"The New Abnormal" von The Strokes

Fünf Jungs als Abbild ihrer Generation

09:12 Minuten
Nikolai Fraiture, Nick Valensi, Julian Casablancas and Albert Hammond Jr. von "The Strokes" stehen in The Roundhouse in London am 19.2.2020 auf der Bühne.
Auftritt in London: Nikolai Fraiture, Nick Valensi, Julian Casablancas and Albert Hammond Jr. von "The Strokes" © picture alliance / Capital Pictures / Martin Harris
Von Joachim Hentschel · 14.04.2020
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Die Rückkehr der Strokes wurde sehnsüchtig erwartet – entsprechend groß war der Hype um „The New Abnormal“. Nach siebenjähriger Pause klingt die Band nun zwar weniger cool, dafür viel interessanter, urteilt der Journalist Joachim Hentschel.
Es kommt ja nicht so oft vor, dass popmusikalische Großereignisse ausgerechnet auf einen Karfreitag fallen. Dass es gleich zwei sind, das gibt es noch viel seltener. Doch dieses Jahr war es soweit: Am 10. April war nicht nur das 50. Jubiläum des Tages, an dem die Beatles ihre Karriere beendet haben – ebenso erschien ein neues Album, das von sehr vielen mit Spannung erwartetet worden war: Die Rockband The Strokes hat ihre insgesamt sechste Platte herausgebracht. Titel: "The New Abnormal". Doch hat sich das Warten gelohnt? Das sagt unser Kritiker Joachim Hentschel:
Als die Strokes vor knapp 19 Jahren zum ersten Mal zu hören und zu sehen waren, galten die New Yorker als eine Art neue Beatles, als die Band schlechthin für das frisch angebrochene Jahrtausend. Und entsprechend groß wurde auch das neue Album inszeniert. Erste Ankündigung in der Silvesternacht, exklusive Vorabkonzerte – darunter eins in Berlin – und zwei Songs als Teaser.
Der Grund für die Aufregung: Es ist sieben Jahre her, dass die Strokes das letzte Mal von sich hören ließen. Und die Indizien, dass die Band nicht zurückkommen würde, waren stark. Die Verkaufszahlen ihrer neuen Alben gingen immer weiter zurück, neue Hits gab es auch keine mehr und praktisch alle Mitglieder haben Solokarrieren gestartet.*

Die neuen Beatles

Das klingt alles verdächtig nach den typischen Problemen, die eine Rockband so bekommt, wenn der Erfolg langsam abflaut und den Musikern auch nichts Neues mehr einfällt. Deshalb wurde "The New Abnormal" mit Spannung erwartet.
Denn die Strokes sind eben nicht irgendeine Rockband. Ihre Ankunft 2001 wirkte wie ein Erdbeben, vor allem weil es in dieser Zeit eigentlich nur um Hip-Hop und Crossover-Rock ging. Und neben der Musik brachten die New Yorker noch ein anderes wichtiges Element mit: Ihr einzigartiges Erscheinungsbild. Mit ihrem gechillten Rebellentum und der historisch einzigartigen Musik inspirierten die Jungs aus besserem Haus viele Nachfolger.

Das alte Unnormale

Mit "The New Abnormal", also "Das neue Unnormale", trägt das neue Album einen Titel, der zwar schon länger feststand, nun aber perfekt in die Zeit passt. Und Überraschungen gibt es auf der Platte einige – die Strokes klingen gefühlvoller, mehr nach Soul und 80er-Sound. Dafür ist auch Produzent Rick Rubin mitverantwortlich, der schon von Musikern von Johnny Cash bis Metallica angerufen wurde, als auch deren musikalischer Zenith scheinbar überschritten war.*
Zudem sind die Texte auf "The New Abnormal" persönlicher als je zuvor. Sänger Julian Casablancas reflektiert über seine Jugend, die frühere Karriere und seine Alkoholprobleme. Es ist das erste uncoole Album der Strokes – im positiven Sinn: Mit stilistischer Abwechslung und Storytelling zeigen sie sich zum ersten Mal als Band, die Charaktertiefe und Geschichte hat. Ob sie so neue Fans begeistern, wird sich zeigen. Den Stammhörern zeigen sie ein neues Gesicht.*
"The New Abnormal" von The Strokes ist am 10.04.2020 erschienen und ab sofort als Download, CD und Vinylplatte sowie natürlich als Stream erhältlich.

*Diese Textstellen haben wir inhaltlich präzisiert.
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