Terror in Mosambik

Meinungsfreiheit unter Druck

22:10 Minuten
Auf einer Straße steht ein bewaffneter Soldat. Um ihn herum stehen Kinder und Jugendliche.
Ein Soldat bei einer Lebensmittelverteilung auf der mosambikanischen Insel Ibo, wo aktuell Flüchtlinge untergebracht sind. Über solche Ereignisse zu berichten, wird immer schwieriger. © Deutschlandradio / Adrian Kriesch
Von Stefan Ehlert · 29.04.2021
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Im Norden Mosambiks bekämpft die Regierung eine islamistische Terrorgruppe. Journalisten und Journalistinnen, die über die Kampfhandlungen und die Situation für die Bevölkerung berichten, werden von der Regierung bedroht, verschleppt und ausgewiesen.
7. April, Tag der mosambikanischen Frau. Im Facebook-Sender Media Mais TV wird aus diesem Anlass Graça Machel interviewt, zur Terrorkrise in Nordmosambik. Ein sensibles Thema. Doch die Witwe des Staatsgründers Samora Machel und des einstigen südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela nimmt kein Blatt vor den Mund. Die Erstürmung der Stadt Palma durch eine islamistische Miliz habe sie schockiert.
Bei allem Respekt, sagt die 75-Jährige: Wir sind hilflos, wir sind hilflos! Damit widerspricht Frau Machel ausdrücklich und in aller Öffentlichkeit dem Präsidenten, Filipe Nyusi. Er hatte gesagt, seine Truppen hätten keinesfalls hilflos agiert und man dürfe den Terrorangriff auf Palmain Nordmosambik nicht dramatisieren.
"Ich bin extrem besorgt wegen der Ereignisse und der Tendenz, sie herunterzuspielen. Und wenn diese Ereignisse nicht heruntergespielt werden, dann gibt es die Tendenz, etwas zu verschweigen, damit keine Panik aufkommt."

Hier zeichnet sich ein Riss ab in der Elite der einstigen Befreiungsbewegung Frelimo. Das Regime unter Filipe Nyusi gerät mit seiner Informationspolitik öffentlich unter Druck aus den eigenen Reihen. Die unangreifbare Graça Machel genießt dabei Spielräume der Meinungsfreiheit wie nur wenige.

Seit einem Jahr verschwunden: Ibraimo Mbaruco

Der Journalist Ibraimo Mbaruco hatte diese Freiheit nicht. Am 7. April jährte sich zum ersten Mal das Verschwinden des Reporters aus der Stadt Palma in Cabo Delgado. Er konnte Zeugen zufolge noch mit dem Handy berichten, dass er von Uniformierten umstellt sei. Danach Funkstille. Die Umstände der mutmaßlichen Entführung durch Sicherheitskräfte sind bis heute ungeklärt, wie sein Bruder Juma erzählt:
"Gleich nach dem Ereignis, am 14. April, habe ich an die Behörden geschrieben, um zu erfahren, was mit Ibraimo geschehen ist. Seitdem haben wir als Familie keine Informationen erhalten. Ich habe bei der Kriminalpolizei Dokumente eingereicht, aber nichts erfahren. Ibraimo hinterlässt zwei Kinder und eine Frau, und im Moment geht es vor allem den Kindern schlecht."

Das Verschwinden des Reporters ist Teil einer Entwicklung, die viele Mosambikanerinnen und Mosambikaner bedenklich finden. In Sachen Meinungsfreiheit befindet sich das südafrikanische Armenhaus im Rückwärtsgang. Die umfassende Kontrolle der Frelimo über den Zugang zu öffentlichen Ämtern und Aufträgen – von Lehrerstellen bis zum Straßenbau – ist ohnehin ein Instrument, das viele davon abhält, den Kopf zu weit herauszustrecken, weil sie sonst keine Arbeit mehr haben.
Nun soll auch der gesetzliche Rahmen für die öffentliche Information und Meinungsbildung stärker eingegrenzt werden. Zwei Entwürfe zur Regelung von Presse und Medien könnten für einige Medienhäuser sogar das Ende bedeuten. Journalistinnen und Journalisten aus dem In- und Ausland befürchten mehr Willkür und rechtliche Risiken. Ein Beispiel: In Prozessen gegen die Diffamierung des Präsidenten muss dieser künftig keine Beweise mehr dafür vorlegen, dass er verunglimpft wurde. Oder: Radiosender müssen schließen, wenn sie es sich nicht leisten können, mehr als ein paar Stunden am Tag zu senden.

Meinungsfreiheit durch neue Mediengesetze bedroht

Das aber wäre das Aus für viele Gemeinderadios, bemängelt Johannes Beck, Redaktionsleiter Portugiesisch für Afrika der Deutschen Welle. Bislang war die Deutsche Welle in Mosambik Marktführer unter den Auslandsprogrammen – also eine wichtige unabhängige Informationsquelle – online und im Radio:
"Wenn die beiden Gesetze so durchkommen, die im Parlament vorliegen, dann können wir einen großen Teil unserer Vertriebsarbeit und unseres journalistischen Erfolges erst mal einpacken. Wir haben sehr viele Partnersender rekrutieren können in den letzten 15 Jahren, die dann einen Großteil unserer Programme nicht mehr übernehmen könnten. Das andere ist die Zahl der Korrespondenten, die wir in Mosambik haben, das sind etwa 15 Reporterinnen und Reporter, die für uns arbeiten. Und davon könnten wir in Zukunft nur noch zwei halten."
Ein Mann im Anzug steht vor einem Rednerpult und hält eine Ansprache.
Die Regierung von Präsident Filipe Nyusi behindert massiv die Berichterstattung über Korruption in Mosambik und den Krieg mit Islamisten im Norden des Landes.© picture alliance / Xinhua News Agency / Israel Zefanias
Nach Jahrzehnten mühsam errungener Fortschritte sieht Johannes Beck die Meinungs- und Pressefreiheit in Mosambik durch die neuen Mediengesetze bedroht:
"Es ist eine Einschränkung der Pressefreiheit. Es ist ein Versuch, unangenehme Nachrichten über den Präsidenten und die Politik Mosambiks auszuschließen. Es ist vor allem ein Versuch, breitenwirksame Medien zu schwächen."
Mit Ausnahme des Internets – es spielt in den neuen Mediengesetzen noch keine Rolle. Aber Internet ist auf dem Land noch nicht weit verbreitet, dort, wo 80 Prozent der 31 Millionen Einwohner leben. Nach Meinung von Professor Adriano Nuvunga, Direktor des Zentrums für Demokratie und Entwicklung (CDD) in Maputo, gehört es zur Strategie des Machterhalts der herrschenden Frelimo-Partei, die Bevölkerung über vieles lieber nicht zu informieren:
"Man erhält sich die Macht, indem man dafür sorgt, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu Informationen hat, abgeschnitten ist von sozialen Medien. Dafür hat sie kein Geld im täglichen Überlebenskampf."
Doch trotz schlechten Zugangs zu Informationen sprechen schon heute viele Bürgerinnen und Bürger von ihrer Regierung nur noch als "os bandidos", die Banditen, wegen der großen Korruptionsskandale, die bekannt wurden. Aber die Erfahrungen der vergangenen Jahre dürften selbst renommierte Kritiker eingeschüchtert haben und davon abhalten, sich in den Medien allzu unvorsichtig auszudrücken:
2015 wurde der Verfassungsrechtler Gilles Cistacauf offener Straße erschossen. 2018 verletzten unbekannte Entführer einen zuvor verschleppten Enthüllungsjournalisten so schwer, dass er zur Behandlung nach Südafrika verlegt werden musste. 2019 traf es den regierungskritischen Wahlbeobachter AnastácioMatavelein Xai-Xai. Er wurde auf offener Straße von einem Killerkommando erschossen. Die Mörder waren Polizisten.

"Ziel ist es, ein System des Terrors für Journalisten zu errichten"

Matias Guente ist Chefredakteur der Wochenzeitung "Canal de Moçambique", die sich auf Korruptionsfälle spezialisiert hat. Außerdem ist Canal an einer Info-Plattform über den Krieg in Cabo Delgado in Nordmosambik beteiligt. Ende 2019 sah er sich eines Tages von Leuten mit Baseballschlägern umstellt, die versuchten, ihn zu entführen. Er entkam. Im August 2020 brannten Unbekannte die Redaktionsräume in Maputo nieder. "Canal de Moçambique" erschien trotzdem, aber, sagt Guente, er müsse angesichts der Bedrohungslage mehr Geld in die Sicherheit investieren.
"Das Ziel dieser Angriffe ist es, ein System des Terrors für Journalisten zu errichten, in dem die Journalisten das Interesse am investigativen Journalismus verlieren."


Rote Linien, sagt Guente, überschritten seine Reporter immer dann, wenn es um Korruption gehe, vor allem da, wo Politiker und Wirtschaft Hand in Hand arbeiteten. Und das sei oft der Fall, weil in Mosambik häufig einflussreiche Politiker oder Angehörige von ihnen an gewinnbringenden Geschäften beteiligt seien. Das zweite Minenfeld für Journalisten sei der Krieg mit den Islamisten in Cabo Delgado. Damit habe vor dreieinhalb Jahren der Abschied von der Meinungsfreiheit begonnen, meint auch Tom Bowker – der Brite zog 2014 als Korrespondent nach Mosambik:
Ein Mann steht in einem Büro und hält ein Foto in der Hand, auf dem ein von einem Brand zerstörtes Büro zu sehen ist.
Matias Guente mit einem Foto des ausgebrannten Büros. © Deutschlandradio / Stefan Ehlert
"Das Umfeld war ganz ok zum Arbeiten. Aber der Beginn des Krieges hat die Einstellung der Regierung gegenüber den Medien vollkommen verändert."
Tom Bowker gibt den Mosambik-Newsletter "Zitamar News" heraus. Aber Nachrichten über einen islamistischen Aufstand sind wenig geeignet, Investoren anzulocken – dabei geht es allein bei der geplanten Erdgasförderung in Cabo Delgado um zig Milliarden US-Dollar. Folglich versuchte die Regierung lange, die Krise kleinzureden und zu verbergen, dass sie über keine schlagkräftige Armee verfügt, und auch, dass diese Armee für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht wird.
"Wenn wir schon die Lage nicht kontrollieren können, dann doch wenigstens die Nachrichten!", scheint das Motto der Informationspolitik zu sein. Dieser Logik folgend wurde Tom Bowker im Februar des Landes verwiesen. Er darf Mosambik zehn Jahre lang nicht mehr betreten. Wer sich im Netz gegen seine Ausweisung ausspricht, erhält Hassmails von Claqueuren des Regimes mit dem Inhalt, dass alle Korrespondenten Spione seien und ausgewiesen werden müssten. Über Bowker selbst kursierten bedrohliche Posts:
"Ich habe eine unerfreuliche Whatsapp-Nachricht gesehen aus einer einflussreichen Frelimo-Propagandagruppe. Mein Fall wurde da mit dem von Gilles Cistac verglichen. Den sei man losgeworden, und mich werde man auch los. Aber das war ja nur eine indirekte und vage Drohung."

Die Macht des Internets wird bisher unterschätzt

Zur Erinnerung: Der Verfassungsrechtler Gilles Cistac war von Unbekannten erschossen worden, mutmaßlich, weil eines seiner Gutachten den umfassenden Machtanspruch der regierenden Frelimo-Partei infrage gestellt hatte. Tom Bowker immerhin ist nun im Ausland in Sicherheit, er setzt seine Arbeit von dort aus fort. Und weitet sie sogar aus. Die Macht des Internets, sagt er, habe man in Maputo noch nicht verstanden.
"Ich bin dabei, ein Internetradio aufzusetzen, das die Regierung nicht schließen kann."
An jedem Wochentag werde er Sendungen bringen über den Krieg in Cabo Delgado in Sprachen, die die Menschen dort verstehen. Die Finanzierung sei gesichert, sagt Bowker. Startschuss ist der 3. Mai, der Welttag der Pressefreiheit.

Über den Krieg im Norden Mosambiks soll nicht berichtet werden – so will es das Regime. Adrian Kriesch von der Deutschen Welle ist aber das gelungen. Nach monatelanger Wartezeit hat er eine Akkreditierung bekommen und zeigt uns in seinem Beitrag seltene Einblicke in die brutale Lage vor Ort.

Ein Mann in einem Flüchtlingscamp auf der mosambikanischen Insel Quirimba zeigt ein Foto seiner Familie.
© Deutschlandradio / Adrian Kriesch

Hinweis: Das Interview im Beitrag mit Juma Mbaruco aus Pemba stammt auch von Adrian Kriesch von der Deutschen Welle.

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