Theaterprojekt "Kein Schlussstrich!"

"Gegenseitig zuhören und Kraft geben"

09:50 Minuten
Idil Baydar blickt lächelnd in die Kamera.
Kabarettistin Idil Baydar nimmt an Podiumsdiskussionen beim Projekt "Kein Schlussstrich!" teil. © picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Idil Baydar im Gespräch mit Britta Bürger · 31.10.2021
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Ein interdisziplinäres Projekt thematisiert künstlerisch die Taten des NSU. Bei den Veranstaltungen stehen die Perspektiven der Familien der Opfer im Mittelpunkt. Kabarettistin Idil Baydar findet, dass es dabei um Empowerment gehe.
Unter dem Titel "Kein Schlussstrich!" arbeitet ein Theaterprojekt die rassistische Mordserie der Terrorgruppe NSU und die Hintergründe auf. Dafür haben sich Theater und andere Institutionen aus 15 Städten zu einem Kooperationsnetz zusammengeschlossen. Ziel ist es, die Perspektiven der Familien der Opfer und die allgegenwärtigen Rassismuserfahrungen der postmigrantischen Communitys in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.

Austausch aus der Migrantenperspektive

Die Schauspielerin und Kabarettistin Idil Baydar sitzt im Projekt-Beirat. Sie sagt: "Es lohnt sich, ein Bewusstsein zu schaffen in diesem Bereich." Und: "Das bewegt mich, bei so einem wunderbaren Projekt dabei zu sein."
Bei der Veranstaltung in Rudolstadt am Sonntag habe man sich auf dem Podium aus der migrantischen Perspektive ausgetauscht. "Es ging in erster Linie darum, zu erinnern, zu gedenken. Aber auch darüber zu sprechen: Wie ist unsere Zukunft, was haben wir für Strategien, was erleben wir?"
Ganz wichtig sei dabei, sich gegenseitig zuzuhören und Kraft und Mut zu geben, immer mit "Support und Empowerment". Leider habe man auch die Erfahrung gemacht, dass Kommunen Zusagen und Unterstützung nicht in der Form eingehalten hätten, wie es versprochen worden war. "Am Ende, wenn der Antrag gestellt wird für diese Unterstützung, stellen sich die offiziellen Stellen quer. Und das erleben wir in allen Städten."

Heilsame Erfahrung in Rudolstadt

Der Abend in Rudolstadt sei eine sehr heilsame Erfahrung für sie gewesen, sagt Baydar. "Es waren fast nur weiße Menschen da. Dass die gekommen sind hat mich sehr berührt, weil ich glaube, dass es beispielsweise in der Nachbarschaft nicht so viele Berührungspunkte gibt, weil da nicht so viele Migranten wohnen."
Sie habe den Eindruck, dass auch die Theaterhäuser selbst angefangen hätten, sich mit strukturellem und alltäglichem Rassismus auseinanderzusetzen. Dafür sei sie den Theatern sehr dankbar. "Alleine, dass die mitgemacht haben bei diesem Projekt und uns Räume bieten, wo wir in diese Diskurse kommen können – das ist natürlich großartig. Ich glaube schon, dass sich da was bewegt."

Kein Schlussstrich!
Interdiziplinäres Theaterprojekt zu den NSU-Morden
bis 7.11.2021 in deutschen Städten

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