Terror-Geschäfte

Gesetz soll illegalen Handel mit Kulturschätzen stoppen

Unterstützer der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) mit Fahne.
Die IS-Milizen verkaufen nicht nur Öl - sondern auch antike Kunstschätze. © AFP / TAUSEEF MUSTAFA
Von Christiane Habermalz · 19.11.2014
Die IS-Terroristen verdienen kräftig am illegalen Verkauf von archäologischem Raubgut aus Syrien und dem Irak. Einer der Hauptumschlagplätze ist Deutschland – vor allem wegen der laxen Gesetzgebung. Das das soll sich nun ändern.
Archäologen schlagen Alarm: Der Handel mit geraubten antiken Kulturgütern hat sich zur zweitgrößten Einnahmequelle der organisierten Kriminalität entwickelt. Terror, Krieg und politische Instabilität machen es den Antikenverwaltungen der betroffenen Länder unmöglich, ihre Kulturgüter zu schützen. Am schlimmsten ist die Lage im Irak und in Syrien, wo die IS-Terrormilizen Informationen der Geheimdienste zufolge mittlerweile einen Großteil ihres Kampfes mit dem Handel von antiken Kulturgütern aus Raubgrabungen finanzieren.
Hier lag das antike Mesopotamien, das Land zwischen Euphrat und Tigris, der ältesten Hochkulturen der Menschheit. Ein Eldorado für Archäologen, nur ein Bruchteil der antiken Siedlungsstätten wurde bislang ausgegraben. Mittlerweile sehen unzählige Ruinenstätten aus wie ein Schweizer Käse.
Die Unseco warnt vor systematischer Zerstörung historischer Stätten
"Wenn wir über den Irak sprechen, wissen wir, dass seit Anfang der 90er-Jahre dort Raubgrabungen stattfinden, es gibt seit Anfang der 2000er-Jahre wirklich erschütternde Bilder von archäologischen Stätten, die aussehen wie Mondlandschaften, also die Bilder, die wir jetzt aus Syrien kennen, Apamea, Duro Europos, durchgegrabene Ruinenstätten, ein Loch neben dem anderen, das sieht wirklich aus wie eine Mondlandschaft. Diese Bilder kennt man aus dem Süden des Irak seit etwa 20 Jahren",
erläutert Markus Hilgert, Altorientalist und Direktor des Vorderasiatischen Museum in Berlin. Dem Wissenschaftler blutet das Herz, weiß er doch, dass jeder abgeschlagene Kopf einer Statue, jedes Keilschriftdokument oder Rollsiegel, seines Fundkontextes beraubt, für die Forschung verloren ist. Vergeblich bemühen sich die Behörden in Syrien und Irak gegen die Ausplünderungen ihrer kulturellen Geschichte.
"Vielleicht machen wir uns das nicht oft genug deutlich: Wenn wir die Museumsinsel nicht mehr schützen könnten, wenn wir das Brandenburger Tor nicht mehr schützen könnten. Und wir müssten zusehen, wie Personen aus anderen Ländern mit Meißel und Hammer an das Brandenburger Tor gehen und das langsam abbauen und mitnehmen, dann können wir uns vielleicht in die Situation derjenigen Länder versetzen, die im Moment diese politischen Probleme zu bewältigen haben."
Die Verwüstung ist so gewaltig, dass die Unesco bereits Alarm geschlagen und vor einer "systematischen Zerstörung von historischen Stätten und Kulturgütern" gewarnt hat. Und ausgerechnet Deutschland ist Experten zufolge offenbar zu einem der Hauptumschlagplätze für geraubte Kulturgüter geworden. Grund ist die laxe Gesetzeslage hierzulande.
Gesetzesnovelle spürbaren Folgen für den Kunsthandel
Die Bundesrepublik hat zwar 2007 ein Kulturgüterschutzgesetz verabschiedet, das die Einfuhr und Ausfuhr von national bedeutsamen Kulturgütern verbietet. Doch derzeit kann nur konfisziert werden, was vom Herkunftsstaat als national bedeutsames Kulturgut aufgelistet und veröffentlicht wurde.
"Das Problem des Listenprinzips ist, das sieht man jetzt am Problem Irak und in Syrien sehr deutlich, dass wenn die Objekte aus Raubgrabungen stammen, dann können sie ja nicht registriert sein, dann sind sie auch in keiner Liste drin. Wenn solche Objekte in den Handel kommen, dann gibt es praktisch keine Rechtsgrundlage und kein Instrument, um den Handel mit solchen Objekten zu unterbinden."
Wenn im Kunst- und Antiquitätenhandel die Herkunftsbezeichnung "Fundort unbekannt" auftauche, müsse man damit rechnen, dass diese Objekte aus illegalem Handel stammen, so Hilgert. Er wird regelmäßig von den Ermittlungsbehörden als Experte hinzugezogen, um verdächtige Kulturgüter zu prüfen. Doch mehr, als deren Echtheit feststellen, kann er nicht.
Die Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, strebt nun für das kommende Jahr eine Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes an. Danach soll die Beweispflicht umgekehrt werden: Alle Kulturgüter müssen ein legales Ausfuhrzertifikat des Herkunftslandes vorweisen – fehlt es, gilt das Objekt als illegal erworben und darf nicht gehandelt werden. Damit setzt Grütters auch eine entsprechende EU-Vorgabe um.
Die geplante Gesetzesnovelle dürfte große Auswirkungen auf den deutschen Kunsthandel haben, der von der bisherigen Gesetzeslage stark profitiert hat. Und schon jetzt zeichnen sich neue Probleme ab. Zum Beispiel bei der Frage, wie ein national bedeutsames Kulturgut eigentlich definiert wird. Und wem gehört es – dem Land in dem es gefunden wurde, dem Land, das es im Museum aufbewahrt, oder dem, zu dessen kultureller Vergangenheit es gehört?
Die Debatte um den Kulturgüterschutz, die zwangsläufig auch das Recht der Völker auf ihre kulturelle Geschichte und Identität in den Mittelpunkt rücken wird, dürfte auch die Provenienzfrage für viele europäische Museen, Archive, und Bibliotheken neu stellen.