The Kills: "Ash & Ice"

Inspirationen in der Eisenbahn

The Kills bei einem Auftritt im Mai 2016 in Toronto.
The Kills bei einem Auftritt im Mai 2016 in Toronto. © imago/ZUMA Press
Von Florian Fricke · 03.06.2016
Mit ihrem neuen Album "Ash & Ice" wollen sich The Kills von leeren Rock'n'Roll-Klischees lösen. Sänger und Gitarrist Jamie Hince verkroch sich für das Songwriting in eine Solo-Kabine der Transsibirischen Eisenbahn.
"Ash & Ice" beginnt so, wie man es von einem The-Kills-Album erwartet. Ein staubtrockener Drum Beat aus dem Computer, Soundspielereien, dann das Gitarren-Riff von Jamie Hince und der betörende Gesang von Alison Mosshart – Reduktion und Sex, das war schon immer das Rezept der Band. Für Jamie Hince war PJ Harvey maßgeblich für die stilistische Entwicklung der Kills verantwortlich.
"Ihr Album 'To Bring You My Love' klang wie ein Americana-Album aus den 60ern oder 70ern. Und danach veröffentlichte sie "Is This Desire?", das klang, als ob sie elektronische Folterinstrumente benutzt hätte. Das hat für mich damals eine ganz neue Welt eröffnet. Ich spürte, dass wir als Duo trotzdem anders klingen könnten als zum Beispiel die 'White Stripes', also nicht primitiv, sondern wie Massive Attack."
The Kills bieten eine der großen platonischen Love-Stories der Rock-Geschichte. Kennengelernt haben sich die beiden in London, als Alison Mosshart mit ihrer damaligen Band auf Tour Station machte. Die Band war in der Wohnung unter der von Hince untergekommen.
"Sie saß auf der Außentreppe vor meinem Fenster und hörte mich Gitarre spielen. Dann kam sie rein und war sehr wissbegierig. Ich spielte ihr all diese Bands vor, von denen sie noch nie gehört hatte: The Velvet Underground, Captain Beefheart und so weiter. Wir wurden zu einem Zwei-Personen-Freizeitclub, inspirierten uns gegenseitig. Sie glaubte an mich."

Linke Hand in einer Autotür gequetscht

Es folgten vier Alben, wobei die Wildheit der beiden ersten immer mehr einem komplexeren Verständnis von Pop wichen. Nun Album Nummer fünf, und alles ist ein bisschen anders. Nachdem Hince sich seine linke Hand in einer Autotür gequetscht hatte, musste er mittlerweile sechs Operationen über sich ergehen lassen.
Um sich zu inspirieren buchte Hince eine Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok, zwei Wochen alleine in der Solo-Kabine, begleitet nur von Notizbüchern, seiner Gitarre und ein paar Drumcomputern - für ihn die perfekte Weltenflucht.
"Hin und wieder hörst du die Bremsen quietschen und spürst, wie der Zug langsamer wird. Du eilst zum Fenster, um ein paar Fotos zu machen; schnappst dir die Tasche, um für zehn Minuten auszusteigen. Und nach ein paar Malen verstehst du, dass du hungrig bist nach allem, was dich stimuliert. Und dann entdeckst du die Schönheit in den alltäglichsten Dingen."
Die Erfahrungen mit der Transsib hat er in den Song Siberian Nights einfließen lassen. Insgesamt ist "Ash & Ice" ein eher nachdenkliches Album geworden. Jamie Hince wollte sich durch sein Handicap auf andere Dinge des Songwritings konzentrieren wie zum Beispiel bessere Texte. Dabei spürte Hince das Verlangen, sich von leeren Rock 'n' Roll-Klischees zu lösen.

Nicht so gut wie "Midnight Boom"

"Ich nannte dieses Phänomen scherzhaft skulls on the highway, Totenschädel auf der Autobahn. Das steht für mich für diese albernen Metaphern, die vielleicht in bestimmten Kreisen etwas Wirkung erzeugen können, aber im Jahr 2016 keinerlei Bedeutung mehr haben. The devil on the highway und so ein Blödsinn. Und in diese theatrale Falle wollte ich nicht laufen."
"Ash & Ice" ist trotz des wilden Beginns ein eher nachdenkliches und zurückgenommenes Album geworden. In den Texten werden vor allem die Schmerzenswelten in Beziehungen ausgelotet, davon können wohl beide im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied singen.
Musikalisch kann das Album nicht mit "Midnight Boom", dem bisherigen Höhepunkt der Kills, mithalten. Einige der Songs bleiben trotz anfänglicher guter Ideen auf der Stelle stehen. Aber "Ash & Ice" ist alles andere als ein Flop. Dafür sind Hince und Mosshart einfach zu cool.
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