Teures Bauland

Warum zu wenig günstige Wohnungen gebaut werden

Ein weißer Luxusbau am Wasser, umgeben von vielen Bäumen.
Luxus-Neubau auf der Berliner Halbinsel Alt-Stralau. Wenn in Berlin gebaut wird, dann oft im höheren Preissegment. Für den angespannten Wohnungsmarkt bietet dies kaum Linderung. © imago/Joko
Von Wölf-Sören Treusch · 19.02.2019
Günstiger Wohnraum ist knapp. Auch mit Neubauten lässt sich das Problem kaum in den Griff kriegen: Wegen hoher Grundstückspreise wird fast nur für Besserverdienende gebaut - weil es sich sonst nicht rechnet.
"Interessante Ausreißer? Ich bin froh, dass ich keine Ausreißer mehr habe oder dass die weniger werden", beschreibt Reiner Rössler die Preisentwicklung von unbebauten Grundstücken in Berlin im Jahr 2018. Wenn er jedoch auf die letzten zehn Jahre zurückblickt, erkennt er sehr wohl Ausreißer: In manchen Innenstadtlagen hätten sich die Bodenpreise seit 2008 auf 8.000 Euro pro Quadratmeter verzehnfacht.
Reiner Rössler ist Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin. Das Gremium ermittelt die so genannten Bodenrichtwerte anhand von Kaufverträgen über vollzogene Grundstücksgeschäfte.

Erhebliche Nachfrage lässt die Preise steigen

"Wir haben ja Steigerungen in den Bodenrichtwerten, die letztendlich auch fast eine Verdoppelung der Bodenrichtwerte dargestellt hat. Aber an der Stelle weise ich immer darauf hin: Wir sind von einem historisch niedrigen Wert gekommen, wir holen das jetzt noch nach, wir sind noch in diesen wende-bedingten Nachläufereffekten und dann eben internationale Metropole."
Die gestiegenen Bodenpreise machen auch die Neubauten teurer. Bei 5.690 Euro pro Quadratmeter lag das durchschnittliche Preisniveau 2018 für eine neugebaute Eigentumswohnung in Berlin. Zehn Prozent mehr als im Vorjahr.
Für den Kauf- und Bau-Boom in Berlin gibt es viele Gründe: günstige Zinsen, Angst vor Inflation, Lust auf Wertsteigerung, die hohe Attraktivität der Stadt. Ausreißer verzeichnet der Chef des Gutachterausschusses mittlerweile vor allem im Gewerbebereich.
"Wir haben jetzt das Wachstum im Dienstleistungsbereich. Die Leute suchen Flächen. Gerade im Dienstleistungsbereich werden besonders die Flächen im Innenstadtbereich gesucht, Regierungsnähe und sonst was. Das hat natürlich dazu geführt, dass wir die so genannten Mischgebietswerte tatsächlich noch mal um 40 Prozent anheben mussten in diesem Jahr."

Teure Grundstücke führen zu teuren Wohnungen

Alexander Happ, Geschäftsführer der BUWOG Bauträger GmbH, einer Tochtergesellschaft des Immobilienriesen ‚Vonovia’, erklärt, warum private Projektentwickler sich vom Mietwohnungsbau verabschieden und immer mehr Eigentumswohnungen bauen.
"Ich muss meine gesamte Kalkulation auf den Baulandpreis anpassen. Ein teures Grundstück muss ich am Ende auch teurer bebauen. Weil: Ein 0/8/15-Haus auf einem sehr teuren Grundstück erfüllt die Anforderungen des Marktes nicht. Wenn ich teuer kaufe, weiß ich schon, ich bin in einem höheren Preissegment, und muss diese Anforderungen auch erfüllen. Es potenziert sich einfach."
Im Handel mit Eigentumswohnungen seien sehr viel höhere Preise erzielbar als mit Mietwohnungen. So könnten die Entwickler auch die höheren Baulandpreise bezahlen. In der Berliner Innenstadt, findet Alexander Happ, gebe es kaum noch sinnvolle Investitionsmöglichkeiten.
"Die teuersten Grundstücke erwerben wir nicht. Die Grundstückspreise sind zu hoch. Wir reagieren dadurch, dass wir dieses Berliner Mantra, man solle im Stadtring bauen, einfach verlassen, und wir gehen an den Stadtrand, und wir gehen mittlerweile über den Stadtrand hinaus."

41,3 Prozent Mietbelastung

Zum Beispiel nach Grünau in die südöstlichste Ecke Berlins. 2012 hat die BUWOG dort ein Grundstück erworben.
"Der Baulandpreis war damals um die 200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Das ist die Art, wie wir kalkulieren. Nicht in Grundstücksfläche, heute wäre das sicherlich das Fünffache. Grünau liegt an der dynamischen Südost-Entwicklungsachse Berlins. Bei uns haben schon Fluglotsen gekauft, weil wir in der Nähe des Flughafens eine der attraktivsten Lagen haben. Der Blick auf die Stadt wird sich ändern, wenn wir alle plötzlich am BER landen."
Ob Innenstadt- oder Randlage: Eine Gruppe ist von der Preisspirale im Immobiliensektor besonders betroffen – die Mieter. 85 Prozent der Berliner wohnen zur Miete. Und die so genannte Mietbelastungsquote liegt bei 41,3 Prozent. Das heißt: Die durchschnittliche Berliner Familie müsste 41,3 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, um sich eine 3-Zimmer-Neubauwohnung zur Miete leisten zu können.

Gemeinwohl "wirtschaftlich nicht mehr realisierbar"

Derweil bemüht sich die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung, zumindest auf ihrem Grund und Boden bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die eigenen Baulandreserven sind zwar erschöpft, aber der Bund besitzt noch unbebaute Grundstücksflächen. An die will das Land Berlin jetzt ran und verhandelt darüber mit dem Bund. Berlin will die Grundstücke direkt an landeseigene Wohnungsbaugesellschaften, aber auch an Genossenschaften oder Baugruppen vergeben. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher von der Linken:
"Im Zuge der Vergabe landeseigener Grundstücke muss man sich immer stärker die Frage stellen: Was ist eigentlich der Preis, zu dem man die Dinge dann an Dritte weiterreicht? Weil klar ist: Der Verkehrswert, der in Berlin mittlerweile Alltag ist, führt dazu, dass bestimmte gemeinwohlorientierte kostengünstige Nutzungen nicht mehr wirtschaftlich realisierbar sind."

Vorsichtige Entwarnung

Wo früher ausschließlich das Höchstgebot zählte, erhält nun das beste Konzept den Zuschlag. Damit wenigstens auf landeseigenem Grund und Boden Wohnungen entstehen, die nicht nur die Besserverdienenden bezahlen können. Was die Entwicklung der Bodenpreise insgesamt anbelangt, gibt der Chef des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin, Reiner Rössler, vorsichtig Entwarnung.
"Ich gehe schon davon aus, dass wir über kurz oder lang eine Seitwärts-Bewegung haben werden - also dass die Preise nicht mehr steigen - und insbesondere was unsere Bodenrichtwerte anbelangt."
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