Stück "Amerikalinie" im Theaterzug

"Großartige Variante des Wandertheaters"

10:59 Minuten
Elisabeth Müller (l-r), Sophia Hahn, Margarita Wiesner und Andreas Ühlein, Schauspieler des Theaters "Das letzte Kleinod" sitzen in Ferropolis auf ausgedienten Gleisen vor einer Lokomotive.
Immer unterwegs: Die Schauspielerinnen und Schauspieler des Theaters "Das letzte Kleinod". © picture alliance / dpa / Sebastian Willnow
Jens-Erwin Siemssen im Gespräch mit André Mumot · 13.08.2022
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Er ist keine Bühne wie jede andere: Ein 130 Meter langer Zug, der die Theaterbühne mitsamt Schauspielern von Bahnhof zu Bahnhof, Publikum zu Publikum bringt. "Das letzte Kleinod“ heißt das Projekt, das Regisseur Jens-Erwin Siemssen 1991 startete.
Mit einem internationalen Ensemble erarbeitet Regisseur Jens-Erwin Siemssen Produktionen, die im Sommer im Nordosten Deutschlands in etlichen Bahnhöfen gezeigt werden. In diesem Jahr heißt das aktuelle Stück „Amerikalinie“. Es geht um die deutschen Amerika-Auswanderer, die seit dem späten 19. Jahrhundert zu den Nordseehäfen unterwegs waren, um in eine neue Zukunft auf einem anderen Kontinent aufzubrechen.

Das Schneckenhaus immer dabei

Der Theaterzug beherbergt Schlaf- und Probenwagen genauso wie eine Küche und einen Autorenwagen und trägt das Ensemble von einem Spielort zum nächsten, wie Jens-Erwin Siemmsen berichtet: "Das ist eine großartige Variante des Wandertheaters. Wir haben unser Schneckenhaus immer dabei. Das heißt, wir sind immer zu Hause und doch woanders. Es wechselt sich allenfalls die Perspektive, wenn wir aus dem Fenster gucken, aber wir haben alle Annehmlichkeiten eines Betriebs, der fest verortet ist.“
Jens-Erwin Siemssen, Regisseur des Theaters "Das letzte Kleinod", steht vo Bergbaugerät.
Regisseur Jens-Erwin Siemssen lässt mit einem Theaterzug das Wandertheater wieder aufleben.© picture alliance / dpa / Sebastian Willnow
Für das aktuelle „Amerikalinie“-Projekt ist Siemssen nach New York und Florida gereist und hat ausgiebig recherchiert. „Ich habe insgesamt mit ungefähr 20 Menschen Gespräche geführt, die als junge Leute in die USA ausgewandert sind. Die waren auch schon alle hochbetagt.“

Die Geschichte von Zwangsarbeitern

Dabei kommt vor allem die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zur Sprache, nicht zuletzt das Schicksal von Überlebenden der Konzentrationslager. In vielen Arbeiten hat Siemmsen sich mit Migration, Flucht und Kriegsfolgen beschäftigt. In diesem Fall liegt die Aktualität auf der Hand. „Wir haben von vornherein eine Geschichte eingebaut aus der Ukraine, und zwar die Geschichte von zwei Zwangsarbeitern, die nach Deutschland deportiert wurden und ihre Familien nachholen mussten.“

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Gerade dieser Aspekt hat die Proben stark geprägt, wie Siemmsen erzählt. „Diese Geschichte ist so unglaublich nahe an dem, was uns gerade in der Ukraine passiert, dass die Darstellerin, die das spielt und selbst auch aus der Ukraine kommt, immer noch schlucken muss, wenn sie die Szene spielt. Da wurden wir von der Geschichte gerade überholt.“

Neugierige schauen in den Güterwagen

Mit ihrem Theaterzug erreicht die Gruppe nicht zuletzt ein ländliches Publikum. „Die Güterwagen sind sogenannte Schiebewandwagen“, erklärt Jens-Erwin Siemmsen. „Wenn eine Tür auf ist, dann ist die Hälfte des Güterwagens auf. Das heißt, jeden Morgen haben wir Leute, die hier entlangspazieren aus dem Dorf und gucken, wie weit wir denn so sind.“
Es habe sich bereits ein kleiner Fanclub gebildet: „Das ist großartig. Wir sitzen nicht im Elfenbeinturm, sondern wir sind draußen und haben ganz viel zu tun mit den Menschen, die hier leben.“
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