Theater in Zeiten des Mangels

Von Michael Fengler |
Die Not in der Theater- und Orchesterlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns ist groß. Der neue Kultusminister Matthias Brodkorb (SPD) will mit den Theatern über neue Strukturen und Konzepte verhandeln. Die überlegen, wie sie zusammenarbeiten können.
Schwerin und Rostock verhandeln wieder über eine Theaterkooperation. Was jahrelang unmöglich schien, steht plötzlich wieder auf der Tagesordnung. Die Schweriner Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow reiste heute extra nach Rostock. Kaum war die Delegation des Kultusministeriums aus dem Büro des Rostocker Oberbürgermeisters heraus, eilte Angelika Gramkow hinein:

"Wir wollen reden. Miteinander."

Schwerin kann kein Geld mehr für das insolvenzbedrohte Staatstheater nachschießen. Die Stadt hat selbst ein Haushaltsloch. Das Land hat bereits mit einer halben Million Euro ausgeholfen, an seine Hilfe aber Bedingungen geknüpft. Schwerin müsse mit anderen über Kooperationen verhandeln:

"Ohne dass das Land Verantwortung übernimmt, machen solche Gespräche aber keinen Sinn."

Betont Oberbürgermeisterin Gramkow. Ab 2020 soll sich das Land weitestgehend selbst finanzieren. Mehr Geld wird es für Theater und Orchester nicht geben. Das Land wolle mit den Theatergesprächen die Neugestaltung organisieren und helfen, sagt Kulturstaatssekretär Sebastian Schröder.

"Deswegen kommt es jetzt darauf an, dass gemeinsam tragfähige Strukturen entwickelt werden und das das nicht dem Wildwuchs überlassen bleibt."

Gemeinsam! Daran will Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling das Land messen. Die Theatergespräche sind für ihn nur ein Auftakt.

"Gemeinsame Verantwortung, da verstehen wir sowohl kulturell-inhaltliche Fragen als auch finanzielle Aspekte. Das heißt aber auch, wir tragen gemeinsam Verantwortung für die Risiken auch in dem Prozess, den wir jetzt anstoßen wollen."
Das Risiko ist sehr groß. Mindestens gleichviel Theater und Musik soll es geben. Es erscheint fast unmöglich, denn Staatssekretär Schröder stellt eine Bedingung:

"Dass wir im Jahr 2020 mit dem Budget, das heute da ist, in der Lage sind, die Theaterstruktur zu bezahlen. Das wären dann 970 und ein paar Stellen, die wir uns dann noch leisten können. Das sind deutlich weniger als heute."
Alle müssen deswegen jetzt verhandeln. Land, Kommunen, Theater. Der Druck auf die Schweriner Oberbürgermeisterin ist dabei besonders groß:
"Die Situation in Schwerin ist schlimm. Wir sind konkurs – und insolvenzgefährdet. Damit ist die Situation viel prekärer als in Rostock. Denn Rostock hat jetzt Entscheidungen getroffen, wir werden sie in der nächsten Woche treffen müssen."
Ein neuer Geschäftsführer arbeitet bereits seit Sommer im Volkstheater und er hat ein Wirtschaftskonzept vorgelegt. Die Rostocker Bürgerschaft hat daraufhin den Ausstieg aus dem kommunalen Arbeitgeberverband für das Theater beschlossen. Damit sollen die Personalkosten sinken. Vielleicht ein Modell für andere, findet Oberbürgermeister Methling:

"Ich glaube, das ist ein wichtiges Zeichen. Auch darüber wird die Landesregierung nachdenken müssen, wie man mit einem solchen Signal umgeht. Ob es sich übertragen lässt auch auf die anderen Theaterstandorte in Mecklenburg-Vorpommern."
Der Intendant des Volkstheaters, Peter Leonard, will sein Haus nicht aber nur auf Kostenstellen reduziert wissen. Es gehe um mehr:

"Eigentlich sehen wir uns nicht nur als Kulturanstalt, sondern auch als Bildungsanstalt. Die Aufrechterhaltung der Demokratie ist eine Kernaufgabe der Theater!"

Das Volkstheater kämpft. Mit seinem Selbstverständnis und seiner politischen Umgebung. Und es schlägt dabei neue Wege ein: Kooperationen mit anderen Bühnen sind bereits vereinbart. Weitere Verhandlungen laufen:

"Wir sind im Gespräch mit anderen Bühnen, wie wir konstruktiv miteinander kooperieren können, um unser Angebot besser zu machen und möglichst – wirtschaftlich gesehen – effizienter zu arbeiten."
Es gibt sie also schon, Ideen und Vorschläge, wie Theater in Mecklenburg-Vorpommern weiter arbeiten könnten, auch wenn weniger Geld zur Verfügung steht. Für Rostocks Oberbürgermeister Methling ist deswegen auch eins ganz besonders wichtig:

"Das Entscheidende ist, dass auf Augenhöhe gesprochen wird und das nicht - wie in den vergangenen Jahren - von der Landesregierung Ergebnisse präsentiert werden, ohne vorherige Einbeziehung der theatertragenden Bereiche."
Genau das sollten die Theatergespräche verhindern, meint Kulturstaatssekretär Schröder.

"Wir wollen ja einen ergebnisoffenen Dialog führen mit den Theatern und den Trägern. Insofern wäre es natürlich völlig falsch und man könnte uns zu Recht Vorwürfe machen, wenn wir jetzt an die Wand eine Landkarte malen würden und sagen: Das ist es jetzt! Basta! "

So ähnlich hatte es der alte Kultusminister versucht. Über einige Jahre, aber ohne Erfolg. Zwangsfusionen und die Einteilung des Landes in Kulturräume brachten keine Lösung.

"Das ist das alte Konzept. Das alte Konzept ist gescheitert."
Sagt die Schweriner Oberbürgermeisterin Gramkow. Den Theatern und Orchestern hat das Hin und Her nicht gutgetan. Den städtischen Haushalten auch nicht. Allen fehlt Geld für den Betrieb. Jetzt müssen alle verhandeln. Anfang nächsten Jahres sollen nach den Theatergesprächen Strukturentscheidungen fallen. Dann werde es kompliziert, heißt es aus dem Kultusministerium.
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