"The Tree"

Gesehen von Hannelore Heider · 02.03.2011
In der Verfilmung der australischen Romanvorlage "Our Father, Who Art in the Trees" erzählt die französische Regisseurin Julie Bertuccelli von der Trauer einer Familie in der australischen Wildnis.
Abgeschieden und sich selbst genug, lebte die Familie in einem einfachen Haus unter einem großen Feigenbaum, in den der Vater zu Beginn des Filmes nach einem Herzinfarkt am Steuer seines Autos fährt und stirbt. Von da an hört die achtjährige Simone (Morgana Davis) im Rauschen der Blätter die Stimme des Vaters. Sie baut sich in den starken Ästen eine Behausung, schmückt die Zweige und versucht auch die völlig apathische Mutter Dawn (Charlotte Gainsbourg) vom Weiterleben des Vaters in diesem Baum zu überzeugen.

Das sind zu Beginn sehr schöne, intensive Szenen über eine mystische und poetische Form des Trauerns, zu der aber nur die beiden weiblichen Wesen fähig zu sein scheinen. Sie bilden mit dem Kult um diesen Baum eine verschworene Gemeinschaft. Simone lässt sich auch von ihrem älteren Bruder (Christian Byers) nicht beirren, zumal der Baum im Laufe der Erzählung ein mächtiges Eigenleben gewinnt. Seine Äste unterhöhlen das Haus, die Wurzeln verstopfen die Rohre und scheinen allerlei Getier einzuschleusen. So wird dieser Baum zur Gefahr für den langsam einkehrenden Alltag der Familie, dem sich die kleine Simone eifersüchtig verweigert.

Die Nachbarn dringen auf das Abholzen des Baumes, und selbst als der Baum bei einem Sturm das Haus zerschlägt, hält das Kind mit irrationaler Kraft an diesem Trauerkult fest. Sie gefährdet damit den einst so engen Zusammenhalt in der Familie und ein neues Leben für ihre Mutter, die mit dem Klempner George (Marton Csokas) einen neuen Mann kennen gelernt hat.

Leider vermag die Regisseurin keinerlei Distanz zu ihrer von Morgana Davis sicher bezaubernd gespielten und in ihrer Beharrlichkeit auch beeindruckenden kleinen Heldin aufzubauen. Im Gegenteil, sie idealisiert ihr Verhalten und überträgt es als moralischen Maßstab auf die als ausschließlich unverständig dargestellte Umwelt. Das ist zunehmend unangenehm anzusehen und wertet die wertvollen Szenen am Beginn des Filmes ab.

Was sich einprägt, ist wieder einmal die Leistung von Charlotte Gainsbourg, die auch die diffizilsten Momente tiefer Traumatisierung ohne Pathos glaubwürdig darstellen kann.

Frankreich/Australien/Deutschland/Italien 2010; Originaltitel: "L'Arbre"; Regie: Julie Bertucelli; Darsteller: Charlotte Gainsbourg, Marton Csokas, Morgana Davies, Christian Byers, Tom Russell, Gabriel Gotting; FSK: ab 6 Jahren; Länge: 92 Minuten

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