Theaterfestival "No Limits"

Inklusiv auch beim Kuratieren

10:30 Minuten
Zwei Tänzer knien auf einer Bühne und halten sich an den Händen.
Gesellschftliche Erwartungen gegenüber Menschen mit Behinderung zurückweist: Der Tänzer und Künstler Michael Turinsky während einer Performance 2015 in London. © imago / Zuma press
Michael Turinsky im Gespräch mit Timo Grampes · 06.11.2019
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Beim Berliner „No Limits“-Festival stehen Menschen mit Behinderungen auf der Bühne. Nun wird es erstmals von einem Künstler mit Behinderung kuratiert: Michael Turinsky. Der Choreograf möchte Künstler zeigen, die ihre eigene performative Stimme erheben.
In Berlin startet das "No Limits"-Festival für Disability and Performing Arts: ein Festival von und mit Menschen mit Behinderungen. Mit dem Wiener Choreografen Michael Turinsky kuratiert erstmals ein Künstler mit Behinderung das Festival. Dass dies so lange gedauert hat, bedauert er selbst. "Das erkläre ich mir damit, dass behinderte Menschen in der Geschichte schon immer die gewesen sind, die man an der Hand führt – oder die man sozusagen an der Leine führt", sagt Turinsky. Umso großartiger finde er, "dass eben zum ersten Mal jemand anderer die Fäden zieht".
Bei dem Festival gehe es ihm darum, "nicht einfach nur behinderte Menschen auf der Bühne haben zu wollen. Sondern: Wir wollten künstlerische Arbeiten zeigen, in denen behinderte Künstlerinnen und Künstler selbst das Heft in die Hand nehmen und ihre eigene choreografische oder performative Stimme erheben und uns das sagen und zeigen, was sonst niemand anderes sagen und zeigen könnte", sagte Turinsky.

Die Erwartungen zurückweisen

Wer mit einer körperlichen Behinderung auf die Welt kommt, habe immer ein wenig das Gefühl, er müsse versierter sein – im sprachlichen Ausdruck, im Schreiben –, um sich gesellschaftlich durchzusetzen. "Aber es kann dann auch ein bisschen zu einer Überanpassung führen. Und im Gegensatz dazu mit dem Körper ins Spiel zu treten, auf verschiedene Weise, ist immer auch so eine Geste, in der man diese Erwartungen zurückweist. Und sage: Ich tue, was ich will."
Er selbst hat dies als Tänzer und Choreograf beeindruckend getan, beispielsweise in dem Stück Ravemachine: Darin fährt Turinsky – der eine Zerebralparese hat, die zu Bewegungsstörungen und Spastiken führt – mit einem rauchenden und qualmenden Rollstuhl auf die Bühne. Nach tänzerischer Ekstase zu Technoklängen zerstört Turinsky einen Rollstuhl, wirft die Einzelteile über die Bühne.

Themenvielfalt auf der Bühne

Bei dem Festival wolle er zwar die Sichtbarkeit behinderter Künstlerinnen "eindeutig verschärfen". Das heiße aber nicht, dass es thematisch vorrangig um Behinderung gehen müsse. "Wir wollten ganz viele verschiedene künstlerische Positionen mit ganz verschiedenen Absichten zeigen. Das heißt, da sind auch ganz viele recht politische Arbeiten dabei oder Arbeiten, die sich nicht unbedingt mit dem Thema Behinderung, sondern dem Thema Post-Kolonial-Situation beschäftigen – oder dem Thema Malerei oder die mehr feministisch orientiert sind."
(lkn)
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