Theater für die Digital Natives

Wie Zuschauer in einer vernetzten Welt funktionieren

08:29 Minuten
Eine Laptop-Benutzerin mit dunklem Brillengestell blickt auf ein WhatsApp-Symbol.
Wie funktioniert die Wahrnehmung von Digital Natives? Eine Tagung in Berlin geht der Frage nach, wie zukünftig Theater aussehen kann. © picture alliance/dpa/Geisler-Fotopress
Katja Grawinkel-Claassen im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 04.05.2019
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Theater muss sich ändern, um die Generation der Digital Natives zu erreichen. Dramaturgien müssen grundsätzlich überdacht werden. Doch nicht nur die Themen, auch die Orte des Theaters wandeln sich, sagt Dramaturgin Katja Grawinkel-Claassen.
Wie verändert sich das Theater, wenn diejenigen die Regie übernehmen, die sich eine Welt ohne digitale Vernetzung, smarte Endgeräte und soziale Netzwerke nicht mehr vorstellen können? Für Katja Grawinkel-Claassen vom Forum Freies Theater (FFT) Düsseldorf steht fest: Erzählungen und Dramaturgien, Räume und Begegnungen müssen für das Publikum der Digital Natives neu gedacht oder zumindest grundsätzlich überdacht werden. Im Umkehrschluss werden auch Autoren und Regisseure dieser Generation andere Geschichten zu erzählen haben – oder bekannte Geschichte einfach ganz anders, ist Grawinkel-Claassen überzeugt.

Die Art des Zuschauens wird sich ändern

Muss das Theater der Zukunft eine Mischung aus Game, Performance und Escape Room sein – ein verschlossener Raum, aus dem eine Gruppe von Leuten sich befreit, indem sie gemeinsam Aufgaben löst? "Ich glaube, das Theater wird sich tatsächlich die Frage stellen müssen, wie wir die Aktivität des Zuschauens in Zukunft anders definieren. Wir haben eine Vorstellung vom Publikum und davon, was Zuschauerin und Zuschauer so machen. Und ich denke, das ist etwas, das sich in erster Linie ganz stark verändern wird", sagte Katja Grawinkel-Claassen, die sich derzeit zu diesem Thema im Rahmen der Tagung "Theater und Netz" mit Kollegen bei einem Panel austauscht.
Die Zuschauer kämen zusammen, um nicht einfach nur zu schauen und zu hören, sondern "um zu spielen, mitzumachen – also, dass wir stärker eingebunden werden als Zuschauerin und Zuschauer und viel stärker Verantwortung übernehmen für das, was dann im Theater am Abend passiert".

Im Zentrum steht nicht der klassische Theatersaal

Für das Theater der Digital Natives stehe nicht so sehr der klassische große Theatersaal mit weitläufiger Bühne im Vordergrund, sondern das, was erzählt werden solle. Insofern müsse auch überlegt werden, wie Theaterräume künftig beschaffen sein müssten, sagt Grawinkel-Claassen.
Was die Themenwahl anbelange, so gehe es nicht etwa darum, nur Geschichten zu inszenieren, "die direkt das Internet ansprechen, sondern man muss sich überlegen: Wie funktioniert ein Gehirn beziehungsweise ein Mensch, der nur diese vernetzte Welt kennt? Welche Arten von Ästhetik sind ganz normal für ihn, weil er oder sie im Internet unterwegs ist? Welche Formen von Überwachung werden aber auch mitgedacht – welche Formen von Konsumkultur sind ganz normal und umgeben uns jeden Tag?"
All das müsse mit ins Theater kommen. Die Dramaturgin hält das Freie Theater für besonders geeignet, um auf solche neuen Herausforderungen zu reagieren: Die offenen und partizipativen Strukturen von freien Gruppen seien ein guter Nährboden für neue Formen des Theaters.
(mkn)
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