Teufel an Bord
Die Besatzung des Frachters "Per se" hat auf hoher See mit allerlei Widrigkeiten zu kämpfen: Ein Orkan tobt und das Schiff wird von Piraten überfallen. Doch damit nicht genug. Der Teufel höchstpersönlich hat sich zur Crew gesellt. Stefán Máni hat mit seinem Roman "Das Schiff" einen psychedelischen Krimi mit viel Action geschrieben.
Er ist Jahrgang 1970, und zu seinen Idolen gehören der Philosoph Sartre, der fantastische Schriftsteller H. P. Lovecraft und der Doors-Sänger Jim Morrison. Die Rede ist von dem isländischen Schriftsteller Stefán Máni. Bevor Máni zu schreiben begann, arbeitete er als Gärtner, Tischler, Buchbinder, in der Fischindustrie, als Sozialarbeiter und in psychiatrischen Kliniken. Auf dem Pressefoto könnte man ihn für einen Bruder des Sängers Bushido halten.
"Das Schiff" hat zwar 2007 den isländischen Krimipreis bekommen, ist aber kein üblicher Krimi, auch wenn Mánis siebenter Roman im Kriminellenmilieu beginnt. Im Prinzip gehört "Das Schiff" ins Genre des fantastischen Romans. Neun Mann befinden sich an Bord des Frachters mit dem Namen "Per se", und einer von ihnen ist der Teufel – und zwar der echte, wenn auch ohne Hörner und in der Verkleidung eines Schwerstkriminellen.
Dabei gibt es schon genug Probleme. Ein Orkan tobt, eine Meuterei bricht aus, Piraten überfallen das Schiff. Zur Crew gehören zwei Mörder, ein Schwerst-Alkoholiker und ein Drogensüchtiger. Máni schildert die Ereignisse psychologisch geschickt und abwechslungsreich aus den Perspektiven dreier Mannschaftsmitglieder.
"Das Schiff" ist auch ein Actionthriller. Bestimmend aber ist eine zähe, sirupartige, graue, ganz spezielle Atmosphäre, die beim Leser gleich zu Beginn eine Art Schockstarre auslöst. Dann verliert der Leser das Zeitgefühl. Alles geschieht im Präsens, Tage und Uhrzeiten erscheinen wie in einem Logbuch: 10. September 2001, 11. September 2001, und niemand nimmt Notiz von den Anschlägen in New York. Wahnsinn und Entsetzen werden normal. Jedes Crewmitglied geht auf surreale Weise seinem Alltag nach, nimmt Opium oder Alkohol zu sich und mordet. Von Anfang bis Ende dudelt an Bord eine einzige alte Musikkassette von Jim Morrison und den Doors aus dem Jahr 1971. Immer wieder, wie eine Gehirnwäsche, dieselbe Musik wie im Vietnamkriegsfilm "Apocalypse Now" von Francis Ford Coppola.
Was "Das Schiff" auszeichnet, ist seine expressionistische Sprache, zum Beispiel ausgeflippte Beschreibungen von Drogenräuschen: "Die Zunge schwillt an, die Lippen trocknen aus, und ein flauschiges Medizingrau macht sich im Kopf breit … Atmen und warten, Millionen Trillionen Sekunden in einer juckenden Flauschwolke …" Oder auch große Sätze wie aus Hemingways "Der alte Mann und das Meer": " … ein alter Seemann, der mit dem Leben und sich selbst nur klarkommt, wenn ihm aus allen Himmelsrichtungen Unendlichkeit entgegenstarrt."
Stefán Máni bedient sich – nicht ungewöhnlich im Gruselgenre – zahlreicher historisch-literarischer Motive und Stoffe. Da ist Motiv des "Fliegenden Holländers", dessen faustischer Pakt mit dem Teufel, ein Motiv, das im 19. Jahrhundert in zirka 50 Fassungen erschienen ist, die bekannteste davon sicherlich "Moby Dick", musikalisch getoppt von Richard Wagner. Und "Das Schiff" ist auch eine Adaption des berühmten Romans von Edgar Allan Poe, "Die Geschichte des Arthur Gordon Pym", die auch schon Baudelaire und Lovecraft inspiriert hat.
"Das Schiff" ist keine Grusel-Massenware, sondern genuin galle-böser Stoff für Hardcore-Fans. Edgar Allan Poe hätte sicherlich gern so geschrieben wie Stefán Máni.
Rezensiert von Lutz Bunk
Stefán Máni: Das Schiff
Aus dem Isländischen übersetzt von Tina Flacken
Ullstein Verlag, Berlin 2009
414 Seiten, 19,95 Euro
"Das Schiff" hat zwar 2007 den isländischen Krimipreis bekommen, ist aber kein üblicher Krimi, auch wenn Mánis siebenter Roman im Kriminellenmilieu beginnt. Im Prinzip gehört "Das Schiff" ins Genre des fantastischen Romans. Neun Mann befinden sich an Bord des Frachters mit dem Namen "Per se", und einer von ihnen ist der Teufel – und zwar der echte, wenn auch ohne Hörner und in der Verkleidung eines Schwerstkriminellen.
Dabei gibt es schon genug Probleme. Ein Orkan tobt, eine Meuterei bricht aus, Piraten überfallen das Schiff. Zur Crew gehören zwei Mörder, ein Schwerst-Alkoholiker und ein Drogensüchtiger. Máni schildert die Ereignisse psychologisch geschickt und abwechslungsreich aus den Perspektiven dreier Mannschaftsmitglieder.
"Das Schiff" ist auch ein Actionthriller. Bestimmend aber ist eine zähe, sirupartige, graue, ganz spezielle Atmosphäre, die beim Leser gleich zu Beginn eine Art Schockstarre auslöst. Dann verliert der Leser das Zeitgefühl. Alles geschieht im Präsens, Tage und Uhrzeiten erscheinen wie in einem Logbuch: 10. September 2001, 11. September 2001, und niemand nimmt Notiz von den Anschlägen in New York. Wahnsinn und Entsetzen werden normal. Jedes Crewmitglied geht auf surreale Weise seinem Alltag nach, nimmt Opium oder Alkohol zu sich und mordet. Von Anfang bis Ende dudelt an Bord eine einzige alte Musikkassette von Jim Morrison und den Doors aus dem Jahr 1971. Immer wieder, wie eine Gehirnwäsche, dieselbe Musik wie im Vietnamkriegsfilm "Apocalypse Now" von Francis Ford Coppola.
Was "Das Schiff" auszeichnet, ist seine expressionistische Sprache, zum Beispiel ausgeflippte Beschreibungen von Drogenräuschen: "Die Zunge schwillt an, die Lippen trocknen aus, und ein flauschiges Medizingrau macht sich im Kopf breit … Atmen und warten, Millionen Trillionen Sekunden in einer juckenden Flauschwolke …" Oder auch große Sätze wie aus Hemingways "Der alte Mann und das Meer": " … ein alter Seemann, der mit dem Leben und sich selbst nur klarkommt, wenn ihm aus allen Himmelsrichtungen Unendlichkeit entgegenstarrt."
Stefán Máni bedient sich – nicht ungewöhnlich im Gruselgenre – zahlreicher historisch-literarischer Motive und Stoffe. Da ist Motiv des "Fliegenden Holländers", dessen faustischer Pakt mit dem Teufel, ein Motiv, das im 19. Jahrhundert in zirka 50 Fassungen erschienen ist, die bekannteste davon sicherlich "Moby Dick", musikalisch getoppt von Richard Wagner. Und "Das Schiff" ist auch eine Adaption des berühmten Romans von Edgar Allan Poe, "Die Geschichte des Arthur Gordon Pym", die auch schon Baudelaire und Lovecraft inspiriert hat.
"Das Schiff" ist keine Grusel-Massenware, sondern genuin galle-böser Stoff für Hardcore-Fans. Edgar Allan Poe hätte sicherlich gern so geschrieben wie Stefán Máni.
Rezensiert von Lutz Bunk
Stefán Máni: Das Schiff
Aus dem Isländischen übersetzt von Tina Flacken
Ullstein Verlag, Berlin 2009
414 Seiten, 19,95 Euro