Theater als Gameshow und Psycholabor
Es kommt fast ohne Sprache aus, vermag aber auch nicht so recht Denkanstöße zu vermitteln: Viktor Bodós Theaterstück „Social Error“ ist eine verspielte kleine Gameshow, die aber viel Wirkung durch ihren demonstrativ unerträglichen Moderator einbüßt. Kein starker Abend – doch durch seine raffinierte Konstruktion wird das Stück in jeder Stadt anders sein.
Mit dem eigenen freien Ensemble, der Szpútnik Shopping Company, ist der Regisseur Viktor Bodó in Budapest zu Hause; er arbeitet aber auch für Stadt- und Staatstheater – und mit Peter Handkes stummem Stück „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“, inszeniert am Theater in Graz, war er vor drei Jahren eingeladen zum Theatertreffen nach Berlin.
Bodó hat einen speziellen Sinn für die Überwindung von Sprachgrenzen – und lässt darum Text gern weg. Auch Bodós jüngste Produktion, ausprobiert schon Anfang des Jahres in Graz, kommt im Grunde ohne Text und Sprache aus – und kann darum umstandslos durch Europa reisen. Zehn Profile stark ist Viktor Bodós eigene „Szpútnik Shipping Company“, jeweils fünf Ensemble-Mitglieder aus dem gastgebende Theater kommen hinzu – und werden prompt Teil jener amorphen Masse, die in verschiedensten und ebenso strategischen wie dynamischen Spielen die Gruppe an sich erforschen, die Masse und wie jeder und jede Einzelne in ihr funktioniert; miteinander, gegeneinander, konform mit der Masse oder als Einzelgänger.
Ein Moderator führt durch dieses verspielte kleine Psycho-Labor; der kommt in jedem Fall vom lokalen Theater und funktioniert wie eine Art Anker vor Ort. Aus dem außerordentlich international sortierten Mainzer Ensemble nutzte Zlatko Maltar für das Arrangement der Spiele allerdings mit beunruhigend aufgeplustertem Show- und Macho-Gehabe viel zu viele Zutaten extrem dummerhafter Spiel-Shows, wie sie in privaten Fernsehprogrammen Alltag sind.
Dabei geht’s Bodó natürlich um nichts weniger als die kollektiven Irrtümer und Abwege der Welt, wie sie ist. Eine indische Weisheit platziert er gleich zu Beginn auf der Video-Wand im Hintergrund – grausam und verrückt sei die Welt, grausam und verrückt sei der Mensch, der sie sich genau so eingerichtet hat; so, dass sie passt.
Dann tritt das „Szpútnik“-Ensemble an – jeder biometrisch vermessen im Video und erkannt auf der Bühne; die fünf Mainzer ("Mitteleuropäer“ blödelt der Moderator – als wären Ungarn das nicht!) stoßen dazu. Sie rennen und robben zum Warmwerden über die Bühne, während im Hintergrund schon Massen marschieren; dann aber wird bald schon gelitten, getötet und misshandelt im Namen des Unrechts, das auf Erden in vielen Sprachen „Ordnung“ heißt – und auch die Spiele des Ensembles verschärfen sich. Rundum wird jeder und jede ziemlich oft erschossen; und steht froh und munter wieder auf nach dem Massaker – ist ja alles nur Spiel!
Ja, ziemlich plakativ geht’s zu im Wechselbild zwischen Spielszenen und Video. Und nur gelegentlich verhilft speziell das Sound-System den sehr pädagogisch strukturierten Spielen zu jenem „schwarzen Humor“, zu jener dunklen Ironie, von der das opulente Programmbuch der offenbar auch recht opulent geförderten Bodó-Truppe raunt – wie überhaupt dieses Buch allemal mehr Denkanstöße vermittelt als das Theater, etwa mit dem Hinweis auf das noch viel zu wenig bekannte Gesellschaftsspiel „Sociopoly“.
Am erfahrungsreichsten im Spielesortiment auf der Bühne gerät wohl das im virtuellen Büro, wenn das Ensemble komplett an Schreibtische verteilt wird und auf Sirenensignale hin mobbt und denunziert, kollektiv hasst oder liebt oder tanzt und jeder und jede auch irgendwann mal dran ist mit einer öffentlichen Selbstbezichtigung. Auch die rasante Improvisation einer Gruppen-Choreografie kann überzeugen. Jeder und jede gestaltet sie mit in Form irgendeiner Bewegungsminiatur.
Immer wieder geht’s um Druck, Dynamik und Profile in der Gruppe; und wer will, mag das akzeptieren als einigermaßen politischen Kommentar zu den Funktionsmechanismen der Gesellschaft, wie sie ist und absehbar bleibt. Der kurze, kleine Abend hat ein sehr seriöses Motiv – verdaddelt aber viel mögliche Wirkung durch die demonstrative Unerträglichkeit des Moderators.
Gegen Ende, als es dann vielleicht doch noch um das massive Motto des Abends gehen und also endlich „Der letzte Mensch von Mainz“, der durch all diese Spiele hindurch triumphierende Sieger des Abends, gekürt werden soll, wird’s besonders abstrus – erst bejubelt der Moderator sich selber als letzten und wichtigsten Menschen am Ende aller Spiele. Das ist schon peinlich.
Dann geht er ins Publikum und kürt ohne lang hinzuschauen irgendwen (in diesem Fall ausgerechnet den Autor dieses Berichts, was noch ein bisschen peinlicher war) – er markiert so recht drastisch den „Social Error“, den eingebauten Irrtum in der Sozialstruktur. Und „Der letzte Mensch“, der Überlebende in diesem Fall von Mainz, sind letztlich wir alle – weil wir so brav durchgehalten und auch Spiele über fiktive Samenspenden und dekoratives Rumgevögel protestfrei überstanden haben.
Das ist kein starker Abend gewesen – aber jede Bühne, ob in Budapest oder Ende Mai in Leipzig bei den „Festspielen“, im rumänischen Cluj oder im italienischen Parma, hat ja tendenziell die Chance, es besser hinzukriegen; zum Beispiel mit der Moderation. Viktor Bodó hat wenn schon kein starkes Projekt so doch ein extrem pfiffiges Modell forcierter europäischer Internationalität zustande gebracht.
Bodó hat einen speziellen Sinn für die Überwindung von Sprachgrenzen – und lässt darum Text gern weg. Auch Bodós jüngste Produktion, ausprobiert schon Anfang des Jahres in Graz, kommt im Grunde ohne Text und Sprache aus – und kann darum umstandslos durch Europa reisen. Zehn Profile stark ist Viktor Bodós eigene „Szpútnik Shipping Company“, jeweils fünf Ensemble-Mitglieder aus dem gastgebende Theater kommen hinzu – und werden prompt Teil jener amorphen Masse, die in verschiedensten und ebenso strategischen wie dynamischen Spielen die Gruppe an sich erforschen, die Masse und wie jeder und jede Einzelne in ihr funktioniert; miteinander, gegeneinander, konform mit der Masse oder als Einzelgänger.
Ein Moderator führt durch dieses verspielte kleine Psycho-Labor; der kommt in jedem Fall vom lokalen Theater und funktioniert wie eine Art Anker vor Ort. Aus dem außerordentlich international sortierten Mainzer Ensemble nutzte Zlatko Maltar für das Arrangement der Spiele allerdings mit beunruhigend aufgeplustertem Show- und Macho-Gehabe viel zu viele Zutaten extrem dummerhafter Spiel-Shows, wie sie in privaten Fernsehprogrammen Alltag sind.
Dabei geht’s Bodó natürlich um nichts weniger als die kollektiven Irrtümer und Abwege der Welt, wie sie ist. Eine indische Weisheit platziert er gleich zu Beginn auf der Video-Wand im Hintergrund – grausam und verrückt sei die Welt, grausam und verrückt sei der Mensch, der sie sich genau so eingerichtet hat; so, dass sie passt.
Dann tritt das „Szpútnik“-Ensemble an – jeder biometrisch vermessen im Video und erkannt auf der Bühne; die fünf Mainzer ("Mitteleuropäer“ blödelt der Moderator – als wären Ungarn das nicht!) stoßen dazu. Sie rennen und robben zum Warmwerden über die Bühne, während im Hintergrund schon Massen marschieren; dann aber wird bald schon gelitten, getötet und misshandelt im Namen des Unrechts, das auf Erden in vielen Sprachen „Ordnung“ heißt – und auch die Spiele des Ensembles verschärfen sich. Rundum wird jeder und jede ziemlich oft erschossen; und steht froh und munter wieder auf nach dem Massaker – ist ja alles nur Spiel!
Ja, ziemlich plakativ geht’s zu im Wechselbild zwischen Spielszenen und Video. Und nur gelegentlich verhilft speziell das Sound-System den sehr pädagogisch strukturierten Spielen zu jenem „schwarzen Humor“, zu jener dunklen Ironie, von der das opulente Programmbuch der offenbar auch recht opulent geförderten Bodó-Truppe raunt – wie überhaupt dieses Buch allemal mehr Denkanstöße vermittelt als das Theater, etwa mit dem Hinweis auf das noch viel zu wenig bekannte Gesellschaftsspiel „Sociopoly“.
Am erfahrungsreichsten im Spielesortiment auf der Bühne gerät wohl das im virtuellen Büro, wenn das Ensemble komplett an Schreibtische verteilt wird und auf Sirenensignale hin mobbt und denunziert, kollektiv hasst oder liebt oder tanzt und jeder und jede auch irgendwann mal dran ist mit einer öffentlichen Selbstbezichtigung. Auch die rasante Improvisation einer Gruppen-Choreografie kann überzeugen. Jeder und jede gestaltet sie mit in Form irgendeiner Bewegungsminiatur.
Immer wieder geht’s um Druck, Dynamik und Profile in der Gruppe; und wer will, mag das akzeptieren als einigermaßen politischen Kommentar zu den Funktionsmechanismen der Gesellschaft, wie sie ist und absehbar bleibt. Der kurze, kleine Abend hat ein sehr seriöses Motiv – verdaddelt aber viel mögliche Wirkung durch die demonstrative Unerträglichkeit des Moderators.
Gegen Ende, als es dann vielleicht doch noch um das massive Motto des Abends gehen und also endlich „Der letzte Mensch von Mainz“, der durch all diese Spiele hindurch triumphierende Sieger des Abends, gekürt werden soll, wird’s besonders abstrus – erst bejubelt der Moderator sich selber als letzten und wichtigsten Menschen am Ende aller Spiele. Das ist schon peinlich.
Dann geht er ins Publikum und kürt ohne lang hinzuschauen irgendwen (in diesem Fall ausgerechnet den Autor dieses Berichts, was noch ein bisschen peinlicher war) – er markiert so recht drastisch den „Social Error“, den eingebauten Irrtum in der Sozialstruktur. Und „Der letzte Mensch“, der Überlebende in diesem Fall von Mainz, sind letztlich wir alle – weil wir so brav durchgehalten und auch Spiele über fiktive Samenspenden und dekoratives Rumgevögel protestfrei überstanden haben.
Das ist kein starker Abend gewesen – aber jede Bühne, ob in Budapest oder Ende Mai in Leipzig bei den „Festspielen“, im rumänischen Cluj oder im italienischen Parma, hat ja tendenziell die Chance, es besser hinzukriegen; zum Beispiel mit der Moderation. Viktor Bodó hat wenn schon kein starkes Projekt so doch ein extrem pfiffiges Modell forcierter europäischer Internationalität zustande gebracht.