Theaterintendant zu Krawallen in Bautzen

"Da ist der Konflikt irgendwie vorprogrammiert"

Ein Großaufgebot der Polizei steht am 14.09.2016 in Bautzen (Sachsen) auf der "Platte", dem Kornmarkt.
Ein Großaufgebot der Polizei steht am 14. September 2016 in Bautzen auf der "Platte", dem Kornmarkt. © dpa/picture-alliance/Christian Essler
Lutz Hillmann im Gespräch mit Axel Rahmlow und Vladimir Balzer · 15.09.2016
Flüchtlinge liefern sich in Bautzen Krawalle mit rechten Einheimischen: Für den Intendanten des ortsansässigen Deutsch-Sorbischen Theaters, Lutz Hillmann, kamen die Übergriffe am Mittwochabend nicht aus heiterem Himmel. Er kennt einige der beteiligten minderjährigen Asylsuchenden persönlich.
Die gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen in der sächsischen Stadt Bautzen am Mittwochabend sind nach Angaben der Polizei von Asylsuchenden ausgegangen. Aus einer Gruppe von 15 bis 20 minderjährigen Asylbewerbern seien Flaschen und Steine in Richtung der Rechten geflogen, sagte der Bautzener Polizeichef Uwe Kilz bei einer Pressekonferenz in Bautzen. Bereits bei einer Konfrontation am vergangenen Freitag sei Gewalt zunächst von jungen Flüchtlingen ausgelöst worden.
Der Landkreis Bautzen will den etwa 30 in der Stadt lebenden jugendlichen Flüchtlingen nun ein Alkoholverbot und eine Ausgangssperre ab 19 Uhr aussprechen. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs sowie gefährlicher Körperverletzung.
Sachsen-Korrespondent Bastian Brandau berichtete in "Studio 9" am 15.9. 2016, 17:10 Uhr:

"Wir haben zu den Jungs ein gutes Verhältnis"

Wir haben in derselben Sendung mit Lutz Hillmann, dem Intendant des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters in Bautzen, gesprochen. Bei ihm spielen einige der beteiligten minderjährigen Flüchtlinge Theater.
Hillmann sagte im Deutschlandradio Kultur, dass es in Bautzen auf der so genannten "Platte", einem zentralen Platz, immer wieder zu Auseinanderssetzungen zwischen Geflüchteten und Rechten komme:
"Es handelt sich ja um minderjährige Jugendliche – Jungs, große Jungs, die allein sind und in diesem Heim sind", erklärte er. Sie würden auf der "Platte" den öffentlichen Hotspot nutzen, um per Smartphone mit Angehörigen in der Heimat zu kommunizieren.
"Und auf der anderen Seite haben wir", so Hillmann, "vom rechten Spektrum auch organisierte Veranstaltungen, die dort auf dieser 'Platte' stattfinden, immer wieder auch angemeldete Demonstrationen so wie am letzten Freitag, die sich eben auch ganz klar gegen Ausländer positionieren. Und da ist irgendwie der Konflikt vorprogrammiert."
Die jugendlichen Flüchtlinge ließen sich schnell provozieren: "Wenn ich mit den Jungs rede, die zu uns ein gutes Verhältnis haben, auch Vertrauen haben, dann merkt man natürlich, dass der Ehrenkodex, der auch aus diesen Kulturen dort kommt, etwas anders ist, als wir das gewohnt sind. Und dass die sich - im Grunde genommen, schon allein um Selbstachtung zu behalten - nichts bieten lassen."

"Die sind sehr erschrocken über das, was jetzt passiert ist"

Nach den Ereignissen am Mittwochabend, dem Polizeiaufgebot und der großen Resonanz in den Medien seien die Jugendlichen "sehr erschrocken", zumal vier oder fünf der "Jungs" aus dem Bautzener Wohnheim in andere Unterkünfte verlegt worden seien. Darüber habe es auch Gespräche am Theater gegeben.
Hillmann: "Es sind drei Jungs, die da auch beteiligt waren (…) und die kennen wir auch, wir spielen mit denen Theater, die haben uns ihre Schicksale erzählt – und da hat man natürlich zu den Jungs ein anderes Verhältnis, als wenn ich sie als ganz abstrakte Flüchtlinge betrachte. Da kriegt das ein Gesicht. Und da ist man natürlich auch eher geneigt, Verständnis zu haben und es irgendwie auch mit zu verstehen, obwohl es natürlich nicht zu entschuldigen ist."
(huc)
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