Theaterhaus Jena

Die Holländer kommen

Von Michael Laages · 16.12.2017
Das Theaterhaus in Jena bekommt ein neues Leitungskollektiv – "Wunderbaum" nennt sich die sechsköpfige "Acteursgroep" und eigentlich ist sie in Rotterdam zu Hause. Wie soll dieser Spagat funktionieren?
Wer oder was ist "Wunderbaum"? Zunächst mal eine Pflanze: unempfindlich gegen Frost, schnellwüchsig, heilkräftig durch Ricinus; empfohlener Boden: das Mistbeet. Was "Wunderbaum" im Theater schafft, war seit dem Festival "Theater der Welt" in Hamburg zu begutachten – das Sextett kreierte eine virtuelle Bespaßungsshow wie auf dem Kreuzfahrtschiff und mischte sie mit den extrem kreuzfahrtkritischen Texten von David Foster Wallace.

Wird Jena zur Gastspiel-Bühne?

Oft entstehen Stücke der freien Gruppe aus Rotterdam in Recherchen und "site specific", also entworfen für einen ganz bestimmten Ort, oft außerhalb des "normalen" Theaters. Und solch eine Gruppe soll nun also so ein "normales" deutsches Stadttheater leiten? Zumal die Gruppe Rotterdam ja nicht verlassen wird ... Die Gruppe kooperiert auch mit "Mare Culturale Urbano", einem Theater in Mailand – wird Jena zur besseren Gastspiel-Bühne?
Das Ensemble gibt sich alle Mühe, die Zweifel zu zerstreuen – außer sich selber werden sie sechs feste Ensemblemitglieder im Theaterhaus in Jena etablieren (mehr hat die aktuelle Truppe auch nicht), und in Jena wird produziert; gelegentlich auch für Rotterdam und Mailand. Und Produktionen von außerhalb werden immer auch in Jena gezeigt ... neben Bühnenbildner von Otterdijk wird Walter Bart nach Jena ziehen: als eine Art Sprachrohr der Gruppe.

Ein "strukturelles Abenteuer"

"Warum Jena? – wurden wir bei unserer Bewerbung gefragt", erzählt Bart. "Jena gibt uns die Chance, ein strukturelles Abenteuer im Ausland zu beginnen." Auch dieses "strukturelle Abenteuer" ist eine Art von "Systemwechsel" – nur war eben Jena schon immer auf diesem Weg, seit ein Abschlussjahrgang der Berliner Theaterhochschule "Ernst Busch" 1991 das Haus kollektiv übernahm.
Und "Wunderbaum" will ja die gewachsenen Strukturen, zum Beispiel das Ensemble, ja erklärtermaßen auch nicht zerstören – nur eben erweitern ins Internationale, mit sich selber, dem Darsteller-Kollektiv, als kreativem Kern.

"Sie sind Teil eines geheimen Plans"

"Dieses Haus hat immer von sich reden gemacht und einen guten Ruf in Deutschland, und das wird sich noch weiter entwickeln – und darauf freue ich mich", sagt Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter - und heißt das neue Team denn auch "von Herzen Willkommen" in Jena. Wir freuen uns auf Sie!"
"Und dann haben wir auch noch die Antwort auf eine andere Frage, die Sie vielleicht noch nie gewagt haben zu stellen", sagt Walter Bart. "Werden die Niederländer Deutschland übernehmen? Johan Simnons in München und im Ruhrgebiet, Alize Zandwijk in Bremen – und jetzt 'Wunderbaum' in Jena? Wo hört es auf? Die Antwort auf die Frage ist: Ja, Sie sind Teil eines geheimen Plans – bei uns geht die Kulturförderung nämlich eher in eine hoffnungslose Richtung. So: Danke!"
In der Tat – Hollands Regierende haben Theater ja zum "linken Hobby" erklärt, also für überflüssig. Und Ironie dieser Sorte gehört zum guten Ton der Truppe aus Holland. Den kann das Theater immer gut gebrauchen; nicht nur in Jena.
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