Theweleit: Tornado-Einsatz in Afghanistan ist verbrecherischer Akt
Der Schriftsteller und Soziologe Klaus Theweleit hat den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan mit scharfen Worten kritisiert. Theweleit sagte im Deutschlandradio Kultur, die geplante Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen sei "ein weiterer verbrecherischer Akt". Militäreinsätze seien nur gerechtfertigt, wenn eine sichtbare befriedende Politik damit einherginge. Das sei in Afghanistan jedoch nicht geschehen.
Lesen Sie hier Auszüge aus dem Interview mit Klaus Theweleit anlässlich seines heutigen 65. Geburtstages:
(…)
König: Sind Sie politisch noch daheim in der Linken? Sind Sie noch ein Linker?
Theweleit: Ein Linker, wenn man aus diesen 60er, 70er Jahren kommt, bleibt man ja meistens, wenn man nicht einen rapiden Bruch damit macht. Diesen Bruch hab ich gemacht mit den terroristischen Gruppen, mit den K-Gruppen, die für mich auch terroristisch waren, aber ein bestimmtes linkes Denken auf Emanzipation der Lebensweisen, Verhältnis der Geschlechter, Abschaffung von Herrschaft, also möglichst weite Verminderung von Herrschaft, das ist ein Grundgedanke nach wie vor - insofern bin ich ein Linker nach wie vor. Aber diese Linke gibt es eigentlich nicht.
König: Wäre die nächste Frage gewesen. Gibt es überhaupt eine politische Linke?
Theweleit: Hab ich schon seit dem Ende der 70er gesagt, dass es sie eigentlich nicht mehr gibt. Und was sich dann als Parteilinke aufgebaut hat, zuerst die Grünen, die das dann gründlich diskreditiert haben, wenn ein ehemals Linker, aus der Linken kommend, als Außenminister einstimmt in Aktionen wie die Bombardierung Belgrads, dann sind die für mich gestorben auf der Ebene. Überhaupt die Entfesselung der Bundeswehr ist ja durch die Grünen passiert, das hätte keine andere Partei geschafft gegen den Widerstand der Bevölkerung, der Alternativen. Das sind für mich geradezu verbrecherische Verratsaktionen an dem, was mal linke Politik war. Die existieren für mich als solche auf der Ebene des Denkens oder der Wahrnehmung nicht mehr, die sind durchgestrichen.
König: Sie haben nach dem 11. September den westlichen Ländern in einem Essay den westlichen Ländern eine doppelte Strategie vorgeworfen: Nach innen das Prinzip von Rechtsstaatlichkeit, Humanität und Demokratie, nach außen die Gesetze des Dschungels mit Gewalt, Täuschung und Intrige. Heute hat das Kabinett den Einsatz von Bundeswehr-Tornados beschlossen. Dient das der Schaffung von Humanität in Afghanistan oder folgt das dem Gesetz des Dschungels?
Theweleit: Das ist das Gesetz des Dschungels, ein weiterer verbrecherischer Akt infolge des doch existierenden Zwangs der Amerikaner, dem sich auf Dauer die Regierungen nicht entziehen können. (…) Regierungen hier sind nicht so frei. Die US-Regierung ist wahrscheinlich selber nicht frei genug vom industriell-militärischen Komplex in Amerika, die Außenpolitik der Clintons war ja nicht viel anders als die von Bush. Die Deutschen haben nichts zu suchen in Afghanistan und sollten so schnell wie möglich wieder daraus verschwinden. Man könnte diese militärischen Aktionen nur begründen, wenn wirklich eine sichtbare befriedende Politik damit einherginge, die in diesen Ländern etwas ändert und bewirkt.
König: Aber hat nicht der Kampf gegen die Taliban vielen Menschen in Afghanistan etwas gebracht, vor allen Dingen Frauen?
Theweleit: Das wissen wir überhaupt nicht. Die afghanischen Frauen reden, wenn ich sie reden höre, nicht so. Die sind weiterhin eingeschränkt und es wird immer schlimmer. Man hat die Warlords nicht entmachtet, sondern im Gegenteil ermächtigt, die sitzen in diesem komischen, merkwürdigen Halb-Parlament, kontrollieren die meisten Gebiete. Die militärische Besatzung hätte diese Leute beseitigen müssen. Wenn man das nicht schafft, dann braucht man da auch nicht stationiert sein und schon gar nicht Tornados schicken. Das ist nicht nur Geldverschwendung, sondern auch wieder Denunziation der eigenen Politik. Man stellt die eigene Politik hinter das Militärische. Das schadet der Politik immer und zwar gründlich und nützt dem Militär auch nicht. Wohin? Was sollen die Tornados da bombardieren oder welche Siege einfahren? Lächerlich!
Sie können das Interview mit Klaus Theweleit für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
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König: Sind Sie politisch noch daheim in der Linken? Sind Sie noch ein Linker?
Theweleit: Ein Linker, wenn man aus diesen 60er, 70er Jahren kommt, bleibt man ja meistens, wenn man nicht einen rapiden Bruch damit macht. Diesen Bruch hab ich gemacht mit den terroristischen Gruppen, mit den K-Gruppen, die für mich auch terroristisch waren, aber ein bestimmtes linkes Denken auf Emanzipation der Lebensweisen, Verhältnis der Geschlechter, Abschaffung von Herrschaft, also möglichst weite Verminderung von Herrschaft, das ist ein Grundgedanke nach wie vor - insofern bin ich ein Linker nach wie vor. Aber diese Linke gibt es eigentlich nicht.
König: Wäre die nächste Frage gewesen. Gibt es überhaupt eine politische Linke?
Theweleit: Hab ich schon seit dem Ende der 70er gesagt, dass es sie eigentlich nicht mehr gibt. Und was sich dann als Parteilinke aufgebaut hat, zuerst die Grünen, die das dann gründlich diskreditiert haben, wenn ein ehemals Linker, aus der Linken kommend, als Außenminister einstimmt in Aktionen wie die Bombardierung Belgrads, dann sind die für mich gestorben auf der Ebene. Überhaupt die Entfesselung der Bundeswehr ist ja durch die Grünen passiert, das hätte keine andere Partei geschafft gegen den Widerstand der Bevölkerung, der Alternativen. Das sind für mich geradezu verbrecherische Verratsaktionen an dem, was mal linke Politik war. Die existieren für mich als solche auf der Ebene des Denkens oder der Wahrnehmung nicht mehr, die sind durchgestrichen.
König: Sie haben nach dem 11. September den westlichen Ländern in einem Essay den westlichen Ländern eine doppelte Strategie vorgeworfen: Nach innen das Prinzip von Rechtsstaatlichkeit, Humanität und Demokratie, nach außen die Gesetze des Dschungels mit Gewalt, Täuschung und Intrige. Heute hat das Kabinett den Einsatz von Bundeswehr-Tornados beschlossen. Dient das der Schaffung von Humanität in Afghanistan oder folgt das dem Gesetz des Dschungels?
Theweleit: Das ist das Gesetz des Dschungels, ein weiterer verbrecherischer Akt infolge des doch existierenden Zwangs der Amerikaner, dem sich auf Dauer die Regierungen nicht entziehen können. (…) Regierungen hier sind nicht so frei. Die US-Regierung ist wahrscheinlich selber nicht frei genug vom industriell-militärischen Komplex in Amerika, die Außenpolitik der Clintons war ja nicht viel anders als die von Bush. Die Deutschen haben nichts zu suchen in Afghanistan und sollten so schnell wie möglich wieder daraus verschwinden. Man könnte diese militärischen Aktionen nur begründen, wenn wirklich eine sichtbare befriedende Politik damit einherginge, die in diesen Ländern etwas ändert und bewirkt.
König: Aber hat nicht der Kampf gegen die Taliban vielen Menschen in Afghanistan etwas gebracht, vor allen Dingen Frauen?
Theweleit: Das wissen wir überhaupt nicht. Die afghanischen Frauen reden, wenn ich sie reden höre, nicht so. Die sind weiterhin eingeschränkt und es wird immer schlimmer. Man hat die Warlords nicht entmachtet, sondern im Gegenteil ermächtigt, die sitzen in diesem komischen, merkwürdigen Halb-Parlament, kontrollieren die meisten Gebiete. Die militärische Besatzung hätte diese Leute beseitigen müssen. Wenn man das nicht schafft, dann braucht man da auch nicht stationiert sein und schon gar nicht Tornados schicken. Das ist nicht nur Geldverschwendung, sondern auch wieder Denunziation der eigenen Politik. Man stellt die eigene Politik hinter das Militärische. Das schadet der Politik immer und zwar gründlich und nützt dem Militär auch nicht. Wohin? Was sollen die Tornados da bombardieren oder welche Siege einfahren? Lächerlich!
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