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CO2-Verpressung in Brandenburg unerwünscht

Pilotanlage zur CO2-Speicherung in Ketzin bei Berlin
Pilotanlage zur CO2-Speicherung in Ketzin bei Berlin © dpa/picture alliance/Bernd Settnik
Von Vanja Budde · 10.03.2016
Das klimaschädliche Kohlendioxid direkt aus dem Braunkohlekraftwerk tief unter die Erdoberfläche pressen - das haben Wissenschaftler in Brandenburg im Auftrag eines Energiekonzerns fünf Jahre lang getestet. Sie sehen die Ergebnisse positiv - Umweltschützer und Bürger aber ganz und gar nicht.
Hans-Georg von der Marwitz: "Man meinte, man könne damit die Energiegewinnung, die aus dem 19. Jahrhundert stammt, ins 21. Jahrhundert retten."
Denn könnte man das klimaschädliche Kohlendioxid unter die Erde pressen, würde es nicht in die Atmosphäre gelangen. Saubere Braunkohlekraftwerke dank Carbon Dioxide Capture and Storage, kurz CCS - für Vattenfall war das eine echte Zukunftsalternative. Pipelines sollten das verrufene Gas vom Kraftwerk Jänschwalde bei Cottbus ins Oderbruch leiten. Dort sollten Pumpen die Emissionen tief unter der Erdoberfläche verschwinden lassen - in mit Salzwasser gefüllten Gesteinsformationen und auf Nimmerwiedersehen. Hans-Georg von der Marwitz war und ist gegen diese Technik. Der CDU-Bundestagsabgeordnete betreibt einen Bio-Bauernhof in der anvisierten Verpressungsregion.
"Keiner konnte mir zur damaligen Zeit mit Sicherheit sagen: Bleibt das Gas dort unten? Was passiert, wenn das Salzwasser aus diesen Sandsteinschichten in höhere Schichten gepresst wird? So, dass das Salzwasser dann auch das Grundwasser bedroht."
Axel Liebscher, Leiter der Sektion für geologische Speicherung am Geo-Forschungs-Zentrum Potsdam, sieht das Ganze wissenschaftlich. Er verstehe die Sorgen der Menschen angesichts dieser neuen Technik, sie sei aber ungefährlich.
"Wenn man einen Speicherstandort ordentlich auswählt, so wie wir in Ketzin, und dann auch ein entsprechendes Überwachungssystem installiert, kann man von geologischer Seite her gesehen sagen, dass eine solche Speicherung sicher durchführbar ist."

"Die Menschen haben gesagt: Wir wollen das nicht!"

In Ketzin, unweit von Potsdam, steht Deutschlands erster und einziger nationaler CO2-Speicher. Fünf Jahre lang haben Liebscher und sein Team im Auftrag von Vattenfall dort knapp 70.000 Tonnen des Treibhausgases in eine Bohrung gepumpt. Seit 2013 beobachten sie, was sich dort unten, in 700 Metern Tiefe, macht.
"Zum jetzigen Zeitpunkt noch ist es als CO2 im Untergrund weiter in dem Porenraum vorhanden. Wir haben erste Hinweise darauf, dass sich ein Teil des CO2 in dem Lagerstättenfluid löst und dann auch sich nicht mehr so gut bewegen kann wie als freies CO2."
Alles bestens also aus Sicht der Wissenschaftler. Hans-Georg von der Marwitz, der damals den Widerstand gegen die CO2-Verpressung unterstützte, warnt dennoch davor, das Projekt wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Die Proteste würden sofort wieder aufflammen.
"Ich habe in diesen 25 Jahren, seitdem ich im Oderbruch lebe, nie wieder vergleichbare Veranstaltungen erlebt wie zur damaligen Zeit. Die Menschen waren wirklich angefasst und haben gesagt: Wir wollen das nicht!"

"Wir werden um die CO2-Speicherung nicht drum rum kommen"

Ende 2011 hat Vattenfall das Projekt aufgegeben, auch, weil eine gesetzliche Regelung auf sich warten ließ. Das CCS-Gesetz kam dann im Sommer 2012 - mit einer bescheidenen Höchstspeichermenge von vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Doch mit Blick auf die Erderwärmung ist sich der Geologe Axel Liebscher sicher, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
"Wir müssen ein Portfolio von verschiedenen Technologien einsetzen. Aber in diesem Portfolio wird CCS, also diese gesamte Kette von Abscheidung, Transport und dann Speicherung, sicherlich ein Bestandteil sein. Und wenn wir an die Ergebnisse der Klimakonferenz in Paris denken, mit dem Klimaziel 2 Grad, idealerweise 1,5 Grad Temperaturbegrenzung, dann werden wir, meiner Meinung nach, um die CO2-Speicherung als einem Baustein der Emissionsminderung nicht drum rum kommen."
Weltweit gebe es genug Speicherkapazität, sagt Liebscher, um mehrere Hundert Millionen Tonnen CO2 zu verpressen. Und das sei dann durchaus klimarelevant.
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