Terroranschlag am Istanbuler Flughafen

Die allmähliche "Syrisierung" der Türkei

Vor dem Atatürk-Flughafen in Istanbul trauern Menschen.
Vor dem Atatürk-Flughafen in Istanbul trauern Menschen. © AFP / Ozan Kose
Thomas Seibert im Gespräch mit Anke Schaefer und Christopher Ricke · 29.06.2016
Viele Menschen in Istanbul meiden inzwischen das Stadtzentrum, berichtet der Journalist Thomas Seibert über die Stimmungslage in der Türkei. Angesichts der ständigen Terrorgefahr nehme das Gefühl der Verunsicherung immer mehr zu – der Alltag hat sich radikal verändert.
Wie gehen die Menschen in der Türkei mit dem jüngsten Anschlag auf dem Istanbuler Flughafen und der alltäglichen Terror-Bedrohung um? Thomas Seibert, Autor und Journalist, beschrieb im Deutschlandradio Kultur die Stimmungslage. Er lebt seit vielen Jahren in Istanbul:
"Es ist ein Gefühl der Verunsicherung hier in der Türkei entstanden. Viele Leute hier sprechen von einer 'Syrisierung' oder 'Irakisierung' des Landes: Die ständige Androhung von Anschlägen, egal, ob es auf einem Wochenmarkt, in einem Einkaufszentrum oder jetzt am Flughafen. Viele meiner türkischen Bekannten gehen überhaupt nicht mehr ins Stadtzentrum von Istanbul, weil sie Angst haben, in die Luft gesprengt zu werden."

Gefühl der Verunsicherung

Dieses Gefühl der Verunsicherung greife immer mehr um sich und veranlasse die Menschen dazu, ihren ganzen Alltag zu ändern, sagte Seibert. Die "heftige Militärpräsenz" im Kurdengebiet sei ein Faktor, der die Spannungen noch weiter wachsen lasse:

"Viele Leute dort haben kein Vertrauen zur Staatsmacht mehr. Allerdings muss man sagen, dass auch die Anwesenheit von bewaffneten PKK-Trupps in kurdischen Städten nicht gerade zur Beruhigung der Leute beiträgt. Auch die PKK hat in den letzten Monaten erheblich an Sympathien verloren bei den normalen Kurden. Unter dem Strich ist es so, dass viele Leute sagen: 'Wenn ich könnte, würde ich auswandern."
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