Theaterspektakel als erste Amtshandlung
Mit dem Theaterfestival "Spuren.Suche" gibt Armin Petras seinen Einstand als neuer Intendant des Berliner Maxim Gorki Theaters. Gleich zehn Premieren werden an diesem Abend zu sehen sein. Petras hatte sich bereits an vielen Theatern einen Namen gemacht und gilt unter seinem Pseudonym Fritz Kater als einer der gefragtesten Theaterautoren.
Armin Petras ist ständig auf der Suche - in den Formen des Theaters, in den Strukturen des Alltags und nach den Mystifizierungen gesellschaftlicher Realität. 1994 hat er im 0stberliner Plattenbaugebiet Hellersdorf im "Weiten Theater" das Projekt "Mythen des Alltags" inszeniert. Dabei ging er mit einer freien Gruppe von Puppen- und Schauspielern in Captain Kirks Raumschiff und mit Texten des Ödipus auf die Suche nach dem Fremden im Leben des Individuums und der Gesellschaft. Schon damals benutzte er alle performativen Mittel, ob Tanz, Schauspiel, Materialtheater oder Video.
Und als er im Jahr 2000 im Staatstheater Kassel gelandet war, fügte er Texte von Martin Walser, Fritz Marquardt und Heinrich Böll zu einer theatralen Erkundungsreise in die "Mythen der Republik" nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen. Armin Petras ist ein Theater-Workoholic, der auf die Frage nach den Gründen für seine schier unheimliche Arbeitsproduktivität amüsiert reagiert:
"Natürlich bin ich in einer absolut privilegierten, im Moment noch mal privilegierteren Situation. Ich hab im Moment den Punkt, dass ich eine Arbeit machen darf, was viele Menschen gar nicht machen dürfen, die wenig Geld einbringt, (wir wissen alle, dass wir nicht viel Geld haben, aber ein wenig gibt es schon, damit kann man sehr gut leben), und es mir noch Spaß macht. Andersherum würde ich doch fragen: Wieso dürfen mindestens sechs Millionen in diesem Land nicht arbeiten?"
Armin Petras wurde 1964 im sauerländischen Meschede geboren, doch seine Eltern siedelten 1969 mit ihm in die DDR über. So wuchs Petras in der DDR auf, machte dort Abitur, musste den Wehrdienst absolvieren und begann anschließend ein Regiestudium an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Viele seiner Stücke, unter ihnen sein von ihm vor drei Jahren in Leipzig uraufgeführtes "Sterne über Mansfeld", bieten sensible Untersuchungen ostdeutscher Befindlichkeiten:
"Der Osten ist sicherlich der Ort, der mich am meisten als Mensch geprägt und gebildet hat, wo ich auch die intensivsten Eindrücke erfahren habe. Insofern ist das der Ort Vergangenheit, in dem ich nach wie vor wohne und aus dem ich auch lebe. Insofern bleibt das ein wichtiger Ort für mich."
Dennoch, einfügen konnte sich Armin Petras in der DDR nicht. Schon während seiner Armeezeit studierte er ausgerechnet Fernando Arrabals pazifistische Parabel "Picknick im Felde" ein, und während des Studiums am Regieinstitut inszenierte er am Theater Nordhausen Heiner Müllers offiziell ebenfalls nicht sonderlich geliebte "Wolokolamsker Chaussee 1 bis 3". Zwischen der Arbeit mit seiner Ostberliner Theatergruppe "Medea (Ost)" und der mit seiner Westberliner Gruppe "Medea (West)" liegt 1988 folgerichtig die Ausreise. Und doch ist die DDR verantwortlich dafür, dass Petras sich dem Theater zugewandt hat:
"Das ist so, dass ich politische Probleme hatte in einer anderen Gesellschaft, und dass ich sehr schnell gemerkt habe, wenn ich diese Probleme mit politischen Mitteln zu ändern versuche oder mit anderen Mitteln, die etwas mit Gewalt zu tun haben oder mich der Gewalt ausliefern, dass das sehr schnell das Ende dieser Auseinandersetzung bedeuten würde. Dass aber Theater, oder was man heute darunter versteht, sich irgendwo mit Zeichen beschäftigt und die Möglichkeit bietet, kommunizierende Gruppen zu bilden und eigentlich ein Ausweg war aus diesem Dilemma. Das hat mir geholfen und auch irgendwann angefangen, mir Spaß zu machen."
In Westdeutschland begann Armin Petras nach seinen freien Projekten als Regieassistent in Frankfurt am Main und an den Münchner Kammerspielen, und nach der Wende ging es Schlag auf Schlag. Fester Regisseur in Frankfurt an der Oder, zwischen 1996 und 1999 gleichzeitig Oberspielleiter am Theater Nordhausen und Hausregisseur in Leipzig, und daneben Inszenierungen in ganz Deutschland, in Chemnitz und Magdeburg, Mannheim und Rostock, am Berliner Ensemble und an Frank Castorfs Volksbühne, in Hannover und München.
Bevor er die Intendanz des Berliner Maxim Gorki Theaters angetragen bekam, leitete er in Frankfurt am Main mit der Schmidtstraße die kleine Experimentierbühne des Stadttheaters und inszenierte "nebenher" immer wieder am Hamburger Thalia Theater und am Deutschen Theater in Berlin. Hat er dabei einen festen, eigenen Stil entwickelt?
"Ich hoffe, dass es nicht so der Fall ist. Ich glaube schon, dass es wiederkehrende Elemente gibt: eine bestimmte Sorte von Bacchanalen oder eine bestimmte Sorten von Versuchen, mit sehr einfachen, sehr spielerischen Mitteln um zu gehen, immer mehr zu reduzieren ... Das ist ein Weg, der auch über zehn oder fünfzehn Jahre gegangen wird. Auf der anderen Seite, beim Umgang mit Texten: Es ist ganz klar, es ist derselbe Umgang geblieben, der es seit vielen Jahren ist. Nämlich der Versuch, eine Struktur frei zu legen. Also den komischen Begriff Strukturalismus auf Texte anzuwenden, zu schauen, was ist da für eine Biographie dahinter, welche Folien kann man über den Text legen, welche Bruchlinien gehen durch den Text, welche antagonistischen Figuren treffen aufeinander, und bei allen Umwegen zu versuchen, das Herz dieses Textes, des Problems, sowohl des Autors als auch dessen, was es mit der heutigen Zeit zu tun hat, übereinander zu legen."
Armin Petras ist ein Verfechter des Ensemblegedankens. Viele Schauspieler, mit denen er bereits andernorts gearbeitet hat, sind ihm nach Berlin gefolgt, obwohl sie finanziell erheblich bessere Angebote vorliegen hatten, zum Beispiel Fritzi Haberlandt und Peter Kurth.
Eine bei ihm als Autor wie Regisseur vorherrschende soziale Thematik bezeichnet Petras als sein Steckenpferd. Auf ein Zitat, er zeige vor allem Underdogs und Verlierer, reagiert er kritisch:
"Ich denke, dass wir in einer Gesellschaft oder einer Welt leben, wo Nichtverlierer zur absoluten Minimalquote geworden sind. Das heißt, ich versuche einfach nur, normale Bevölkerung zu beschreiben, das heißt, Leute, die Probleme haben. Das sind jetzt nicht nur Assis und Halbtote, die bei mir auf der Bühne sind, sondern natürlich gilt das Zentrum meiner Bemühungen Problemen. Und da gibt es halt welche, die mich mehr interessieren und andere, die mich weniger interessieren."
Wie will Armin Petras nun dem Maxim Gorki Theater im großen Theaterkonzert der vielen Berliner Bühnen seine unüberhörbar eigene Stimme geben?
"Wir haben überlegt, was können wir. Und nicht, wo ist die Lücke. Wir glauben, dass wir drei grundsätzliche Ideen haben, die uns Spaß machen. Das eine ist, das man sagt: diese historische Arbeit des Maxim Gorki Theaters, also realistische Themen, realistische Texte, den so genannten kritischen Realismus des 19. und 20.Jahrhunderts fort zu führen, das es ja immer gab hier am Maxim Gorki Theater, mit einem bestimmten Blick auf die Gegenwart, das finden wir eine wichtige Schiene. Wo wir versuchen, kein Spezialistenpublikum zu erreichen, sondern eine größere Breite von Berlinern. Der zweite Punkt ist, dass ich immer gesagt habe, wenn ich mal so was machen sollte, kann ich nicht anders, als ein Autorentheater zu machen. Das heißt, dass wir nur lebende Autoren spielen im Studio dieses Jahr. Und der dritte Punkt, den ich auch immer gesagt habe, dass es mir sehr wichtig ist, dass man sagt, Theater muss da raus gehen, wo die anderen Menschen sind, die normaler Weise nicht ins Theater gehen. Das heißt, dass wir versuchen, raus zu gehen, dass wir in Stadtbezirke rein gehen, mit den Leuten dort Theater machen und das auch wieder zurückholen ins Haus."
Das Maxim Gorki Theater begibt sich unter Armin Petras mit deutlichem Elan auf Spurensuche: um mit dem Publikum die Welt zu erkennen, aber auch, um erst einmal sein Publikum zu finden.
Und als er im Jahr 2000 im Staatstheater Kassel gelandet war, fügte er Texte von Martin Walser, Fritz Marquardt und Heinrich Böll zu einer theatralen Erkundungsreise in die "Mythen der Republik" nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen. Armin Petras ist ein Theater-Workoholic, der auf die Frage nach den Gründen für seine schier unheimliche Arbeitsproduktivität amüsiert reagiert:
"Natürlich bin ich in einer absolut privilegierten, im Moment noch mal privilegierteren Situation. Ich hab im Moment den Punkt, dass ich eine Arbeit machen darf, was viele Menschen gar nicht machen dürfen, die wenig Geld einbringt, (wir wissen alle, dass wir nicht viel Geld haben, aber ein wenig gibt es schon, damit kann man sehr gut leben), und es mir noch Spaß macht. Andersherum würde ich doch fragen: Wieso dürfen mindestens sechs Millionen in diesem Land nicht arbeiten?"
Armin Petras wurde 1964 im sauerländischen Meschede geboren, doch seine Eltern siedelten 1969 mit ihm in die DDR über. So wuchs Petras in der DDR auf, machte dort Abitur, musste den Wehrdienst absolvieren und begann anschließend ein Regiestudium an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Viele seiner Stücke, unter ihnen sein von ihm vor drei Jahren in Leipzig uraufgeführtes "Sterne über Mansfeld", bieten sensible Untersuchungen ostdeutscher Befindlichkeiten:
"Der Osten ist sicherlich der Ort, der mich am meisten als Mensch geprägt und gebildet hat, wo ich auch die intensivsten Eindrücke erfahren habe. Insofern ist das der Ort Vergangenheit, in dem ich nach wie vor wohne und aus dem ich auch lebe. Insofern bleibt das ein wichtiger Ort für mich."
Dennoch, einfügen konnte sich Armin Petras in der DDR nicht. Schon während seiner Armeezeit studierte er ausgerechnet Fernando Arrabals pazifistische Parabel "Picknick im Felde" ein, und während des Studiums am Regieinstitut inszenierte er am Theater Nordhausen Heiner Müllers offiziell ebenfalls nicht sonderlich geliebte "Wolokolamsker Chaussee 1 bis 3". Zwischen der Arbeit mit seiner Ostberliner Theatergruppe "Medea (Ost)" und der mit seiner Westberliner Gruppe "Medea (West)" liegt 1988 folgerichtig die Ausreise. Und doch ist die DDR verantwortlich dafür, dass Petras sich dem Theater zugewandt hat:
"Das ist so, dass ich politische Probleme hatte in einer anderen Gesellschaft, und dass ich sehr schnell gemerkt habe, wenn ich diese Probleme mit politischen Mitteln zu ändern versuche oder mit anderen Mitteln, die etwas mit Gewalt zu tun haben oder mich der Gewalt ausliefern, dass das sehr schnell das Ende dieser Auseinandersetzung bedeuten würde. Dass aber Theater, oder was man heute darunter versteht, sich irgendwo mit Zeichen beschäftigt und die Möglichkeit bietet, kommunizierende Gruppen zu bilden und eigentlich ein Ausweg war aus diesem Dilemma. Das hat mir geholfen und auch irgendwann angefangen, mir Spaß zu machen."
In Westdeutschland begann Armin Petras nach seinen freien Projekten als Regieassistent in Frankfurt am Main und an den Münchner Kammerspielen, und nach der Wende ging es Schlag auf Schlag. Fester Regisseur in Frankfurt an der Oder, zwischen 1996 und 1999 gleichzeitig Oberspielleiter am Theater Nordhausen und Hausregisseur in Leipzig, und daneben Inszenierungen in ganz Deutschland, in Chemnitz und Magdeburg, Mannheim und Rostock, am Berliner Ensemble und an Frank Castorfs Volksbühne, in Hannover und München.
Bevor er die Intendanz des Berliner Maxim Gorki Theaters angetragen bekam, leitete er in Frankfurt am Main mit der Schmidtstraße die kleine Experimentierbühne des Stadttheaters und inszenierte "nebenher" immer wieder am Hamburger Thalia Theater und am Deutschen Theater in Berlin. Hat er dabei einen festen, eigenen Stil entwickelt?
"Ich hoffe, dass es nicht so der Fall ist. Ich glaube schon, dass es wiederkehrende Elemente gibt: eine bestimmte Sorte von Bacchanalen oder eine bestimmte Sorten von Versuchen, mit sehr einfachen, sehr spielerischen Mitteln um zu gehen, immer mehr zu reduzieren ... Das ist ein Weg, der auch über zehn oder fünfzehn Jahre gegangen wird. Auf der anderen Seite, beim Umgang mit Texten: Es ist ganz klar, es ist derselbe Umgang geblieben, der es seit vielen Jahren ist. Nämlich der Versuch, eine Struktur frei zu legen. Also den komischen Begriff Strukturalismus auf Texte anzuwenden, zu schauen, was ist da für eine Biographie dahinter, welche Folien kann man über den Text legen, welche Bruchlinien gehen durch den Text, welche antagonistischen Figuren treffen aufeinander, und bei allen Umwegen zu versuchen, das Herz dieses Textes, des Problems, sowohl des Autors als auch dessen, was es mit der heutigen Zeit zu tun hat, übereinander zu legen."
Armin Petras ist ein Verfechter des Ensemblegedankens. Viele Schauspieler, mit denen er bereits andernorts gearbeitet hat, sind ihm nach Berlin gefolgt, obwohl sie finanziell erheblich bessere Angebote vorliegen hatten, zum Beispiel Fritzi Haberlandt und Peter Kurth.
Eine bei ihm als Autor wie Regisseur vorherrschende soziale Thematik bezeichnet Petras als sein Steckenpferd. Auf ein Zitat, er zeige vor allem Underdogs und Verlierer, reagiert er kritisch:
"Ich denke, dass wir in einer Gesellschaft oder einer Welt leben, wo Nichtverlierer zur absoluten Minimalquote geworden sind. Das heißt, ich versuche einfach nur, normale Bevölkerung zu beschreiben, das heißt, Leute, die Probleme haben. Das sind jetzt nicht nur Assis und Halbtote, die bei mir auf der Bühne sind, sondern natürlich gilt das Zentrum meiner Bemühungen Problemen. Und da gibt es halt welche, die mich mehr interessieren und andere, die mich weniger interessieren."
Wie will Armin Petras nun dem Maxim Gorki Theater im großen Theaterkonzert der vielen Berliner Bühnen seine unüberhörbar eigene Stimme geben?
"Wir haben überlegt, was können wir. Und nicht, wo ist die Lücke. Wir glauben, dass wir drei grundsätzliche Ideen haben, die uns Spaß machen. Das eine ist, das man sagt: diese historische Arbeit des Maxim Gorki Theaters, also realistische Themen, realistische Texte, den so genannten kritischen Realismus des 19. und 20.Jahrhunderts fort zu führen, das es ja immer gab hier am Maxim Gorki Theater, mit einem bestimmten Blick auf die Gegenwart, das finden wir eine wichtige Schiene. Wo wir versuchen, kein Spezialistenpublikum zu erreichen, sondern eine größere Breite von Berlinern. Der zweite Punkt ist, dass ich immer gesagt habe, wenn ich mal so was machen sollte, kann ich nicht anders, als ein Autorentheater zu machen. Das heißt, dass wir nur lebende Autoren spielen im Studio dieses Jahr. Und der dritte Punkt, den ich auch immer gesagt habe, dass es mir sehr wichtig ist, dass man sagt, Theater muss da raus gehen, wo die anderen Menschen sind, die normaler Weise nicht ins Theater gehen. Das heißt, dass wir versuchen, raus zu gehen, dass wir in Stadtbezirke rein gehen, mit den Leuten dort Theater machen und das auch wieder zurückholen ins Haus."
Das Maxim Gorki Theater begibt sich unter Armin Petras mit deutlichem Elan auf Spurensuche: um mit dem Publikum die Welt zu erkennen, aber auch, um erst einmal sein Publikum zu finden.