Deutsche Auswanderer in den USA

Bratwurst, Bier und Texasdeutsch

Ein Wandbild im texanischen New Braunfels wirbt für ein deutsches Restaurant. Das Bild zeigt einen Koch, der Würstchen zubereitet, darüber der Schriftzug: Gemütlichkeit zur Ewigkeit.
Hausmannskost und Gemütlichkeit: New Braunfels in Texas wurde von deutschen Einwanderern gegründet - ihre Spuren sind bis heute sichtbar © picture alliance / prisma / Heeb Christian
Im 19. Jahrhundert wanderten Millionen Deutsche in die USA aus. Im "German Belt" in Texas ist ihr Erbe bis heute sichtbar - und mancherorts sogar noch zu hören.
Millionen Europäer verließen im 19. Jahrhundert ihre Heimat, um in den USA ein neues, besseres Leben zu beginnen. Darunter viele Deutsche, deren Spuren bis heute in weiten Teilen des Landes sichtbar sind. Im sogenannten German Belt in Texas sprechen manche Ältere sogar einen eigenen deutschen Dialekt: Texasdeutsch. Auch sonst gibt es viele deutsche Einflüsse im zweitgrößten US-Bundesstaat, vom ältesten Biergarten bis zum größten deutschen Volksfest der Vereinigten Staaten. Doch das kulturelle Erbe der deutschen Siedler verblasst.

"German Belt": Deutsche Traditionen in Texas

Fast zehn Prozent der Texanerinnen und Texaner haben Wurzeln in Deutschland. Die meisten Nachfahren deutscher Einwanderer leben im zentraltexanischen Hügelland, dem Texas Hill Country. Dort, im "German Belt", entstanden während einer ersten Immigrationswelle Mitte des 19. Jahrhunderts Siedlungen und Städte, die die Neuankömmlinge Fredericksburg, Boerne oder New Braunfels tauften.
Nicht nur die Ortsnamen zeugen von der deutschen Einwanderungsgeschichte. Die Siedler brachten ihre Sprache, Kultur und Tradition mit in die neue Heimat. Sie gründeten Kirchen und Schulen, trafen sich in Musikkapellen und Tanzvereinen. Dabei passten sich deutsche Einwanderer in den USA zunächst nur schwer an, sagt der Historiker Michael Hochgeschwender. Sie sprachen kein Englisch, saßen sonntags im Biergarten und sangen deutsches Liedgut. "Wenn man will, haben die Deutschen gerne eine Art Parallelgesellschaft gegründet." Das änderte sich erst mit den nächsten Generationen.
Trotzdem ist ihr Einfluss in Texas noch immer spürbar. In New Braunfels etwa, wo im März 1845 der erste Treck mit Siedlerinnen und Siedlern ankam, feiern jedes Jahr Zehntausende das größte deutsche Volksfest der USA: das "Wurstfest". Es gibt Blasmusik, Bier und natürlich Wurst. Rund 80 Kilometer entfernt, in Austin, befindet sich der älteste Biergarten Amerikas, gegründet 1866 vom deutschen Einwanderer August Scholz.

Texasdeutsch: Ein aussterbender Dialekt

Auch jenseits von Volksfesten und Hausmannskost geht es in Texas mancherorts noch immer deutsch zu. Im "German Belt" sprechen bis heute einige Tausend Deutschamerikaner der mittlerweile fünften oder sechsten Generation einen eigenen deutschen Dialekt: Texasdeutsch, wie diese Mischform aus Deutsch und Englisch heißt.
Entstanden ist Texasdeutsch aus den verschiedenen Dialekten der Siedler, etwa aus dem Hessischen und Thüringischen. Dazu kamen englische Lehnwörter und eine vereinfachte Grammatik, es gibt keinen Genitiv und kaum Dativ. Auch die Aussprache variiert stark, erklärt Sprachwissenschaftler Hans Boas, der vor gut 20 Jahren auf die Reste dieses deutschen Dialekts gestoßen ist: „Zum Beispiel statt ‚über‘ sagt man ‚iber‘ und statt ‚Öl‘ sagt man ‚El‘“, erklärt Boas.
Allerdings: Texasdeutsch verschwindet. Laut Schätzungen des „Texas German Dialect Project“ der University of Texas in Austin sprechen den Dialekt nur noch etwa 5000 Menschen. Die meisten von ihnen sind bereits über 70 Jahre alt. Linguisten gehen deshalb davon aus, dass Texasdeutsch in den nächsten 15 Jahren aussterben wird.

160.000 Deutschsprachige im Jahr 1940

Dabei war der deutsche Dialekt einst weit verbreitet im Bundesstaat: Laut dem Forschungsprojekt der University of Texas lebten im Jahr 1907 etwa 90.000 Deutschsprachige in Texas. In den folgenden Jahrzehnten stieg die Zahl weiter, 1940 waren es rund 160.000.
Mit den beiden Weltkriegen wuchsen jedoch die antideutschen Ressentiments in den USA. Der Dialekt geriet zunehmend in Verruf, immer weniger Eltern gaben Texasdeutsch an ihre Kinder weiter. „English-Only“-Gesetze an Schulen, und eine zunehmend mobile Gesellschaft taten ihr Übriges, sodass die Zahl der Deutschsprachigen laut den Forschern schon in den 1960ern auf etwa 70.000 zurückging.

Immer weniger Deutsche zieht es in die USA

Auch nach der Immigrationswelle zwischen 1840 und 1900 blieben die Vereinigten Staaten ein wichtiges Zielland für deutsche Auswanderer. Heute leben rund eine halbe Million Deutsche in den USA, bis zu 50 Millionen Amerikaner sollen deutsche Wurzeln haben. Darunter sind prominente Personen wie die Schauspielerin Uma Thurman und US-Präsident Donald Trump.
Zwar zog es laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts zuletzt immer weniger Deutsche in die Vereinigten Staaten: Hatten im Jahr 2003 noch etwa 12.300 ihren Wohnsitz in die USA verlagert, waren es 20 Jahre später rund ein Viertel weniger. Trotzdem bleibt das Land das beliebteste Ziel für deutsche Auswanderer außerhalb Europas.

Trump und die ostdeutschen Auswanderer

Aber was macht es mit den Neu-Auswanderern, wenn ihre neue Heimat zunehmend autoritäre Züge annimmt? Vor allem mit denjenigen, die schon einmal in einem autoritären Staat gelebt haben, die in der DDR aufgewachsen sind und nach dem Mauerfall in die USA auswanderten?
Einer von ihnen ist Sebastian Göbel, der im texanischen Houston lebt. "Manchmal denke ich, dass die Leute, die aus dem Osten kommen, immer noch dieses Freiheitsgefühl suchen", sagt der gebürtige Thüringer. Mittlerweile blickt er jedoch mit Sorge auf seine Wahlheimat. Dass er sich heute, wie einst im sozialistischen Ostdeutschland, Gedanken darüber mache, mit wem er worüber spreche, sei "beängstigend".
Doch es gibt auch andere: Menschen, die Trumps Politik gutheißen, die von der Meinungsfreiheit und den liberalen Waffengesetzen schwärmen. Und dann gibt es jene, die versuchen, die große Politik irgendwie auszublenden. Göbel und seine Frau hingegen haben sich die nächsten Parlamentswahlen als Zielmarke gesetzt. Bis dahin werden sie abwarten und beobachten, ob „sich die USA weiter in Richtung Schurkenstaat entwickelt“, wie Goebel sagt. Danach wollen sie entscheiden, ob sie wieder ihre Koffer packen.

irs
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