespräch einladen wird, auch die Option offen bleibt, wenn es sich intelligent aufstellt, dass man zusätzliche private Investoren finden könnte, die sagen, mit denen zusammen haben wir eine Wertschöpfungskette, die ist überlebensfähig.

Wuttke: Richtet sich Nordrhein-Westfalen jetzt zuallererst mal auf den Bund? Ihr Kollege aus Thüringen ist über den Alleingang von Jürgen Rüttgers ziemlich sauer. Er meint, gemeinsam seien die Länder stärker, um das Problem Opel zu lösen. Warum das …

Thoben: Wir haben ja gar keine, ja.

Wuttke: Bitte?

Thoben: Wir haben gar keinen einsamen Gänge gemacht. Wir haben in der vorigen Woche mit allen beteiligten Ländern in Berlin zusammengesessen. Dass Herr Rüttgers, wenn er eine Amerikareise plant, diese Gelegenheit nutzt, um auch in Detroit zu sein, die halte ich nun für seine Pflicht.

Wuttke: Das sieht der Wirtschaftsminister von Thüringen sehr, sehr anders.

Thoben: Ja, das verstehe ich nicht. Er war vorige Woche dabei, er wusste auch, dass die Reise stattfindet.

Wuttke: Das heißt, es gibt jetzt schon ganz offensichtlich Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Ländern bei einem großen Problem, das für Deutschland gelöst werden muss, wenn es stimmt, dass da 50.000 Arbeitsplätze insgesamt in Deutschland dran hängen?

Thoben: Ja, natürlich guckt jeder auch noch besonders in sein Land. Aber gerade, um ein gemeinsames Vorgehen am Ende auch mit dem Bund zu verabreden, haben wir vorige Woche zusammengesessen. Da hat dieses Thema, so wie es sich jetzt bei Ihnen anhört, keine Rolle gespielt.

Wuttke: Der Kampf um Opel, nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Dazu Christa Thoben, die Wirtschaftsministerin des Landes. Frau Thoben, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen einen schönen Tag!

Thoben: Danke auch, Frau Wuttke, danke Ihnen auch!