"The New Infinity"

Planetarien als Orte der Kunst

05:53 Minuten
Konzert von Richard Reed Parry mit den anwesenden Musikern im Planetarium Hamburg.
Auch Richard Reed Parry gab im Planetarium Hamburg bereits ein Konzert. © JF Lalonde
Von Juliane Reil · 13.08.2019
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Hypnotische Klänge, unendliche Weite – unter der Kuppel des Hamburger Planetariums können Besucher in völlig neue Klangwelten eintauchen. Die Reihe "The New Infinity" zeigt unter anderem Werke von Agnieszka Polska und Robert Lippok.
Wo sonst Sterne über den Köpfen leuchten und Planeten rotieren, schweben Schrauben und ein umgekippter Farbeimer – als wäre die Zeit angehalten, bevor sie zu Boden fallen. Dieses Bild steht am Anfang der Fulldome-Arbeit von Agnieszka Polska. Einse von insgesamt drei Werken verschiedener Künstler und Künstlerinnen, die für die Reihe "The New Infinity" entstanden sind. Im Zusammenspiel von Video und Musik sollen die Grenzen des Raumes aufgelöst werden, damit sich ein Gefühl von Unendlichkeit und Immersion einstellen kann: Der Besucher soll quasi komplett in eine andere Welt reingezogen werden.
"Im Unterschied zu einem Kino zum Beispiel, wo man eine Leinwand hat - da hat man die vier Grenzen: oben, unten, links und rechts", sagt Sascha Kriegel. Er leitet die Abteilung "Content und Technik" im Planetarium Hamburg.
"Diese Grenzen haben wir hier nicht. Das heißt, wenn man hier den Blick wandern lässt, ist man immer noch im Bild, in der Szene, in der Welt. Und genauso gilt das ja auch für das Audio. Das Audio wird hier unterstützt durch das Bild. Das gibt es in der Form nur hier im Planetarium und dann mit bis zu 253 Leuten ist das eben auch ein gruppen-immersives Erlebnis, das man auch zum Beispiel mit Techniken wie diesen VR-Brillen zuhause nicht erleben kann."

Komplexe Klangwelten

Eine Stimme aus der Ferne, die singt. Chöre mit einer scheinbar unendlichen Weite verteilt im Raum, die auf einmal wie eine Welle in der Mitte der Kuppel brechen. Echos, die von allen Seiten an das Ohr dringen. Die 32 Lautsprecher im Sternensaal können Audio-Inhalte richtungsgerecht und zwei- oder sogar dreidimensional wiedergeben werden. Das ist ein ziemlich intensives Sounderlebnis, bei dem einem mitunter schwindelig werden kann. So differenziert die Technik des Hamburger Planetariums ist, so herausfordernd und beflügelnd ist es, mit diesen technischen Möglichkeiten kompositorisch umzugehen.
Roter und blaue abstrakte Flächen und Kreise von Robert Lippok & Lucas Gutierrezbei "The New Infinity. Neue Kunst für Planetarien" in Hamburg.
"Non face" heißt die Arbeit von Robert Lippok Lucas Gutierrez, die im Hamburger Planetarium gezeigt wird.© obert Lippok & Lucas Gutierrez
"Ich musste im Vorfeld schon immer bedenken, dass man den Klang bewegen kann, also dass der Klang innerhalb der Kuppel wandern kann", erklärt Robert Lippok. "Ich habe einen Kinderfilm dort gesehen, ein Hai schwimmt durch die Kuppel und das Geräusch des Hais wandert dann mit dem Hai mit. Das ist schön und interessant, aber natürlich ist es noch interessanter, wenn man eine Aktion nicht akustisch begleitet, sondern wenn man die vielleicht auch konterkariert: Wenn man eine Bewegung sieht, aber das Geräusch kommt hinter einem.

Hypnotische Bilder

Der Musiker und Komponist Robert Lippok zeigt zusammen mit dem Digitalkünstler Lucas Gutierrez die Arbeit "Non-Face". Es geht um geometrische Körper, die zwar realistisch aussehen, aber in der physischen Welt nicht existieren. Quasi das Nicht-Darstellbare, das dargestellt wird. Massive Gebilde wie aus Granit fliegen blitzschnell am Betrachter vorbei, lavaartige Trichter tun sich auf, in die man eingesogen wird.
Das Szenario wirkt wie eine Mondlandschaft oder wie die Mikroaufnahme aus einem lebendigen Organismus. Die Wirkung der Bilder ist hypnotisch. Lippok arbeitet neben Elektronika mit zwei Celli, deren Improvisationen er bearbeitet hat. Da sich das Nicht-Darstellbare zwar virtuell, aber nicht akustisch abbilden lässt, musste der Musiker erfinderisch werden.
"Ein Weg war, mit akustischen Instrumenten zu arbeiten, die aber anders zu benutzen. Ein Cello als Klangkörper zu nehmen, es aufzubohren, ein Mikrofon zu installieren. Das aber auch in einer Fahrt nach außen zu nehmen, dass es ein Innen und ein Außen hat, was für die Arbeit auch wichtig ist, weil es ganz viele Kanten gibt, die auch akustisch definiert sind. Und dann viel mit virtueller Akustik experimentieren: Also wie baut man virtuell ein Instrument? Da gibt es ja mittlerweile viele Software-Lösungen."

Die Zukunft des Hörens

Eine Kuppel akustisch auszusteuern, ist immer extrem schwierig. Bei Live-Musik schlägt jeder Tonmeister erstmal die Hände über den Kopf zusammen. Die Möglichkeiten eines Planetariums und seiner Technik sind deshalb für Klangarbeiten unheimlich interessant, weil sie eine Spielwiese sind und neue Wege des Hörens ermöglichen. Auch Popkünstler haben das Fulldome-Konzert schon für sich entdeckt. 2016 trat der afroamerikanische Sänger und Rapper Childish Gambino zum Beispiel erstmals unter einer Kuppel auf. Während seines Konzertes wucherte über den Köpfen des Publikums ein Urwald. Nur ein Beispiel, wie spektakulär dieses Medium zukünftig benutzt werden kann, meint Lippok:
"Wenn über einem ein Dschungel wächst, dann ist das schon sehr beeindruckend. Und die Chemical Brothers, diese englische Rave-Band, die haben gesagt: 'Visuals sind die neuen Sänger. Das sind die neuen Frontmen/-women.' Das ist eine Tendenz, die ganz stark da ist, dass die visuelle Umsetzung eines Konzertes immer wichtiger wird – und natürlich immer perfekter, weil sich die Technologie alle halben Jahre noch mal nach vorne bewegt.

Die Ausstellung "The New Infinity" wird vom 13. bis 18. August 2019 im Hamburger Planetarium gezeigt und vom 5. bis 22. September 2019 im Mobile Dome am Mariannenplatz in Berlin.

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