"Them And Us" in den Sophiensälen

Schuhplattlern auf samoanisch

Diese drei Männer sind spezialisiert auf samoanische Tänze, die auf eigenwillige Weise dem bayerischen Volkstanz ähneln.
Diese drei Männer sind spezialisiert auf samoanische Tänze, die auf eigenwillige Weise dem bayerischen Volkstanz ähneln. © Foto: Evotia Tamu / Sophiensäle
Von Elisabeth Nehring · 16.09.2015
Das bayerische Schuhplattlern und der Fa’ataupati aus Samoa ähneln sich wie Zwillinge. Die Regisseure Yuki Kihara und Jochen Roller nehmen diese Verwandtschaft zum Anlass für einen Tanzabend in den Berliner Sophiensälen: "Them And Us" heißt das Stück.
Paul, Lafaele und Malili tanzen normalerweise in der Tanzcompanie Tatau. Spezialisiert auf samoanische Tänze, vermischen die drei bärigen Jungs mit den großen Tattoos am ganzen Körper ursprüngliche Tanztraditionen des Südseeinselstaates mit Hip Hop und RnB zu wilden Hybriden. Auf der Suche nach den Spuren samoanischer Traditionen in der deutschen Kultur sind sie u.a. in Bayern fündig geworden.
"In Bayern haben wir einige Gemeinsamkeiten zwischen der samoanischen und der bayerischen Kultur entdeckt. Zum Beispiel hat der bayerische Schuhplattler große Ähnlichkeit mit dem samoanischen Fa’ataupati. Der Fa’ataupati ist ein 'Tanz der Mücken', man schlägt mit den flachen Händen an den unteren und oberen Teil des Körpers, um die Mücken zu erledigen – und vielleicht verscheuchen die Bayern mit dem Schuhplattler ja die Bienen, die dort rumfliegen."
Allerdings sei der Fa’ataupati viel weiter entwickelt und komplizierter, fügt Paul noch an. Ob dass, was er und seine beiden Kollegen im Tanzstück "Them And Us" in verschiedenen Variationen und zu unterschiedlichen Musiken auf der Bühne präsentieren, nun eher samoanischen oder bayerischen Ursprungs ist, weiß nicht mal der Tanzexperte. Choreograph Jochen Roller.
"Und da ist eben diese Idee, weil diese Tänze so ähnlich sind, dass du gar nicht mehr sagen kannst, selbst wenn du Volkstanz-Experte bist, ob dieser Schlag jetzt aus dem Schuhplattler ist oder aus dem Fa’ataupati und es ist eben ganz wichtig, dass eben diese Tänze noch mal kommen, und die sind wirklich völlig identisch, und sehen aber völlig anders aus, weil wir das Kostüm und die Musik geändert haben."
Deutsche Kolonialgeschichte kaum bekannt
Jochen Roller und seine samoanische Regie-Kollegin Yuki Kihara verstehen "Them And Us" aber nicht nur als humorvolle Spurensuche ähnlich aussehender Tanztraditionen. Zusammen mit den Tänzern sind sie an Orte gefahren, an denen sich in Deutschland samoanische und deutsche Kultur begegnen. Die Besuche im Ethnologischen Museum, bei einem samoanisch-deutschen Verein oder in der künstlichen Welt des Tropical Islands werden in Videoausschnitten gezeigt.
Regisseurin Yuki Kihara war allerdings vor allem überrascht, wie wenig die Deutschen über ihre Kolonialgeschichte wissen.
"In Samoa ist die Kolonialerfahrung noch sehr präsent – es wird viel drüber gesprochen, und es gibt noch immer viele samoanisch-deutsche Familien. Meine Großeltern zum Beispiel waren Deutsche. Auch bei Blick ins Telefonbuch findet man viele deutsche Familiennamen. Deswegen finde ich es paradox, dass in Deutschland dieser Teil der Geschichte so wenig bekannt ist."
Im Stück finden sich die Spuren deutscher Kolonialgeschichte vor allem in eingeblendeten Zitaten deutscher Rassentheorien vom Anfang des 20. Jahrhunderts. So gibt es zum Beispiel Auszüge einer Reichstagsdebatte von 1912 über 'Mischehen', in denen die Samoaner als ausgesprochen 'schöner Stamm' bezeichnet werden.
Gemeinsamkeiten bis zur Ununterscheidbarkeit
Jochen Roller: "Die Idee ist, in den Videos, den ganzen kolonialen Mist zu behandeln und zu gucken, wo ist der jetzt in 2015 und das aber zu kontrastieren mit dem Tanz. Und der Tanz ist die Utopie."
Yuki Kihara: "Wir präsentieren den Tanz auf eine Weise, dass du ''sie' und 'wir' nicht mehr unterscheiden kannst. Der Tanz auf der Bühne vereint beide Tänze zu einem einzigen. Damit wollen wir das binäre System, das dem Gedanken von von 'denen' und 'uns' zugrunde liegt, hinterfragen – und mehr noch: wir richten unserer Aufmerksamkeit auf die Gemeinsamkeiten."
Selbstbewusst und mit ziemlich viel Humor nähert sich das deutsch-samoanische Künstlerteam dem postkolonialen Thema, das Jochen Roller – bei aller Leichtigkeit – sehr wohl in der aktuellen Debatte um den Umgang mit ‚dem Fremden’ in Deutschland verortet.
Jochen Roller: "Ich glaube, dass wir inzwischen mit unserem Multikulturalismus in Deutschland an einen Punkt angekommen sind, wo wir die Hilfe von anderen Perspektiven brauchen."