Rechtswidrige Inhalte

Warum an Telegram so schwer heranzukommen ist

07:31 Minuten
Handybildschirm mit verschiedenen Social- und Messenger-Apps von Facebook/Meta, Google und Telegram
Abschalten, Klarnamenpflicht oder Fluten mit Löschanfragen: Was kann gegen die Verstöße auf Telegram helfen? © imago images / MiS
17.01.2022
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Hass, Hetze und keine Handhabe dagegen – der Messengerdienst Telegram stellt den deutschen Staat vor Probleme. Neueste Idee: den Dienst mit Anfragen fluten. Warum ist Telegram eine so harte Nuss? Und wie dagegen vorgehen?
Bei Protesten von Gegnerinnen und Gegnern der Corona-Maßnahmen spielt sie eine zentrale Rolle: die Plattform Telegram. Auf diesem Messengerdienst werden aber nicht nur genehmigte Proteste organisiert, sondern es gibt auch Hetze und andere rechtswidrige Inhalte. Um dem entgegenzuwirken, will das Bundeskriminalamt (BKA) nun den Dienst mit Datenanfragen um Löschbitten fluten, wie die „Welt“ berichtet.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser brachte bereits vor einigen Tagen ein mögliches "Abschalten" von Telegram ins Gespräch. Gerade unter Rechten ist Telegram sehr beliebt, dazu gibt es auch Untersuchungen – und um diesen Teil von Telegram geht es. Um Hasskommentare, Drohungen oder Gruppen, in denen gefälschte Impfpässe angeboten werden. Telegram weigert sich bisher zu löschen oder überhaupt auf Anfragen der deutschen Behörden zu reagieren. Darum jetzt dieser Vorstoß des BKA. Es war auch schon einmal eine Klarnamenpflicht für Telegram im Gespräch.

Experte: Dass man an Telegram nicht herankommt, ist quasi der Markenkern

Nancy Faeser sagt, ein „Abschalten“ wäre rechtlich möglich, aber es gehe ihr erst einmal um Öffentlichkeit. „Telegram spielt ja auf der Welt auch in anderen Ländern durchaus eine sehr positive Rolle für Oppositionelle, das muss man in einer solchen Abwägung auch immer mitbedenken“, sagte sie im Deutschlandfunk. Doch wir könnten uns nicht bieten lassen, dass ein Messengerdienst Hass und Hetze verbreite, „aufruft zu Demonstrationen, zu Fackelzügen gegen Kommunalpolitiker, gegen Bürgermeister, gegen Landtagsabgeordnete, gegen Ministerpräsidentinnen“.
Dass man an Telegram nicht herankommt, sei quasi Markenkern der Plattform, erklärt Christian Schwieter, der für die Non-Profit-Organisation ISD unter anderem untersucht hat, wie Rechte und Verschwörungsideologinnen und -ideologen auf Telegram ihre Infrastruktur aufbauen. Die Plattform wurde von zwei russischen Brüdern gegründet, die damit regierungskritische Aktionen ermöglichen wollten. Firmensitz ist aktuell in Dubai. Ein großes Problem ist, dass Telegram keinen Ansprechpartner und keine Ansprechpartnerin in Deutschland hat. Müsste es eigentlich haben nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) – genau wie zum Beispiel eine Funktion, mit der man Inhalte melden kann. Beides gibt es aber nicht.
Ein Hebel ist internationaler Druck: Anfragen von Europol zum Beispiel zu IS-Inhalten bearbeitet Telegram und löscht auch. Dubai könnte theoretisch auch helfen, aber nur, wenn es die gemeldeten Straftaten so ähnlich in Dubai auch gibt. Das ist alles sehr kompliziert.

Mehr gesellschaftliche als technische Frage

Dass Telegram so stark von Reichsbürgerinnen und Verschwörungsideologen genutzt werde, liege auch an der Funktionsweise des Dienstes, sagt Pia Lamberty. Die Sozialpsychiologin, forscht zu Verschwörungsideologien und ist Teil der Geschäftsführung der NGO CeMAS. Zum Beispiel seien sehr große Gruppen möglich und bestimmte Tools seien hilfreich bei der Moderation. Das Sperren von Telegram sieht sie kritisch, wie auch Christian Schwieter. Denn Telegram ist in anderen Ländern wichtig für Oppositionelle – das könnte ein schlechtes Vorbild sein. Aus dem Grund sind die beiden auch gegen eine Klarnamenpflicht.
Lamberty sagt, die Politik habe das Problem ein bisschen verschlafen und habe jetzt nicht unbedingt die besten Lösungen parat. Insgesamt sei es letztlich mehr eine gesellschaftliche als eine technische Frage. „Ich würde mir wünschen, dass es mehr Austausch gibt mit Organisationen, die sich mit Hass und Hetze im Netz auseinandersetzen, aber auch mit Organisationen, die Fragen zu Bürgerrechten mit auf dem Schirm haben, die dazu arbeiten.“
Audio: Ramona Westhof im Gespräch mit Nicole Dittmer
Onlinetext: abr
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