Theater der geschwollenen Stirnader
Der Regisseur Volker Lösch knüpft mit dieser Inszenierung an eine von ihm selbst kreierte Traditionslinie an, die ihm zunehmenden Erfolg gebracht hat – den Versuch, auf ganz eigene Weise klassische Texte durchlässig zu machen für unsere heutige Wirklichkeit. Dabei gibt er Menschen und Menschengruppen eine Stimme, die in der gesellschaftlichen Realität ihre Stimme verloren haben.
In seiner Dresdner „Weber“-Inszenierung kamen Hartz-IV-Empfänger und Arbeitslose aus der Stadt zu Wort und berichteten von demütigenden Erlebnissen auf Arbeits-und Sozialämtern, und diese Erlebnisse erinnerten an das Los der schlesischen Weber. In seiner Stuttgarter Inszenierung von „Medea“, jenem Stück über das Problem des Fremdseins, erzählten 15 Frauen von ihren heutigen Erfahrungen von Fremdheit und Ablehnung, und in seiner „Wut“-Inszenierung protestierten 15 aufgebrachte Jugendliche mit Migrationshintergrund gegen die von ihnen erfahrene Ausgrenzung und soziale Ungerechtigkeit.
In der Bremer Inszenierung von Schillers „Die Räuber“ sind es nun 30 Jugendliche aus der Bremer linken Szene, aus Antifa-Gruppen, aus der Fangruppe des Fußballclubs Werder, aus der Punkszene und aus Wohnheimen von jungen Russlanddeutschen. Sie erzählen von ihren Zukunftshoffnungen und ihren Ängsten, von ihren persönlichen Utopien und von den Zuständen, die sie verändern wollen.
Ein Punk beschreibt seinen Traum, einfach ein Auto zu klauen und ohne Ziel wegfahren zu wollen, und ein junger Russlanddeutscher klagt darüber, dass er auch mit Einbürgerungsschein ewig als Russe gebrandmarkt sein wird.
Auf einmal hören wir von einem, der wie die schimpfenden und träumenden Jugendlichen gekleidet ist und aus deren Reihen hervortritt, einen Text aus Schillers Stück: " Pfui über das schlappe Kastratenjahrhundert“. Die Grenzen zwischen den Jugendlichen von der Straße und den Schillerfiguren verschmelzen, nicht in einer „Schenke an der sächsischen Grenze“ treffen sie sich, sondern in einem Diskoschuppen und schließen sich zu einer Gang zusammen, die fortan in rotem Einheitsfrack und mit Kalaschnikows bewaffnet auf Rachefeldzug gehen wird.
Das „Kastratenjahrhundert“, was sie meinen, ist die heutige Welt, die keine Orientierungen und Werte zu vermitteln weiß und als deren verabscheute Repräsentanten sie die Politiker Westerwelle, Merkel und Stoiber ausmachen.
Am Ende, wenn alle Schillerfiguren hingemäht sind, treten die Bremer Jugendlichen noch einmal an die Rampe und stellen ihre Forderungen: Mindestlohn und soziale Gerechtigkeit. Wie so oft sind von der klassischen Vorlage nur wenige Figuren übrig geblieben: Franz, Karl, Amalia und der alte Moor. Motive von Figurenverhalten wurden verändert, Texte anderen Figuren als von Schiller vorgesehen in den Mund gelegt.
Der alte Moor ist ein geläuterter 68er und fordert seinen Sohn Karl auf, umzukehren und sich am Aufbau der Demokratie zu beteiligen. Der zerschlägt dessen Preisungen der 68er-Bewegung und weist in den Zuschauerraum, als würden dort die „umgefallenen“ ehemaligen Dutschke-Anhänger sitzen.
Das Problem der Aufführung: Sie ist zu laut, zu undifferenziert. Angestrengtheit im Schauspielerischen beginnt den Zuschauer anzustrengen. Ein Theater der geschwollenen Stirnader reduziert die Figuren auf einen grell heraus geleuchteten Zug ihrer Erscheinung. Franz ist durchgängig der schreiende, stampfende, sabbernde Hasenfuß. Verloren gegangen ist dessen menschenverachtende brillante Rhetorik. Amalia ist von Beginn an die um sich schlagende und spuckende Kratzbürste.
Wenn Spiegelberg und Karl von der Räuberbande mit gleichem Enthusiasmus ob ihrer Zukunftspläne bejubelt werden, sind die fundamentalen Unterschiede ihrer Motivation von Gewaltanwendung aufgehoben. Der schauspielerischen Vereinseitigung allerdings steht Löschs gewachsene Meisterschaft im Choreografischen und Rhythmischen gegenüber. Manche Räuber-Szenen atmen dadurch tatsächlich dieses „in tyrannos“, das Schiller über sein Stück schrieb und von dem sich Lösch nach eigenem Bekunden angeregt fühlte.
In der Bremer Inszenierung von Schillers „Die Räuber“ sind es nun 30 Jugendliche aus der Bremer linken Szene, aus Antifa-Gruppen, aus der Fangruppe des Fußballclubs Werder, aus der Punkszene und aus Wohnheimen von jungen Russlanddeutschen. Sie erzählen von ihren Zukunftshoffnungen und ihren Ängsten, von ihren persönlichen Utopien und von den Zuständen, die sie verändern wollen.
Ein Punk beschreibt seinen Traum, einfach ein Auto zu klauen und ohne Ziel wegfahren zu wollen, und ein junger Russlanddeutscher klagt darüber, dass er auch mit Einbürgerungsschein ewig als Russe gebrandmarkt sein wird.
Auf einmal hören wir von einem, der wie die schimpfenden und träumenden Jugendlichen gekleidet ist und aus deren Reihen hervortritt, einen Text aus Schillers Stück: " Pfui über das schlappe Kastratenjahrhundert“. Die Grenzen zwischen den Jugendlichen von der Straße und den Schillerfiguren verschmelzen, nicht in einer „Schenke an der sächsischen Grenze“ treffen sie sich, sondern in einem Diskoschuppen und schließen sich zu einer Gang zusammen, die fortan in rotem Einheitsfrack und mit Kalaschnikows bewaffnet auf Rachefeldzug gehen wird.
Das „Kastratenjahrhundert“, was sie meinen, ist die heutige Welt, die keine Orientierungen und Werte zu vermitteln weiß und als deren verabscheute Repräsentanten sie die Politiker Westerwelle, Merkel und Stoiber ausmachen.
Am Ende, wenn alle Schillerfiguren hingemäht sind, treten die Bremer Jugendlichen noch einmal an die Rampe und stellen ihre Forderungen: Mindestlohn und soziale Gerechtigkeit. Wie so oft sind von der klassischen Vorlage nur wenige Figuren übrig geblieben: Franz, Karl, Amalia und der alte Moor. Motive von Figurenverhalten wurden verändert, Texte anderen Figuren als von Schiller vorgesehen in den Mund gelegt.
Der alte Moor ist ein geläuterter 68er und fordert seinen Sohn Karl auf, umzukehren und sich am Aufbau der Demokratie zu beteiligen. Der zerschlägt dessen Preisungen der 68er-Bewegung und weist in den Zuschauerraum, als würden dort die „umgefallenen“ ehemaligen Dutschke-Anhänger sitzen.
Das Problem der Aufführung: Sie ist zu laut, zu undifferenziert. Angestrengtheit im Schauspielerischen beginnt den Zuschauer anzustrengen. Ein Theater der geschwollenen Stirnader reduziert die Figuren auf einen grell heraus geleuchteten Zug ihrer Erscheinung. Franz ist durchgängig der schreiende, stampfende, sabbernde Hasenfuß. Verloren gegangen ist dessen menschenverachtende brillante Rhetorik. Amalia ist von Beginn an die um sich schlagende und spuckende Kratzbürste.
Wenn Spiegelberg und Karl von der Räuberbande mit gleichem Enthusiasmus ob ihrer Zukunftspläne bejubelt werden, sind die fundamentalen Unterschiede ihrer Motivation von Gewaltanwendung aufgehoben. Der schauspielerischen Vereinseitigung allerdings steht Löschs gewachsene Meisterschaft im Choreografischen und Rhythmischen gegenüber. Manche Räuber-Szenen atmen dadurch tatsächlich dieses „in tyrannos“, das Schiller über sein Stück schrieb und von dem sich Lösch nach eigenem Bekunden angeregt fühlte.