Theater in Russland

"Ästhetische Wagnisse am gefährlichsten"

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Die russische Theaterkritikerin Marina Davydova ist 2016 Schauspieldirektorin der Wiener Festwochen © imago / fotoimedia
Marina Davydova im Gespräch mit André Mumot · 21.05.2016
In deutschsprachigen Theatern haben Dostojewskij und Tschechow Hochkonjunktur - russische Stoffe versprechen große Gefühle und Philosophie. Doch wie geht es Theatern in Russland, die sich kritisch mit dem Staat auseinandersetzen wollen?
Marina Davydova gibt das russische Theatermagazin "Teatr" heraus und hat nach einer Ausgabe, die sich der Kulturszene der Krim widmete, den Druck am eigenen Leib gespürt. Zuwendungen wurden gekürzt, man drängte auf ihren Rücktritt als Chefredakteurin.
Klein beigegeben hat sie jedoch nicht. In diesem Jahr ist sie Schauspieldirektorin der Wiener Festwochen, zu denen sie auch kritische russische Produktionen eingeladen hat. Zu Beginn eines neuen Themenschwerpunktes über Theater in Zeiten des internationalen Rechtsrucks hat André Mumot mit Marina Davydova über die aktuellen Entwicklungen in Russland, über Tabus und Risiken gesprochen.
"Am gefährlichsten sind nicht politische oder ideologisch besetzte Themen, sondern ästhetische Wagnisse. Es ist erstaunlich, aber am meisten fürchtet sich der russische Staat vor neuen Ausdrucksmitteln auf der Bühne. Selbst wenn der Regisseur das Regime nicht kritisiert, sein Stück aber auf ungewöhnliche Weise inszeniert, wird es als problematisch eingestuft. Denn die zeitgenössischen Mittel zwingen das Publikum, über vieles nachzudenken und während der Vorstellung zu eigenen Schlüssen zu kommen. Und alle Menschen, die nachdenken wollen und können, sind gefährlich für den Staat."
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