Teurer Kraftstoff bedroht Nordseefischer

Existenzängste im Idyll

05:16 Minuten
Krabbenfischer vor Anker im Hafen von Büsum.
Das Postkartenmotiv am Büsumer Hafen täuscht mitunter – viele Krabbenfischer haben Sorgen. © imago-images / Shotshop / Dan Zaugg
Von Jörn Schaar · 21.03.2022
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Der rasante kriegsbedingte Preisanstieg bei Treibstoffen trifft alle Wirtschaftszweige, die Krabbenfischer der Nordsee aber besonders hart. In Schleswig-Holstein befürchten einige nun die Pleite eines Großteils der Flotte.
Während Touristen das scheinbare Idyll mit Krabbenkuttern am Hafen in Büsum gerne fotografieren, sieht die Realität für die Fischer anders aus. Dass die Kutter im Hafen sind, sei nämlich gerade kein schönes Bild, sagt Norbert Temming, einer der vielen Krabbenfischern, die gerade Existenzängste durchstehen.
"Ein Hafen voller Krabbenkutter bei gutem Wetter ist nie was Gutes. Dann stimmt etwas nicht. Und im Moment stimmt bei uns einiges nicht: Der Fang ist sehr niedrig, zwischen 200 und 250 Kilo pro Tag, wenn man Glück hat. Und dann die Gasölpreisverdoppelung, die dazu führt, dass wir 70 Prozent unseres Umsatzes für Gasöl ausgeben müssen. Somit ist jede Wirtschaftlichkeit genommen."

Keine Rücklagen für die nächste Tankfüllung

Normalerweise muss er etwa 20 bis 30 Prozent seines Umsatzes für Kraftstoffkosten rechnen. Nun lohne es sich kaum noch, auf Fangfahrt zu gehen. "Hier geht es um die Kalkulation: Fahre ich wenigstens noch die Kosten ein? Ich muss ja auf jeden Fall meinen Kraftstoff bezahlen, ich muss meinen Helfer bezahlen, ich muss die Sozialversicherungsabgaben bezahlen", rechnet Temming vor.
Profit macht gerade niemand. Er nicht und auch nicht seine Kollegen auf den anderen Kuttern im Büsumer Hafen oder den anderen Fischerorten an der Nordseeküste. Bei einigen Fischern reichen die Rücklagen nicht mal mehr für die nächste Tankfüllung.

Ich müsste einen Kredit aufnehmen, um meine Arbeit anzutreten. Das ist eine sehr unglückliche Situation, wenn man sich von der Bank Geld holen muss, damit man seine Arbeit antreten kann, um hinterher nichts verdient zu haben.

Fischer Norbert Temming

Probleme an mehreren Fronten

Die vergangenen drei Jahre waren wirtschaftlich hart für die Krabbenfischer: Schlechte Fangmengen, dann ein Annahmestopp des Großhandels, weil durch die Coronappandemie weniger Personal in den marokkanischen Entschälzentren eingesetzt werden konnte. Und etzt auch noch die hohen Kraftstoffpreise als Folge des Ukrainekrieges.
Von Büsum weiter nach Tönning in Nordfriesland: Hier geht Fischer Ted Sönnichsen in fünfter Generation auf Krabbenfang. Jetzt müssten dringend kurzfristige Lösungen her, sagt er.

"Meines Erachtens steht uns eine Pleitewelle bevor. Deswegen brauchen wir schnelle Hilfe in Form einer Stilllegeprämie, angelehnt an die Coronahilfen. Wir sind immerhin noch Volksernährer. Wenn wir alle nicht mehr rausfahren können zum Fischen, dann gibt’s auch keinen Fisch, keine Krabben, keine Muscheln, dann fällt dieser ganze Sektor weg."

Fischer Ted Sönnichsen

Jens Korte, Kümmerer für die Krabbenfischerei im Landesfischereiverband, befürchtet Verzögerungen bei den Hilfelesitungen, denn die Fischerei wird EU-weit koordiniert, also müssen in Brüssel auch die Rahmenbedingungen festgezurrt werden, die dann Bund und Länder umsetzen.

Europäische Lösungen gesucht

„Wir reden hier von drei bis vier Wochen, in denen das passieren muss. Auf Länderebene oder Bundesebene könnte das sicherlich schneller passieren. Jetzt geht es darum, das Ganze auf europäischer Ebene glattzuziehen, auf ganz unterschiedlichen Märkten und ganz unterschiedlichen Interessen", sagt Korte.
Die naheliegende Lösung – nämlich den Preis für die gefangenen Krabben zu erhöhen – funktioniert nicht. Denn die Großhändler legen die Preise fest. Die Fischer bleiben auf ihren Kosten sitzen und der Druck steigt.

Es ist nicht mehr fünf vor, sondern fünf nach zwölf. Die Fischerei selber hat kein Geld mehr, da sind sicherlich schon welche dabei, die haben nicht mal mehr Geld, um sich Lebensmittel zu kaufen.

Fischer Ted Sönnichsen

Wie lange sich die Fischer noch über Wasser halten können, ist völlig offen. Fest steht nur, dass viele ans Aufhören denken. Der Büsumer Fischer Norbert Temming sagt sogar: "Wenn die Bank die Tankrechnung nicht mehr überweist, ist Schluss. Denn ohne Treibstoff können wir nicht fahren. Und wenn drei, vier Treibstoffrechnungen nicht bezahlt sind, dann geht nichts mehr. Und davon sind die ersten schon betroffen."

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