Teddys gegen Homophobie

Von Gerd Brendel · 17.02.2012
Vor über einem Vierteljahrhundert wurde der erste Teddy - der Preis für queere Filme - am Rande der Berlinale vergeben: an den Spanier Pedro Almodovar. Aus der Sponti-Veranstaltung von damals ist eine TV-taugliche Gala geworden, auf der sich die Community stolz in Szene setzt.
"Ich denke der Film sollte etwas Politisches aussagen und etwas über Abweichungen von der Norm. Natürlich spielen auch kinoästhetische Werte eine Rolle und der Film sollte sich auch für ein heterosexuelles Publikum lohnen."

Vier Bedingungen muss ein Film für Bilge Tas aus Ankara erfüllen, um für einen Teddy - einen schwullesbischen Filmpreis - in Frage zu kommen. In ihrer Heimat organisiert sie das erste schwullesbische Transgender-Filmfestival . Hier in Berlin ist sie Teil der Teddy-Jury, die heute Abend im alten Flughafen Berlin-Tempelhof ihre Preise vergab. Das Berlinale Programm bot eine reiche Auswahl potenzieller Preisträger. Alle Genres waren vertreten. Vom Graswurzel-Dokumentarfilm bis zum melancholischen Beziehungsdrama

"We just won a teddy award... Are you there ? Please call me back!" (O-Ton-Film)

Wie "Keep the Lights Burning", der den Teddy für den besten schwullesbischen Spielfilm verliehen bekam. Der New Yorker Regisseur Ira Sacks erzählt die Geschichte von Eric einem Dokumentarfilmer und seiner großen Liebe Paul. In einer Szene versucht Eric, der gerade einen Teddy gewonnen hat, verzweifelt seinen Freund zu erreichen. Aber der ist wieder einmal auf einem Drogentrip. Sacks Film erzählt in ruhigen Bildern vom Scheitern einer Liebe. Eine unaufgeregte Chronik aus dem schwulen Beziehungsalltag.

"What do you want me to do? I don't want to? You are going to come with me sleep in my bed… No … Yes … No!" (O-Ton-Film)

"Seit den letzten 20 Jahren hat sich queeres Kino entscheidend weiterentwickelt. In meinem Film geht es nicht um Identität, nicht um Menschen, die sich als anders definieren. Das haben wir hinter uns gelassen."

Das gilt für uns hier im kapitalistischen Westen wo Paare wie Paul und Erik vielleicht im Steuerrecht diskriminiert werden, aber als Schwule und Lesben nicht um ihr Leben fürchten müssen. Verhältnisse, von denen die Protagonisten des besten schwullesbischen Dokumentarfilms nur träumen können.

"David Kato was killed today..." (O-Ton-Film)

"Call me Kuchu" schildert den Überlebenskampf von Lesben, Schwulen und Transsexuellen in Uganda. Während der Dreharbeiten wurde der Aktivist David Kato brutal ermordet, nachdem eine Zeitung zum Mord an dem bekennenden Homosexuellen aufgefordert hatte.

Aber nicht nur in Afrika fürchten Homosexuelle um ihr Leben, auch in Europa. Daran erinnert "Parada" eine trashige Tragikomödie aus Serbien: Der Film spielt vor dem Hintergrund der ersten Christopher Street Day Demo in Belgrad, deren Teilnehmer von Neonazis brutal zusammengeschlagen wurden. Im Film beschließen die Homo-Aktivisten sich von einem Ex-Söldner und Kleinkriminellen beschützen lassen. Mit dem schwulen Radmilo fährt der durch das ehemalige Jugoslawien um seine ehemaligen Kriegs-Kameraden um Mithilfe zu bitten.

"Der Serbe, der Ushtad-Kroate , der Bosniake, der Albaner .. alle Saukerle zusammen, fehlt nur noch eine Schwuchtel. / Die ist auch da." (O-Ton-Film)

Dass man im Krieg aufeinander geschossen hat, tut der Altmänner-Freundschaft keinen Abbruch. Schwieriger tun sich die Jugo-Kriegsveteranen mit ihren schwulen und lesbischen Schutzbefohlenen, aber am Ende siegt dann doch die Einsicht.

"Queers sind genauso, wie alle anderen."

Regisseur Serjan Dragoijovic wollte ausdrücklich einen Film für die breite Massen drehen:

"Ich wollte mit meinem Film für die Rechte von Schwulen und Lesben eintreten, aber es sollte ein Film für den durchschnittshomophoben Hetero werden."

Der Erfolg hat ihm recht gegeben. Eine halbe Million Menschen haben den Film in Serbien bis jetzt gesehen und fast wären es noch mehr geworden: Dragoijowic organisierte eine Vorstellung für 150 Schuldirektoren. Einen Tag später veröffentlichen rechte Parteien einen Boykott-Aufruf:

"Nach dieser dreckigen Kampagne hat uns kein einziger Direktor eingeladen, den Film an seiner Schule zu zeigen."

Aber Regisseur Dragoijowic ist zuversichtlich:

"Wir haben eine Schlacht verloren, wir werden die nächste gewinnen, der Kampf für Toleranz ist ein Krieg."

Bei der Teddy Gala heute Abend hat "Parada" wenigstens den Preis des Berliner Schwulen Magazins "Siegessäule" gewonnen.

Egal, an welches Publikum sich die schwullesbischen Filme richten, eins gilt auf jeden Fall:

"Wir brauchen die Teddy-Preise um all diese Geschichten aus dem Schatten herauszuholen. Diese Preise machen Menschen Hoffnung und sie schaffen Sichtbarkeit."

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Linktipps:
Berlinale - Internationale Filmfestspiele Berlin
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