Theater-Projekte schon während der Schulzeit

Von Camilla Hildbrandt · 06.12.2007
Roland Schimmelpfennig ist einer der bekanntesten Gegenwartsdramatiker Deutschlands. Seine Stücke sind in über 40 Ländern zu sehen. Nun veranstaltet das Deutsche Theater Berlin ihm zu Ehren das lange "Schimmelpfennig"-Wochenende.
Musik "Qu´-est-ce que tu veut de moi?”

Roland Schimmelpfennig: "”Es gibt nicht den Vorsatz etwas Bitterböses oder Humorvolles zu schreiben, unter Umständen schon...""

Musik

Roland Schimmelpfennig: "Es gibt eine ungefähre Vorstellung von dem Hitzegrad, der Temperatur, die das Stück haben muss, ist es ein kaltes, langsames Stück oder ein heißes, schnelles, solche eigenartigen, esoterischen Bilder von Texten hab ich manchmal."

Nein, gerne spricht er nicht über sich und seine Arbeit, der Dramatiker mit der hohen Stirn und der dunklen Hornbrille. Aber - manchmal macht Roland Schimmelpfennig eben doch eine Ausnahme, zieht seinen ockerfarbenen, breitkrempigen Hut vom Kopf, legt den gleichfarbigen Lodenmantel ab und trinkt genüsslich einen Schluck schwarzen Espresso. Ob seine Eltern ihn zum Schreiben animiert haben?

Roland Schimmelpfennig: "Ich komm aus einer Familie von Generationen von Tierärzten, da hat keiner geschrieben. Ich weiß nicht, es ist von Anfang an so gewesen, dass ich gern geschrieben habe, ohne mir vorstellen zu können das beruflich zu machen, das war immer ein wirkliches Vergnügen und eine Leidenschaft, die man gesucht hat."

Kleine Theater-Projekte - "Versuche", wie Schimmelpfennig sie nennt - , die gab es schon zu Schulzeiten in Göttingen, zusammen mit seinen Freunden. Aber das erste "vorzeigbare" Werk - "Fisch um Fisch" - schrieb er erst mit 26.

Musik "Panik Panik"

Damals, Ende der 90er, hatte Schimmelpfennig gerade sein Regiestudium an der Otto-Falkenberg-Schule in München beendet und arbeitete als Regieassistent an den Münchner Kammerspielen.

Ein Mangel an zeitgenössischen Stücken - das war aber nicht der Grund, warum er von der Regie zum Stückeschreiber wechselte.

Roland Schimmelpfennig: "Nee, das hat eher damit zu tun, dass man in der Theatermühle als Assistent wenig Freiheiten hat seine eigenen künstlerischen Vorstellungen umzusetzen, man lernt zwar einiges, es gab Berührungen mit tollen Leuten, Herbert Achternbusch zum Beispiel, aber man bleibt eben immer der Assistent und der Kaffee-Holer."

Theaterausschnitt "Ambrosia": "Meine Damen und Herren... ich stelle fest...dass ich betrunken bin... ohne es bemerkt zu haben... also werde ich jetzt die Tafel verlassen..."

Jürgen Goschs Inszenierung des Stückes "Ambrosia" im Deutschen Theater Berlin. Die sogenannte Mittelschicht sitzt wie beim letzten Abendmahl im Lokal zusammen und lamentiert über das Leben, die Politik, die Wirtschaft: der Werbe-Yuppie, der pfeifenrauchende Großunternehmer, die Geschäftsfrau auf Stöckelschuhen. Sie erzählen nichts, aber halten sich für ungemein wichtig, trinken Alkohol bis zum Umkippen - und entblößen ihre Bedeutungslosigkeit.

Musik "Politic Kills"
Die Planungsphasen für seine Stücke sind oft endlos, erzählt der 40-jährige Dramatiker, manchmal bis zu 2 Jahre.

Schimmelpfennig: "Erst wenn man den Inhalt oder das wohin man will mit dem Stück, die Wut, die Aggression wirklich klar hat, dann kann man sich reinschmeißen, und dann fangen die Figuren an automatisch miteinander zu streiten oder zu reden..."

Theaterausschnitt "Ambrosia”: "Was machen Sie da - ist das ein nervöser Tick? Oder drücken Sie sich einen Pickel aus? Ist das ein Pickel? Nicht dran rumdrücken!"

Schimmelpfennig: "Dann geht’s nur noch um Rhythmus und Fetzen, Unvollständigkeit, Ausführlichkeit an der falschen Stelle, das Scheitern von Kommunikation, aber auch da fragt man sich am Ende der Szene: wie hab ich´s eigentlich geschrieben?"

Bitter-komisch, fantastisch und erschreckend realistisch sind seine Stücke, seine Momentaufnahmen der Großstadtbewohner, seine Gesellschaftsbilder.

Theaterausschnitt: "Zwei kleine Bier und ein Schnaps – Na also, setz dich doch! - Na rein oder raus? - Setz sich hin – Gott sei Lob in der Höh Gameboy"Das Leben entwickle einen nichtbezwingbaren Aberwitz, dem man nur mit Humor begegnen könne", sagte Schimmelpfennig einmal über seine Stücke. Übertragbar auf sein eigenes Leben in Berlin, mit Frau und zwei kleinen Kindern?

Roland Schimmelpfennig: ""Wenn ich dem Aberwitz meines Lebens immer mit Humor begegnen könnte, wäre ich glaub ich ein Stück weiter. Das ist unglaublich schlau von mir selber formuliert und ein bisschen altklug rückblickend betrachtet!"

Musik "La vida es una tombola"

Vorbilder? Keine! Prägungen - schon eher, zum Beispiel der Kolumbianer Gabriel García Márquez. Mit dessen fantastischem Realismus werden Schimmelpfennigs Stücke immer wieder verglichen. Vielleicht ein Grund, warum sie in Südamerika so oft gespielt werden, meint er.

Zum 100. Geburtstag des Poeten Pablo Neruda bekam er außerdem - als einziger Ausländer - den Auftrag ein Stück zu schreiben: "Canto Minor". Auftraggeber: das Teatro Nacional de Santiago de Chile.

Schimmelpfennig: "Die sind dann mit dem Stück über den großen Marxisten Neruda in die Arbeitervororte gegangen, haben es in Fabriken, Armutsgegenden gespielt, hatten ein mobiles Bühnenbild aus Pappwänden - Ja – große Ehre
"

Musik "Ahora qué"

Roland Schimmelpfennig: "Wenn ich nicht schreibe, was durchaus vorkommt, wenn ich nicht gerade unterrichte, im Moment unterrichte ich in Leipzig am deutschen Literaturinstitut, – dann - keine Ahnung!"

Musik "Ahora qué"

"Ich spiel E-Gitarre, hab keine Band, such auch keine, bin auch nicht gut genug, aber für den nötigen Krach zuhause reicht es."