Theaterpreis Faust 2019

Nicht nur die üblichen Verdächtigen

08:13 Minuten
Eine Frau sitzt auf dem Boden. Hinter ihr steht ein Mann, der sie zu sich nach hinten zieht.
Maja Beckmann bekam für ihre Rolle in der Münchner Inszenierung "Dionysos Stadt" einen Faust als beste Schauspielerin. © Julian Baumann / Kammerspiele München
Michael Laages im Gespräch mit Britta Bürger · 09.11.2019
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In Kassel wurde der wichtigste deutsche Theaterpreis verliehen: der Faust. Unter den Gewinnern befinden sich nicht bloß Bühnenstars. Die Faust-Nominierungen bildeten tatsächlich die deutsche Theaterlandschaft ab, sagt unser Kritiker.
Im Staatstheater Kassel wurde am Samstag Abend der wichtigste deutsche Theaterpreis vergeben: Für den Faust, der seit 2006 vom Deutschen Bühnenverein, der Kulturstiftung der Länder und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste verliehen wird, waren in diesem Jahr 24 Künstlerinnen und Künstler in acht Kategorien nominiert.
Unser Theaterkritiker Michael Laages berichtet von einer sehr abwechslungsreichen Gala. Durch den Abend führte die Schauspielerin und Sängerin Wiebke Puls, mal in der Rolle der Kassandra, die immer wieder die Feierstimmung stört und mit Soli dazwischen geht, mal als Moderatorin: Sie habe beispielsweise mit einem Megafon Forderungen von Theaterreformern in den Saal gebrüllt oder sich selbst als Schauspielerin definiert, die ihren Beruf zwar ernst nehme, aber nicht wisse, wohin sie dieser noch führen werde.
Als Moderatorin des Abends indes habe sie sich extrem wenig Zeit für die Preisträger genommen, ihnen dafür aber fundamentale Fragen gestellt, auf die es keine einfachen Antworten geben konnte, berichtet Laages. Die Zeit, die sie bei der tatsächlichen Übergabe der Preise einsparte, nutzte sie so für ihre Soli, in denen sie dann aber genau jene Fragen, die sie den Geehrten gestellt hatte, verhandelte.

Helge Schmidt ist bester Schauspielregisseur

Zu den Preisträgern zählten bekannte Namen wie der Bühnenbildner Étienne Pluss oder der Opernsänger Johannes Martin Kränzle aus Frankfurt. Aber auch die Opernregisseurin Elisabeth Stöppler aus Chemnitz oder die Regisseurin Birgit Freitag aus Bremen wurden geehrt.
Maja Beckmann wurde als beste Schauspielerin für ihre Rolle in der Münchner Produktion "Dionysos Stadt" ausgezeichnet. Als bester Schauspielregisseur wurde Helge Schmidt vom Lichthof Theater Hamburg gewürdigt. Von ihm stammt eine "sehr spektakuläre Inszenierung über die Cum-ex-Papers", wie Laages erläutert.
Unser Kritiker erklärt, dass die Nominierungen für den Faust – im Gegensatz zu denen für das Theatertreffen – tatsächlich die deutsche Theaterlandschaft abbilden. So waren diesmal Theater wie die in Gera oder Chemnitz, das Theater Junge Generation in Dresden oder das Lichthof Theater in Hamburg unter den Nominierten, "also nicht die üblichen Verdächtigen".

Lebenswerk-Faust für Roberto Ciulli

Ein besonderer, großer und berührender Moment war die Ehrung des 85-jährigen Regisseurs, Schauspielers und Theaterleiters Roberto Ciulli für sein Lebenswerk. Ciulli ist "für die Nachkriegsgeschichte, die Geschichte des migrantischen Theaters und für die Moderne in Westdeutschland von immenser und unübersehbarer Bedeutung", sagt unser Kritiker Michael Laages.

Alle Preisträger: Marlúcia do Amaral, Deutsche Oper am Rhein (Darstellerin Tanz); Anne Teresa de Keersmaeker, Volksbühne Berlin (Choreografie); Helge Schmidt, Lichthof Theater Hamburg (Regie Schauspiel); Maja Beckmann, Münchner Kammerspiele (Darstellerin Schauspiel); Elisabeth Stöppler, Theater Chemnitz (Regie Musiktheater); Johannes Martin Kränzle, Oper Frankfurt (Sängerdarsteller Musiktheater); Birgit Freitag, Junges Theater Bremen (Regie Kinder- und Jugendtheater); Étienne Pluss, Staatsoper Unter den Linden Berlin (Bühne); das Tanz-Netzwerk "Explore Dance" aus Hamburg, Potsdam und München (Perspektivpreis).

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