The Handsome Family

"Hier tötet man wegen ein paar Donuts"

Brett Sparks von der Handsome Family bei einem Auftritt in Hamburg 2015
Düstere Songs: Brett Sparks von der Handsome Family bei einem Auftritt in Hamburg 2015 © imago / Philipp Szyza
Von Kerstin Poppendieck |
Die Handsome Family ist mit einem großartigen Lied populär geworden, das die nicht minder großartige TV-Serie "True Detective" als Titel-Song schmückte. Die Erwartungen an ihr neues Album sind deswegen groß.
Zehn Sekunden - und man fühlt sich in den US Bundesstaat Louisiana versetzt, wo die beiden Detectives Rustin Cohle und Martin Hart einem Serienmörder auf der Spur sind.
Es ist die Titelmusik der Serie "True Detective" und der Durchbruch für The Handsome Family – das Ehepaar Rennie und Brett Sparks. Der Druck jetzt vor ihrem neuen Album "Unseen" ist groß, denn jeder wird es an diesem Song messen.
"Es ist sehr anders als vorher. Nach 'Far from any road' waren wir fast zwei Jahre ununterbrochen auf Tour. Einfach, weil es so viele Angebote gab. Das cleverste wäre wahrscheinlich gewesen, gleich das nächste Album zu veröffentlichen. Aber wenn man ununterbrochen unterwegs ist, geht das einfach nicht."

Plötzlich gab es 40.000 Facebook-Fans

"Und plötzlich ist man sich bewusst, dass uns jetzt viel mehr Leute hören werden. Am Anfang hatten wir 3000 Fans bei Facebook, ein paar Monate später 40.000. Da wird man schon etwas nervös. Es gibt ganz klar einen gewissen Druck jetzt bei diesem Album. Aber grundsätzlich haben wir deshalb nichts an unserer Arbeitsweise geändert. Vielleicht sind wir etwas konzentrierter als früher."
Dieses bestimmte Western-Gefühl, das ihren Song "Far from any road" ausmacht, bestimmt auch das neue Album "Unseen". Songs, die leicht gespenstisch und unheimlich klingen und vom traurigen Cowboy erzählen, der einsam durch die Nacht stolpert, oder vom Zocker, der im Casino vergeblich auf das große Glück wartet.
Die Aufgabenverteilung innerhalb des Duos ist ganz klar geregelt. Erst schreibt Rennie die Texte. Sie mag das Übernatürliche und alles, was düster oder skurril ist. So wie "Tiny Tina", ein Lied über das angeblich kleinste Pferd der Welt.
"Ich finde meine Texte gar nicht so düster. Es sind eher Träume mit düsteren Aspekten. Aber ich finde es wichtig, dass man sich eingesteht, dass es düstere Dinge im Leben gibt. Nur so kann man das Leben wertschätzen."

Erst kommt der Text, dann die Musik

"Ich schreibe morgens. Unser Haus ist ziemlich klein. Tagsüber gehört es mir, und nachts Brett."
Sobald Rennie Sparks mit einem Songtext fertig ist, kommt ihr Ehemann Brett an die Reihe. Er bringt die Worte zum Leben, indem er sich überlegt, welche Instrumente Rennies Geschichten noch eindrucksvoller machen könnten.
Das markanteste Instrument beim "Tiny Tina"-Song zum Beispiel ist eine Mandoline. Aber auch eine Dobro verwendet er auf dem neuen Album, eine Resonatorgitarre mit Metallkorpus. Dazu Banjo, Pedal-Steel-Gitarre und Schlagzeug.
Eines Tages kam Brett vom Einkaufen nach Hause und erzählte seiner Frau, wie er fünf 20-Dollar-Scheine gefunden hat, die vor dem Supermarkt durch die Lust geflogen sind. Er freute sich über das Geld, sie hatte sofort eine Liedinspiration.
Woher kam das Geld, wer hat es wie verloren? In Rennies Fantasie war es ein Raubüberfall. In ihrem Songtext liegt ein Mann mit Ski-Maske hinter einem Laden, eine Kugel im Bauch. Und Bretts Musik dazu versetzt einen direkt in den wilden Westen. Der Song "Gold" war fertig.
"Er ist witzig, aber definitiv keine leichte Kost."
"Ja, stimmt. Es gibt aber auch viel Humor hier in Albuquerque. Manchmal kann man einfach nur darüber lachen, wie dämlich sich hier Kriminelle anstellen."
"Das hat echt was von Slapstick."

Zu viele Waffen, zu viele Videospiele

"Leute bringen sich hier um wegen einer Schachtel Donuts. Ganz offensichtlich denken diese Menschen nicht besonders viel nach, wenn ihre erste Option töten ist."
"Aber das ist ja überall in Amerika zu einem echten Problem geworden: Gewalt aufgrund von lächerlichen Umständen. Menschen schießen einfach drauflos."
"Zu viele Videospiele, finde ich."
"Zu viele Waffen. Darum jedenfalls geht es in dem Song. Das ist unser Western-Gothic-Versuch. Ich würde eigentlich gern noch mehr solcher Lieder schreiben. Vielleicht machen wir mal ein Konzeptalbum daraus. Ich mag diesen Western-Vibe. Und das gibt es auch noch nicht so oft in der aktuellen Popmusik."
Man muss sich schon auf die Musik von The Handsome Family einlassen, sonst könnte es passieren, dass die Songs einfach so an einem vorbeirauschen. Die sonore und tiefe Stimme von Brett Sparks tut ihr Übriges. Fast könnte man die Musik als entspannend bezeichnen, wenn man nicht auf die Texte achtet. Einfache Melodien, zweistimmiger Gesang, effektvoll und raffiniert arrangierte Instrumente.
Man muss sich schon sehr gut verstehen und ein eingespieltes Team sein, um solche Musik zu machen.
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