Tempelhof - zwischen Nostalgie und Vernunft
Gestatten Sie, dass ich es mal ganz persönlich sehe: Ich wohne direkt in der Einflugschneise des Flughafens Tempelhof. Ein tiefes Brummen erinnert mich regelmäßig an die große Geschichte dieses Flugfeldes, dann nämlich, wenn wieder einmal die eine DC-3 im Tiefflug über unser Haus schwebt, die heutzutage Touristen über Berlin transportiert, aber keine Lebensmittel mehr. Früher nannte man sie Rosinenbomber, die Maschinen also, die Berlin während der Luftbrücke das Überleben gesichert haben.
Folgt man dem Berliner Senat, dann soll es im Herbst damit vorbei sein - für immer Abschied vom Luftbrückenmythos, für den Tempelhof ganz besonders steht. Da wird es einem schon wehmütig ums Herz. Und als Berliner Bürger soll ich mich entscheiden: Ja oder Nein zu Tempelhof?
Nun muss ich Farbe bekennen, auch wenn es schwer fällt: Mein Bauch sagt ja, mein Verstand aber nein.
So wird es vielen Berlinern gehen, die am Sonntag zum Volksentscheid aufgerufen sind. Sie werden gerade aufs Heftigste umworben, wobei die Tempelhof-Befürworter erkennbar mehr Aufwand treiben. Diese Befürworter beschwören das Weltstadt-Hauptstadt-Nostalgie-Gefühl, also ein Mischung aus beidem: einerseits wird gefühlvoll die Luftbrücken-Vergangenheit ins Feld geführt, andererseits darauf verwiesen, dass eine weltoffene Hauptstadt wie Berlin einfach einen Stadtflughafen braucht.
Die Gegner dagegen haben vor allem ein Argument: Wollen Sie etwa einen Flughafen für die Superreichen bezahlen?
Doch täuschen wir uns nicht: längst haben sich die Parteien dieses Themas bemächtigt, und es geht keineswegs nur um den Flughafen, es geht um die Machtfrage.
Denn endlich hat die blutleere Hauptstadt-CDU, seit Jahren von Bedeutungslosigkeit geplagt, ein Thema für sich entdeckt. Der Flughafen Tempelhof soll den rot-roten Senat mit dem erfolgreichen Partymeister Wowereit an der Spitze in die Enge treiben. Und deshalb hat nun auch die Bundeskanzlerin in die Diskussion eingegriffen und sich für den Erhalt von Tempelhof ausgesprochen. Die CDU-Bundesvorsitzende leistet damit Schützenhilfe für die Berliner Union, und wenn es gelingt, den Volksentscheid zu gewinnen, dann werden auch im CDU-Hauptquartier die Champagnerkorken knallen.
Der Regierende Bürgermeister Wowereit tut immer so, als perle das alles an ihm ab. Und ginge es nicht um knallharte Machtinteressen, man könnte es fast für eine Posse halten.
Denn Tatsache ist auch: Formal gesehen ist völlig egal, wie sich die Bürger am Sonntag entscheiden. Der Senat ist keineswegs gezwungen, sich daran zu halten. Und er denkt auch gar nicht daran, das zu tun, wenn sich die Berliner für den Erhalt von Tempelhof entscheiden sollten.
Das ist schwer zu vermitteln, aber so ist es nun einmal. Was auch gewiefte Rechtsanwälte wie den Parade-Linken Gregor Gysi erwischt hat, der in dieser Woche morgens noch für Tempelhof, am Nachmittag aber für das Gegenteil, nämlich für die Schließung war.
Der Senat argumentiert nämlich, dass Tempelhof geschlossen werden muss, weil das die rechtliche Voraussetzung für den Bau des Großflughafens Schönefeld sei. Daran führe kein Weg vorbei. Das, und so ist es tatsächlich, habe auch die damalige CDU-geführte Bundesregierung in den neunziger Jahren so mit beschlossen.
Und deshalb muss man sich eben entscheiden. Bei aller Nostalgie muss eines Vorrang haben: Der Großflughafen für Berlin braucht eine gesicherte Zukunft. Das ist es, was die Hauptstadt wirklich haben muss – einen funktionierenden Flugplatz, der zu den ganz großen in Deutschland zählen wird. Das gibt der Hauptstadt Gewicht, und das ist vor allem ein Job-Motor. Einen subventionierten Flughafen für Kleinflugzeuge braucht der Steuerzahler dagegen nicht.
Deshalb, bei aller Nostalgie für Tempelhof, der Bauch darf nicht entscheiden, der Verstand ist hier gefragt.
Und der lässt keine andere Möglichkeit zu. Tempelhof muss geschlossen werden, auch wenn ich das Brummen der Motoren des Rosinenbombers sehr vermissen werde.
Werner Sonne, 1947 in Riedenburg geboren, arbeitete zunächst beim Kölner Stadt-Anzeiger, war dann Korrespondent für United Press International in Bonn und ging 1968 zum Westdeutschen Rundfunk. Er absolvierte Studienaufenthalte am Salzburg Seminar for American Studies sowie an der Harvard University. Unter anderem war er Hörfunk-Korrespondent in den ARD-Studios Bonn und Washington. 1981 wechselte Werner Sonne zum Fernsehen, war unter anderem ARD-Studioleiter in Warschau, Korrespondent in Bonn und Washington und im ARD-Hauptstadtstudio Berlin sowie Moderator der Sendung "Schwerpunkt" im ARD/ZDF-Informationskanal Phoenix. Derzeit arbeitet er als Berliner Korrespondent für das ARD-Morgenmagazin. Werner Sonne ist Co-Autor der Romane: ‚Es war einmal in Deutschland’ (1998), ‚Allahs Rache’ (1999), ‚Quotenspiel’ (1999) und ‚Tödliche Ehre’ (2001).
Nun muss ich Farbe bekennen, auch wenn es schwer fällt: Mein Bauch sagt ja, mein Verstand aber nein.
So wird es vielen Berlinern gehen, die am Sonntag zum Volksentscheid aufgerufen sind. Sie werden gerade aufs Heftigste umworben, wobei die Tempelhof-Befürworter erkennbar mehr Aufwand treiben. Diese Befürworter beschwören das Weltstadt-Hauptstadt-Nostalgie-Gefühl, also ein Mischung aus beidem: einerseits wird gefühlvoll die Luftbrücken-Vergangenheit ins Feld geführt, andererseits darauf verwiesen, dass eine weltoffene Hauptstadt wie Berlin einfach einen Stadtflughafen braucht.
Die Gegner dagegen haben vor allem ein Argument: Wollen Sie etwa einen Flughafen für die Superreichen bezahlen?
Doch täuschen wir uns nicht: längst haben sich die Parteien dieses Themas bemächtigt, und es geht keineswegs nur um den Flughafen, es geht um die Machtfrage.
Denn endlich hat die blutleere Hauptstadt-CDU, seit Jahren von Bedeutungslosigkeit geplagt, ein Thema für sich entdeckt. Der Flughafen Tempelhof soll den rot-roten Senat mit dem erfolgreichen Partymeister Wowereit an der Spitze in die Enge treiben. Und deshalb hat nun auch die Bundeskanzlerin in die Diskussion eingegriffen und sich für den Erhalt von Tempelhof ausgesprochen. Die CDU-Bundesvorsitzende leistet damit Schützenhilfe für die Berliner Union, und wenn es gelingt, den Volksentscheid zu gewinnen, dann werden auch im CDU-Hauptquartier die Champagnerkorken knallen.
Der Regierende Bürgermeister Wowereit tut immer so, als perle das alles an ihm ab. Und ginge es nicht um knallharte Machtinteressen, man könnte es fast für eine Posse halten.
Denn Tatsache ist auch: Formal gesehen ist völlig egal, wie sich die Bürger am Sonntag entscheiden. Der Senat ist keineswegs gezwungen, sich daran zu halten. Und er denkt auch gar nicht daran, das zu tun, wenn sich die Berliner für den Erhalt von Tempelhof entscheiden sollten.
Das ist schwer zu vermitteln, aber so ist es nun einmal. Was auch gewiefte Rechtsanwälte wie den Parade-Linken Gregor Gysi erwischt hat, der in dieser Woche morgens noch für Tempelhof, am Nachmittag aber für das Gegenteil, nämlich für die Schließung war.
Der Senat argumentiert nämlich, dass Tempelhof geschlossen werden muss, weil das die rechtliche Voraussetzung für den Bau des Großflughafens Schönefeld sei. Daran führe kein Weg vorbei. Das, und so ist es tatsächlich, habe auch die damalige CDU-geführte Bundesregierung in den neunziger Jahren so mit beschlossen.
Und deshalb muss man sich eben entscheiden. Bei aller Nostalgie muss eines Vorrang haben: Der Großflughafen für Berlin braucht eine gesicherte Zukunft. Das ist es, was die Hauptstadt wirklich haben muss – einen funktionierenden Flugplatz, der zu den ganz großen in Deutschland zählen wird. Das gibt der Hauptstadt Gewicht, und das ist vor allem ein Job-Motor. Einen subventionierten Flughafen für Kleinflugzeuge braucht der Steuerzahler dagegen nicht.
Deshalb, bei aller Nostalgie für Tempelhof, der Bauch darf nicht entscheiden, der Verstand ist hier gefragt.
Und der lässt keine andere Möglichkeit zu. Tempelhof muss geschlossen werden, auch wenn ich das Brummen der Motoren des Rosinenbombers sehr vermissen werde.
Werner Sonne, 1947 in Riedenburg geboren, arbeitete zunächst beim Kölner Stadt-Anzeiger, war dann Korrespondent für United Press International in Bonn und ging 1968 zum Westdeutschen Rundfunk. Er absolvierte Studienaufenthalte am Salzburg Seminar for American Studies sowie an der Harvard University. Unter anderem war er Hörfunk-Korrespondent in den ARD-Studios Bonn und Washington. 1981 wechselte Werner Sonne zum Fernsehen, war unter anderem ARD-Studioleiter in Warschau, Korrespondent in Bonn und Washington und im ARD-Hauptstadtstudio Berlin sowie Moderator der Sendung "Schwerpunkt" im ARD/ZDF-Informationskanal Phoenix. Derzeit arbeitet er als Berliner Korrespondent für das ARD-Morgenmagazin. Werner Sonne ist Co-Autor der Romane: ‚Es war einmal in Deutschland’ (1998), ‚Allahs Rache’ (1999), ‚Quotenspiel’ (1999) und ‚Tödliche Ehre’ (2001).

Werner Sonne© WDR