Theologe Markschies über Antisemitismus

"Den öffentlichen Raum nicht den Extremisten überlassen"

Der evangelische Theologe Christoph Markschies
Christoph Markschies ist Professor für Ältere Kirchengeschichte an der Humboldt-Universität in Berlin. Früher war er deren Präsident. © dpa / picture alliance / Hannibal Hanschke
Christoph Markschies im Gespräch mit Anke Schäfer · 22.12.2017
Der Angriff ist per Video dokumentiert: Ein Mann bepöbelt einen israelischen Gastwirt antisemitisch - mitten in Berlin. Kein Einzelfall. Was kann man gegen Antisemiten tun? Der Theologe Christoph Markschies setzt auf Bildung und Zivilcourage. Und auch auf die Polizei.
Markschies unterscheidet zwischen einem "weichen Antisemitismus", der sich etwa über den "grausamen Gott" im Alten Testament echauffiere, und einem harten, wie ihn das Video aus Berlin zeige. Er sei überzeugt, dass Bildung helfe, sagt Markschies:
"Bildung wird nicht den Bodensatz von harten, bildungsunwilligen Antisemiten vollständig zum Verschwinden bringen - dafür gibt es auch eine Polizei und gibt es eine Rechtsordnung, die gegen die Bildungsunwilligen etwas unternimmt. Aber es gibt so eine breite Masse, die muss ausgebildet werden."
Ausschnitt aus einem Video auf Youtube: Ein Mann beschimpft einen israelischen Gastwirt in Berlin antisemitisch.
Ausschnitt eines Videos auf Youtube. Ein Mann beschimpft einen israelischen Restaurantbesitzer antisemitisch.© Youtube-Video als Snapshot

Leute müssen sagen: Nein, das geht nicht

Außerdem sei Zivilcourage gefragt, "wenn ein Mensch mit einer Kippa in der Schule angegriffen und beleidigt wird - das haben wir ja leider in Berlin - wenn ein Rabbiner (…) über die Straße läuft und angegriffen wird, dass dann Leute sagen: Nein, das geht nicht." Man müsse dafür sorgen, dass die Menge der Antisemiten nicht wachse:
"Ich finde, wir müssen den öffentlichen Raum wieder zurückerobern. Dass in Berlin Schüler keine Kippa tragen können, das ist unannehmbar, weil der öffentliche Raum in einer demokratischen Gesellschaft demokratisch sein muss und nicht den Extremisten überlassen werden kann. Und es ist unannehmbar, dass eine israelische Fahne am Brandenburger Tor verbrannt wird."
Die Idee, einen Antisemitismusbeauftragten zu berufen, findet Markschies sehr gut. Dieser Beauftragte müsste unter anderem "viel koordinieren und sehen, dass gute Initiativen an die Frau und den Mann kommen und nicht versacken und hoffentlich auch Geld auftreiben, damit noch sehr viel mehr getan werden kann". (bth)
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