Theater in der Türkei

"Alles ist staatlich durchkontrolliert"

Skyline von Istanbul in der Abendsonne.
Skyline von Istanbul in der Abendsonne © AFP / Daniel Mihailescu
Frank Heuel im Gespräch mit Janis El-Bira · 11.03.2017
In der Türkei haben es Theatermacher derzeit schwer. Der deutsche Regisseur Frank Heuel, der in Istanbul mehrere Stücke inszeniert hat, berichtet von Repressionen und politischer Einflussnahme sowohl gegen staatliche als auch freie Theater.
Bereits seit den Gezi-Protesten, vor allem aber nach dem Putschversuch vom Juli 2016 sind türkische Theater offenbar massiver politischer Beeinflussung ausgesetzt. Staatliche und städtische Bühnen in Istanbul seien geradezu "staatlich durchkontrolliert", sagte der Regisseur Frank Heuel im Deutschlandradio Kultur.
"Die sind zentral gesteuert, jeder Spielplan wird vorgelegt, die Besetzungen werden gecheckt, die Regisseure, die Schauspieler, die einzelnen Stoffe, dann die Inszenierungen. Während der Inszenierung kommt noch mal jemand vorbei und guckt. Da geht also überhaupt nichts."
Während seiner Zeit in Istanbul seien auch Regisseure abgesetzt und ihnen die Arbeit entzogen worden, berichtet Heuel. Oder man habe unliebsame Schauspieler und Regisseure einfach aus den Proben "rausgeholt".

Staatliche Unterstützung der freien Theater weitgehend gestrichen

Heuel selbst hat im Rahmen des Artist-in-Residence-Programms der Kunststiftung NRW mehrere Stücke an freien Theatern in Istanbul inszeniert. Auch die Off-Theater seien unter Druck, betont er. Allerdings würden in diesem Bereich diffusere Methoden angewandt:
"Es gibt kaum noch ein freies Theaterhaus oder eine Gruppe, die dort Unterstützung erhält von staatlicher Seite. Und um das noch weiterzutreiben, hat man dann die Steuereinnahmen für freie Theater hochgesetzt. Normalerweise zahlen die Theater in Istanbul zehn Prozent auf alle Eintrittseinnahmen. Wenn du jetzt aber einen Autor oder einen Text spielst, der nicht auf der 'guten Liste' – in Anführungsstrichen – steht, zahlen die 18 Prozent."
Das habe im Bereich der freien Theater zu einem "wirtschaftlichen Sterben" geführt.

Mit Metaphern die aktuelle Lage kommentieren

Er selbst habe bei seiner Arbeit jedoch nicht mit Zensurdruck zu tun gehabt, so Heuel. Das könne allerdings daran liegen, dass die Autoren bereits beim Schreiben darauf geachtet hätten, dass es nicht so weit komme. So sei das Stück "Zwischenhalt", das er in Istanbul inszeniert hat, eine Auftragsarbeit des kurdischen Autors Mirza Metin gewesen.
"Er spricht über die aktuelle Situation, aber eben in Metaphern. Er sagt: Es zieht ein großer Sturm auf, deshalb müssen wir das Land verlassen."
Trotz dieser Schwierigkeiten sieht Heuel bei den Theaterleuten in der Türkei eine große Entschlossenheit, weiterzumachen. "Aber es gibt nicht dieses Moment: Jetzt muss alles raus und auf die Gefahr hin, dass wir geschlossen werden." Auch Heuel selbst will seine Arbeit in Istanbul fortsetzen. (uko)
Mehr zum Thema