Theatermacher Wetzel zu Pelosis Rekordrede

Performance im Parlament?

Die Sprecherin der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, spricht auf einer Konferenz mit Demokraten im Repräsentantenhaus und einer Gruppe von "Dreamern" mit DACA-Status.
Die Sprecherin der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, auf einer Konferenz mit einer Gruppe junger Menschen mit DACA-Status © imago stock&people
Daniel Wetzel im Gespräch mit Timo Grampes |
Das Theaterkollektiv Rimini Protokoll setzt regelmäßig politische Prozesse in Theaterformen um. US-Demokratin Nancy Pelosi hat über acht Stunden lang im Repräsentantenhaus geredet: Ist Politik damit zur Theaterperformance geworden?
Viel wird in der Theaterwelt diskutiert über Politik und ihre rituellen Formen von Entscheidungsprozessen: Milo Rau inszenierte ein Weltparlament mit dem Titel "General Assembly" in der Berliner Schaubühne und Theaterkollektive wie She She Pop und Rimini Protokoll setzen regelmäßig politische Prozesse performativ in Szene.

Mit der Kraft der Rede

Jetzt, so meinen manche, habe die US-Demokratin Nancy Pelosi es umgedreht: Im Repräsentantenhaus hielt sie eine acht Stunden und sieben Minuten dauernde Rede, las Briefe von Einwanderern ("Dreamern") und Bibelverse vor. Zwischendurch gab sie mit Blick auf die Uhr zu verstehen, dass "sie nicht aufgeben werde". Mit ihrer Ansprache wollte sie auf die Republikaner Druck ausüben, um ein neues Einwanderungsgesetz für den Schutz junger Einwanderer zu erreichen.
Der Theatermacher Daniel Wetzel von der Perfomance-Gruppe "Rimini Protokoll" sagt:
"Es gibt einfach Parallelen zwischen Parlament und Theaterformen und die ist jetzt gerade mal überraschend."

"Eher PR als Performance"

Parlament und Theater hätten sich schließlich Hand in Hand entwickelt. Das erste antike Parlament in Athen sei in das Dyonisos-Theater umgezogen, wo die ältesten uns bekannten Tragödien uraufgeführt wurden. Das Parlament sei ja ein "Ort der Darstellung von Positionen", es sei eben nicht in erster Linie ein Ort des Kleingedruckten, sondern es ist ein"Ort der Überzeugung".
Ist das Repräsentantenhaus für Welzel als Theatermacher nun zur Theaterbühne geworden während Pelosi-Rede? Welzel sieht am ehesten Parallelen zu Pfahlsitzer-Performances, wie es sie beim verstorbenen Christoph Schlingensief gab.
"Es ist ja offensichtlich keine politische Rede, sondern es geht darum, einen bestimmten Zeitraum auszufüllen, der gigantisch ist, der einen Rekord bricht und der eigentlich – über diese Nachricht – dazu führt, dass wir darüber sprechen."
Daniel Wetzel vom Performance-Kollektiv Rimini Protokoll
Daniel Wetzel vom Performance-Kollektiv Rimini Protokoll© imago
Wetzel zeigte sich allerdings nach der Rede skeptisch:
"Mich hat es überhaupt nicht beeindruckt. Es ist auch eher PR als Performance."
Pelosi habe damit ihr persönliches Anliegen unglaublich stark gemacht, es sei auch ein wichtiges Anliegen; sie sei als Lobbyistin für eine Gruppe aufgetreten, die in den USA stark gefährdet und diskriminiert werde. Das Mittel der langen Rede im Senat oder im Repräsentantenhaus habe es zudem historisch in den USA immer mal wieder gegeben.
"Ich würde sie aber nicht in die Kategorie Performance einordnen."

Längste Rede war 1957

Der bisherige Rekordhalter war der Kongressabgeordnete Champ Clark aus dem Bundesstaat Missouri, der fünf Stunden und 15 Minuten sprach. Ob vor 1909 eine noch längere Rede vor dem Repräsentantenhaus gehalten wurde, ist unbekannt.
Die Ehre der längsten Rede in der Geschichte des US-Kongresses gebührt unverändert Strom Thurmond aus South Carolina, der im Senat aus Protest gegen das Bürgerrechtsgesetz von 1957 insgesamt 24 Stunden und 18 Minuten durchredete.
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