Bürgerinitiative Grünheide gegen Tesla

"Wir kämpfen gegen den reichsten Mann der Welt"

05:46 Minuten
Menschen stehen im Halbkreis auf einem gepflasterten Platz. Sie halten Transparente mit einzelnen Buchstaben vor sich, von links nach rechts kann man lesen: "Kein Baum mehr für Tesla"
Menschen demonstrieren auf dem Marktplatz in Grünheide gegen Tesla. Die Bürgerinitiative Grünheide sieht in dem E-Auto-Werk eine Gefahr für die Umwelt. © Christoph Richter
Von Christoph Richter · 05.01.2023
Audio herunterladen
Die einen feiern Brandenburg, weil das Land ein Autowerk von Elon Musks Firma Tesla nach Grünheide geholt hat, die anderen demonstrieren gegen die Fabrik. Was der Initiative gegen den Multimilliardär an Masse fehlt, macht sie mit Herz wett.
Ein regnerischer Tag im Dezember. Trotzdem versammeln sich rund 250 Menschen jeden Alters zur Kundgebung. Manu Hoyer, Anfang 60 und Vorsitzende der Bürgerinitiative Grünheide, begrüßt die Leute. Die meisten Teilnehmer stammen aus der Region. „Wir haben zu der heutigen Kundgebung aufgerufen, um gegen die schleichende Umweltvergiftung durch Tesla zu protestieren.“
Die Stimmung ist gereizt, auch bei Manu Hoyer. Die Frührentnerin war früher Gewerkschaftssekretärin – und auch mal Westberliner Hausbesetzerin. Jetzt wohnt sie in der Nähe des Autowerks und kritisiert Tesla mit deutlichen Worten.

Von der Politik enttäuscht

Störfälle im Werk würden zeigen, dass das Unternehmen ein Risiko für die Region und die Umwelt sei, sagt Hoyer. „Es wird vertuscht, gelogen, wir werden verarscht." Sie entschuldigt sich zwar für den Ausdruck, "aber ich finde zurzeit kein anderes Wort dafür, um diese Situation darzustellen".
Vor allem sind die Leute enttäuscht von der Brandenburger Landesregierung – bestehend aus SPD, CDU und Grünen –, die den Bau des Tesla-Werks mitten in einem Trinkwasserschutzgebiet ermöglicht hat: ein Autowerk mit hohem Wasserbedarf. Nach Angaben des Unternehmens werden jährlich 1,4 Millionen Kubikmeter Trinkwasser verbraucht, was in etwa dem Verbrauch einer 30.000 Einwohner großen Stadt entspricht.

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Die Bürgerinitiative Grünheide besteht aus etwa 30 bis 40 Mitgliedern. Ein loses Grüppchen von Umweltengagierten, Anwohnern und Anti-Kapitalisten, das den Kampf gegen Tesla und Elon Musk aufgenommen hat. „Wir kämpfen gegen den reichsten Mann der Welt. Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Wir sind keine Querulanten, sondern wir sind Mahner und Aufklärer hier vor Ort.“ 

Die Erfolge sind bislang bescheiden

Hoyer erinnert dran, dass erst kürzlich hochgefährliche Chemikalien ausgetreten und bei einem Brand im vergangenen Herbst kontaminiertes Löschwasser ins Grundwasser gesickert sein soll.
Verhindern konnte die Bürgerinitiative bisher wenig. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es zumindest erreicht haben, dass Tesla nicht zum erstgewünschten Termin eröffnet hat, sondern erst ein halbes Jahr später", erklärt die Vorsitzende der Bürgerinitiative. "Das ist für uns schon ein Erfolg.“
Hoyers Mitstreiter Steffen Schorcht kritisiert, es werde eine ganze Region komplett umgekrempelt: "Das für eine Technologie, von der wir nicht wissen, wie sicher sie auch für die Zukunft ist.“

Sorge um das Grundwasser

Auch Schorcht hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, dem US-Elektro-Autobauer das Leben schwer zu machen. Der Umweltschützer ist Jahrgang 1960. An der TU Ilmenau hat er Biokybernetik und Medizintechnik studiert, später seinen Doktor gemacht. „Unsere Befürchtung ist nach wie vor erst mal, dass das Wasser gefährdet wird", erklärt er, "durch Schadstoffeinträge, durch Störfälle. Gerade die Störfall-Problematik ist bei Weitem nicht geklärt. Und natürlich kommt es zu einer Industrialisierung wie im 18. Jahrhundert.“
Schorcht wohnt etwas über einen Kilometer vom Autowerk entfernt. Er kennt alle Details, alle Vorschriften und beobachtet das Vorgehen von Tesla mit Argusaugen. Wichtig sei ihm, dass man politisch absolut neutral bleibe, betont er. Niemandem, wirklich niemanden, wiederholt er, wolle man als Bürgerinitiative eine Bühne bieten – weder den Aktivisten der „Letzten Generation“ noch den Rechtspopulisten der AfD.
„Wir stärken wirklich den Widerstandsgeist. Der Bürger muss in solche Prozesse stärker einbezogen werden", verlangt Schorcht. "Es geht nicht, dass hier Kapital angelegt wird, weil man es eben in Russland oder China nicht mehr anlegen kann oder will, und dass man dadurch hier die ganze Natur kaputtmacht, über die Köpfe der Menschen hinweg.“

Organisation außerhalb der Politik

Die Bürgerinitiative Grünheide nennt Schorcht eine Keimzelle basisdemokratischer Beteiligung. Man wolle Politikversagen kompensieren, sagt er und kritisiert damit die Kommunalpolitiker in Grünheide. Von denen schaue ein Großteil dem Agieren von Elon Musk teilnahmslos zu und unternehme nichts gegen die massive Umweltzerstörung.
„Selbst mit internationalen Organisationen arbeiten wir zusammen: Wir hatten Gäste aus Chile da und haben als virtuelle Partner an Demonstrationen in Mexiko teilgenommen. Wir haben enge Kontakte zu Serbien, wo Lithium gefördert werden soll."
Es würden sich immer mehr Bürgerinitiativen gründen, fährt er fort. "Und die gründen sich nicht, weil ihnen alles so gut gefällt", formuliert er. "Hier versagt die Politik, insbesondere die Kommunalpolitik. Und die Bürger organisieren sich anders, außerhalb der Politik. Das ist ein Demokratieversagen.“
Und dagegen kämpft letztendlich auch die Bürgerinitiative Grünheide an. 
Mehr zum Thema