Thalgott: "Soziale Durchmischung" fördern

Moderation: Hanns Ostermann |
Die Präsidentin der Deutschen Akademie für Städtebau, Christiane Thalgott, hat die Äußerung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zu Slumgebieten in Berliner und Hamburger Stadtteilen zurückgewiesen. Wichtig für Integration sei vor allem die soziale Mischung auf Quartiersebene, sagte Thalgott.
Ostermann: Die Wogen schlagen derzeit hoch, wenn über die Integration in Deutschland diskutiert wird. Dabei geht es nicht nur um die sensible Frage, wie Ausländer am besten gefördert, zugleich aber auch gefordert werden. Hier die richtige Balance zu finden, das ist ein Problem. Ein anderes: Wie gehen wir mit unseren Problemvierteln um? Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, CDU, stieß da auf scharfe Kritik. Er sprach davon, Teile des Berliner Bezirks Neukölln seien bereits zum Slum verkommen. Der Kommentar von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit, SPD: Die Stigmatisierung dieses Stadtteils als Slum ist schlicht verantwortungslos!
Ich bin sicher zur Versachlichung des Problems trägt meine Gesprächspartnerin bei. Sie ist Präsidentin der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung und in München leitet sie das Referat für Stadtplanung und Bauordnung. Guten Morgen, Frau Professor Thalgott!


Christiane Thalgott: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Ist der Bundesinnenminister über das Ziel hinausgeschossen oder hat er Recht?

Thalgott: Also, ich denke mal, die Wahrnehmung, die er damit hat, die ist nicht richtig. Richtig ist, dass es natürlich in Deutschland Gebiete gibt, die relativ einseitig von nicht-deutscher Bevölkerung genutzt werden, und dass, wo einer ist, immer mehr dazu kommen. Ich finde, man muss sich nur vorstellen, man selber würde in China arbeiten, man würde auch versuchen, außerhalb der Arbeitszeit unter seinesgleichen zu sein. Viel schwieriger ist die Frage, wie gehen wir damit um und was tun wir, damit diejenigen, die sich stärker integrieren wollen, so wie es notwendig ist, um hier Erfolg zu haben, die dazu auch Gelegenheit haben.

Ostermann: In diesen Gettos stimmt die soziale Mischung nicht mehr. Was hätte anders gemacht werden müssen?

Thalgott: Ich denke, dass man grundsätzlich, wenn man sich die Stadt ansieht, alles tun muss und alles versuchen muss, dass jedes Quartier, neue Quartiere und alte, gemischte Bevölkerungen haben. Das heißt, die Mischung auf der Quartiersebene. Das heißt nicht immer, dass jedes Haus gemischt ist, aber dass die Quartiersebene gemischt ist. Das hat natürlich jahrzehntelange Geschichte und da gibt es Städte, die haben dieses Thema auch seit Jahrzehnten auf der Agenda und haben sich immer sehr intensiv darum bemüht, dass in allen Quartieren Mischung ist. Und andere Städte haben das weniger auf ihrem Programm gehabt.

Ostermann: Aber generell, spielte Integration bei der Stadtplanung überhaupt eine Rolle? Sie haben eben davon gesprochen, die einen haben sich des Themas angenommen, andere weniger. Vielleicht können Sie einfach mal ein positives Beispiel nennen.

Thalgott: Also, nehm ich mal eine Stadt wie München. Hier hat es ja immer Zuwanderung gegeben, zwar aus Südosteuropa, aber dann mit den Arbeitswanderungen, selbstverständlich auch aus der Türkei. Und in München ist dieses immer sehr stark beobachtet worden und man hat sich immer darum bemüht, dass in allen Neubauquartieren sozusagen alle Bevölkerungsgruppen untergekommen sind. Wir haben hier vertragliche Regeln, die nennen sich, mit einem schönen Wort, sozialgerechte Bodennutzung und das heißt, dass auch in jedem Neubauquartier, sowohl Wohnungen für untere Einkommensgruppen, als auch für mittlere und obere angeboten werden müssen. So dass sie sozusagen immer im Neuen die Mischung haben, und das gibt natürlich dann auch die Chance, dass sie im Alten eine Mischung erhalten können, weil der Druck nicht nur in die alten Quartiere geht.

Ostermann: Die Kommunen brauchen mehr Geld. Darauf wies der deutsche Städte- und Gemeindebund hin, denn ihm fehlen Mittel für Jugendzentren oder sogenannte Quartiermanager. Welche Maßnahmen, ganz konkret, könnten denn jetzt trotzdem greifen?

Thalgott: Aus meiner Sicht ist es im Wesentlichen ein Bildungsthema. Und zwar vom Kindergarten an und zwar auch schon vielleicht in dem letzten Jahr in der Krippe bis zur Schule, denn was bis zur Schule nicht erreicht ist, das wissen wir bei Sprachförderung, ist nur schwer zu erreichen. Und wir wissen ja auch, dass die Sprachfähigkeit nicht nur bei nicht-deutschen Kindern zum Teil unterentwickelt ist, sondern auch bei deutschen Kindern, die den ganzen Tag vor irgendeiner Maschine sitzen und sich mit der Maschine unterhalten und nicht mit Menschen. Also das Thema der Sprachfähigkeit und damit auch des Verständnisses für Sachverhalte ist ein Thema, was geübt werden muss und wenn es heute nicht mehr zu Hause geübt wird, dann müssen das die öffentlichen Bildungsinstitutionen das machen und zwar nicht erst in der Schule, das ist zu spät. Also wir brauchen Geld für Integration in Kindergarten und Schule, und dass Jugendzentren dazu angeboten werden müssen, wo, ja, unsere Gesellschaft immer weniger tolerant ist, und Jugendliche eben nicht als Zukunft gesehen werden, sondern, wenn sie laut sind, als Belastung - und das gilt übrigens in allen Schichten -, dann müssen wir mehr für Jugendliche tun, das ist auch richtig.

Ostermann: Ganz generell, Frau Prof. Thalgott, was müsste sich bei der Stadtplanung zukünftig ändern, um für eine bessere Integration zu sorgen?

Thalgott: Wir alle müssen uns bemühen in allen Quartieren, die wir haben, dann sowohl Angebote für untere Einkommensgruppen als auch für mittlere zu machen. Das ist natürlich in den Bereichen, wo jetzt weniger gebaut wird, sehr viel schwieriger, als in den Städten, in denen noch Neues realisiert wird. Ich denke, es geht ganz deutlich darum, dies zu einem städtischen Programm zu machen, also gemischte Quartiere aufzubauen. Und wir alle wissen, dass im Grunde die jungen Leute am wenigsten empfindlich gegen das Fremde sind. Also dass man mit Studierenden und Leuten, die eben die Zukunft vor sich haben und heute relativ tolerant sind, dass man mit denen Angebote in solchen Quartieren machen muss. Ganz gezielt, um sozusagen einen Wechsel zu erreichen.