Theatertreffen Berlin

Hände voller Leidenschaft

Eine Straße in der Altstadt von Sarajewo, aufgenommen am 27.08.2010.
Altstadt von Sarajewo: Mit 14 Jahren zog Sandy Lopičić in die bosnisch-herzegowinische Hauptstadt zu seiner Großmutter. © picture alliance / Hannibal Hanschke
Von Gerd Brendel · 02.05.2014
Bewegtes Leben: jugoslawische Wurzeln, Musikgymnasium in Baden-Württemberg, mit 14 zur Oma nach Sarajewo und mit 22 Chefmusiker in Graz. Die Zusammenarbeit mit Dimiter Gotscheff weckt dann noch die Regielust in Sandy Lopičić.
Musik: "These are the balkan men / causing trouble where they can / they have beasty forces"
Die Hymne auf die Balkanmänner hat einer von ihnen geschrieben – Sandy Lopičić. Musiker, Regisseur und Schauspieler, ein Balkanmann vielleicht nicht mit "beasty forces“, aber auf jeden Fall mit Bären-Energie und einer Biografie mit Stationen in halb Europa.
Er wächst als jugoslawisches Gastarbeiter-Kind im Baden-Württemberg auf und besucht das Esslinger Musikgymnasium. Mit 14 zieht er zu seiner Großmutter nach Sarajewo. Vier Jahre später studiert er Klavier in Graz und mit nur 22 bekommt Lopičić die Stelle des Chefmusikers der vereinigten Bühnen Graz. Daneben tourt er noch mit seinem Sandy Lopičić Orkestar quer durch Europa. Aus Folklore, Balkan-Beats, Jazz und Zirkusmusik schöpft Lopičić seine ganz eigene "beasty force" – tierisch kraftvolle Musik.
Wilde Sehnsuchtsmusik
Im Jahr 2000 wird ein anderer "Balkanman“ auf Sandy Lopičić aufmerksam: Dimiter Gotscheff. Für den Steirischen Herbst inszenieren Regisseur und Musiker Dejan Dukovskis "Pulverfass“, ein dadaistisch-düsterer Bilderreigen: Gefängnisalltag irgendwo zwischen Belgrad und Skopje, brachiale Balzrituale und eine stoische Bauersfrau, die wie Sisyphos immer wieder Äpfel in ihrer Schürze sammelt , bis sie wieder zu Boden kullern, unterbrochen von Sandy Lopičićs wilder Sehnsuchtsmusik.
Die Zusammenarbeit mit Gotscheff weckt bei Lopičić die Lust, selbst zu inszenieren. Sein Regiedebüt "Einer flog über´s Kuckucksnest" in Graz wird ein großer Erfolg. Er inszeniert in Linz das "Im weißen Rössl“ nach Originalaufnahmen. Für die Neuköllner Oper und das Nationaltheater Skopje bringt er 2010 zusammen mit Dejan Dukovski die "Balkanman“-Revue "A fistful of love“ heraus. Dukovskis "Pulverfass“ hatte er zuvor noch einmal mit Dimiter Gotscheff in Berlin aufgeführt. Die beiden "Balkanmen“ arbeiten immer wieder zusammen. Zuletzt in Gotscheffs Inszenierung "Zement“ für das Münchner Residenztheater.
Da zeigt sich der Musiker von seiner stillen Seite. Sandy Lopičić ist ein "Balkanman", der, egal in welcher Theater oder Musikwelt er gerade unterwegs ist, nie ohne eine Handvoll Leidenschaft unterwegs ist.