Terrorwarnung

Braunschweig sagt Karnevalsumzug Schoduvel ab

Karnevalist Sebastian (23), verkleidet als Terrorist mit "Sprengstoffgürtel" aus Energy-Drinks, steht am 15.02.2015 neben Polizisten in Braunschweig (Niedersachsen)
Ein Braunschweiger Karnevalist mit einem "Sprengstoffgürtel"-Requisite aus Energy-Drinks © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Alexander Budde  · 16.02.2015
Halbleere Bänke in der Braunschweiger Stadthalle: Die Stadt hat den Karnevalsumzug wegen einer Terrorwarnung abgesagt. Viele Karnevalisten sind verständnislos, in Köln feiere man schließlich tagelang. In Braunschweig dagegen ist die Stimmung verflogen.
Leere Gesichter unter den Perücken: In der Stadthalle werden die Karnevalisten von Polizisten und Ordnern bewacht. Doch ihre Feier findet vor halbleeren Bänken statt. Gerhard Baller hat den ganzen Tag über Interviews gegeben, sich manche Träne dabei verdrückt. Düster sagt der Zugmarschall:
"Das ist ein ganzes Jahr, was sich gerade in Luft aufgelöst hat. Gut, wir haben keine Verluste zu beklagen, es ist nichts passiert, wir haben Glück gehabt! Über jede Großveranstaltung, die demnächst stattfindet, müssen wir genau nachdenken: Wie können wir die Sicherheit der Menschen garantieren? Und was dürfen wir und was dürfen wir nicht mehrmachen?"
Der Hinweis auf einen drohenden Terroranschlag habe ihn bereits am späten Samstagabend erreicht, sagt Braunschweigs Polizeichef Michael Pientka. Der Tippgeber aus der islamistischen Szene habe mit dem Altstadtmarkt sogar einen besonders gefährdeten Ort benannt.
"Wir haben Informationen über eine Person, von der wir einschätzen können, dass sie sehr zuverlässig ist, als sehr zuverlässiger Zeuge eingeschätzt wird."
Über Hintergründe schweigen die Behörden
Vor Journalisten bestätigt Pientka, dass Braunschweig ein Brennpunkt der islamistischen Szene sei. Die abstrakte Gefährdung sei nun erstmals konkret geworden. Über ihren Informanten und über mögliche Verdächtige hüllen sich die Behörden in Schweigen, ermittlungstaktische Gründe führen sie an. Nach nächtlichen Telefonaten beschließen Polizei und Staatsschutz im Einvernehmen mit Magistrat und Festkomitee das größte karnevalistische Spektakel des Nordens mit rund 5.000 Aktiven und 200.000 erwarteten Besuchern kurz vor dem Start abzusagen.
"Es ging um einen Großanschlag auf Leib und Leben der Menschen, die am Schoduvel teilnehmen. Und als ich das heute Morgen erfahren habe, und wir eigentlich gar keine andere Wahl hatten, als diesen Zug abzusagen, ich muss sagen: Seitdem stehe ich leicht unter Schockzustand – und bin unendlich traurig."
Sagt Oberbürgermeister Ulrich Markurth von der SPD. 120 Motivwagen rollen zurück ins Depot. Spürhunde werden zu zwei verdächtigen Gegenständen geführt, doch der abgestellte Karton und die Thermoskanne sind ungefährlich. Unterdessen mahnt Christoph Meyns, der Evangelische Landesbischof, zur Besonnenheit, auch Sadiqu Al-Mousllie von der Islamischen Gemeinde in der Löwenstadt verurteilt Eiferer, die sich auf seine Religion berufen:
"Die Extremisten, die solches Gedankengut in ihren Köpfen beherbergen, unterscheiden nicht zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, wenn solche Aktionen gemacht werden. Das hat das Ziel, das Zusammenleben zu zerstören!"
Trotzige Heiterkeit
In den Kneipen der Stadt mühen sich die Karnevalisten noch am späten Abend in trotziger Heiterkeit. Viele Narren äußern Verständnis für die Absage, doch die Enttäuschung steht ihnen ins Gesicht geschrieben.
"Ich weiß ja jetzt gar nicht genau, wer da eigentlich einen Bombenanschlag geplant hat – aber jetzt habe ich ein bisschen schlechte Laune deswegen!"
"Es ist sehr ärgerlich so, man gibt sich da Mühe mit seinen Kostümen und macht und tut, investiert Zeit – aber dann ist das dann für die Katz!"
"Was ich nicht verstehe ist, dass man fünf, sechs Tage in Köln Karneval feiern kann, wo wesentlich mehr Menschen sind. Und dann in Braunschweig wird gesagt: „Nein, es ist zu gefährlich!“ Das will mir noch nicht so ganz in den Kopf."
Hunderttausende werden am Rosenmontag zu den Umzügen in den Karnevalshochburgen in Mainz, Köln und Düsseldorf erwartet.
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