Thea Dorn: "deutsch, nicht dumpf: Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten"
Albrecht Knaus Verlag, München 2018
336 Seiten, 24 Euro, als e-book 19,99 euro
Plädoyer für einen aufgeklärten Patriotismus - ohne AfD
Plädoyer für den Nationalstaat und gleichzeitig Absage an den "pöbelnden Muffhaufen, der Ressentiments schürt": In ihrem neuen Buch grenzt sich Thea Dorn gegenüber Rechten gleichermaßen ab wie gegenüber denen, die Deutschlands Identität allein im "Nie wieder" sehen.
Wie viel Patriotismus braucht Deutschland? Das fragt die Schriftstellerin und Philosophin Thea Dorn in ihrem neuen Buch "deutsch, nicht dumpf. Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten". Darin mahnt sie, Themen wie Heimat, Leitkultur und Nation nicht den Rechten zu überlassen.
Dorn beginnt mit der Frage: Darf man dieses Land überhaupt lieben? "Es ist, glaube ich, ein langer Prozess, den man durchmachen muss, bis man sich überhaupt die Frage stellt und sie am Schluss vielleicht mit Ja beantwortet", so Thea Dorn im Deutschlandfunk Kultur. "Wenn Sie mich in den 1980ern gefragt hätten oder auch noch in den 1990ern, hätte ich gesagt: 'Um Gottes Willen, warum denn?' Es gibt sechs Millionen und mehr Gründe, sich für dieses Land zu schämen, oder vielleicht auch, dieses Land zu verachten, zu hassen."
Ist der Nationalstaat besser als sein Ruf?
Mittlerweile sei ihr jedoch klar geworden, dass man mit dieser Haltung 70, 80 Jahre nach dem Ende des Nazi-Terrors nicht auf Dauer durchkommen werde. "Ich glaube, es muss uns gelingen, eine positive Identität, einen positiven Bezug zu diesem Land zu finden. Was natürlich nicht heißt, dass jemals relativiert werden darf, was dieses Land an Verbrechen auf dem Kerbholz hat", so die Philosophin. "Aber ich glaube, dass der Gründungsmythos der Bundesrepublik, dass man seine Identität einzig daraus bezieht, zu sagen: 'Nie wieder die Verbrechen!' - Das reicht alleine nicht."
Dorn kritisiert außerdem die zunehmende "Ich-Bezogenheit" und "Egozentrik", in die sich Menschen in der westlichen Welt zunehmend hineinmanövriert hätten, wo gelte: "Der größte Bezugspunkt bin ich mit meinen Befindlichkeiten. Und man soll mir möglichst alles, was verlangt, von mir zu abstrahieren und zu sagen: Es gibt was Größeres, für das ich möglicherweise – pathetisch gesagt – kämpfen muss." Diese Haltung könne man sich angesichts der Weltlage aber nicht leisten.
Die alles entscheidende Gretchenfrage sei natürlich, ob dieser Bezugspunkt zu etwas Größerem die Nation sein müsse. "Und da schließe ich mich letztlich an Ralf Dahrendorf an, der auch sagt: Der heterogene Nationalstaat ist besser als sein Ruf", sagt Dorn. So sei etwa eine Qualität des Nationalstaats, dass er als erster und bis auf Weiteres auch als einzige die Bürger- und Freiheitsrechte garantieren könne.
"Erklärung 2018" ein Verkürzung und "Sündenbocksuche"
Scharf grenzt sich die Philosophin gleichzeitig gegen konservative Tendenzen und klammheimliche AfD-Sympathien ab, die sie im bildungsbürgerlichen Milieu zu beobachten glaubt. Als Beispiel führt sie die sogenannte "Erklärung 2018" an:
"Die gröbste Dummheit, die wir machen können, ist, wie es die Erklärung 2018 tut, die ja zahlreiche Intellektuelle aus dem konservativen Milieu unterschrieben haben, zu sagen: 'Eigentlich ist das größte Problem diese illegale Migration'", sagt Dorn. "Ich war auch nicht glücklich mit dem, was 2015 in diesem Land passiert ist. Aber es ist vollkommen kurzsichtig und unredlich zu sagen: 'Das ist unser größtes Problem.' Wir sind an so vielen Fronten herausgefordert, dass das eine Verkürzung und eine Sündenbocksuche ist, die gerade in diesem Land nicht wieder passieren darf."
Im Übrigen warnt Dorn, man solle sich nicht zu sicher sein, dass "dass nicht auch aus unserem Milieu die ersten anfangen, AfD zu wählen." Sie sei fassungslos, dass reflektierte und gebildete Menschen sich klammheimlich über eine Partei freuen könnten, die zunehmend rechtsradikal werde. "Ich war noch nicht so AfD-skeptisch, als die sich gegründet haben, die aber heute doch im Wesentlichen ein pöbelnder Muffhaufen ist, der Ressentiments schürt."
(uko)